Die MotoGP hat sich beim Saisonauftakt in Katar Spott und Hohn zugezogen. Klar konnte niemand im trockenen Wüstenstaat mit den Regenfluten rechnen, die das Land am Freitag und Samstag heimsuchten. Aber vor Wochen vollmundig anzukündigen, 2017 in Katar erstmals auch auf nasser Fahrbahn anzutreten, Michelin und Dunlop Regenreifen nach Doha karren zu lassen und dann zunächst alle Qualifyings absagen und einen Tag später selbst vor geringen Regenmengen zu kapitulieren und alle Fahrer und Fans 45 Minuten lang hinzuhalten, ist ein wenig peinlich.

Natürlich hat die Sicherheit der Piloten Vorrang, aber dann hätte man die Rennsperre bei Regen erst gar nicht aufheben sollen. Dass die Strecke keine Drainagen hat und der Asphalt seit der Errichtung im Jahr 2004 kein einziges Mal erneuert wurde, wussten alle Beteiligten. Da lassen wir die Debatte um reflektierendes Flutlicht bei nasser Fahrbahn noch komplett außen vor.

Braucht die MotoGP ein Nachtrennen?

Nach diesem Wochenende muss sich die MotoGP die Frage gefallen lassen, ob man überhaupt ein Nachtrennen braucht. Für die langweilige Formel 1 mag dieses Konzept Sinn machen. Wenn es dort schon binnen 90 Minuten nur drei Überholmanöver gibt, dann sollen wenigstens die TV-Bilder schön anzusehen sein: Beleuchtete Skyline von Singapur, Hafen von Monte Carlo, Sonnenuntergang in Abu Dhabi. Optischer Aufputz für die nächste Sonntagsprozession.

Die MotoGP lebt aber mehr denn je von der Action auf der Strecke und nicht von Glanz und Glorie im Umfeld. Otto Normalfan hat in den 45-minütigen Rennen keine Zeit, das Panorama zu genießen, denn sonst verpasst er den x-ten Führungswechsel. Ob der jetzt unter Flutlicht geschieht, in der rustikalen Steinwüste von Aragon oder auf dem in die Jahre gekommenen Ring in Brünn ist doch herzlich egal.

Braucht die MotoGP Katar?

Daher stellt sich in weiterer Folge auch die Frage: Braucht man Katar überhaupt im Rennkalender? Was hätte diese Strecke denn überhaupt noch zu bieten, wenn man ihr das Flutlicht als Alleinstellungsmerkmal nehmen würde? Die ausgiebig asphaltierten Auslaufzonen wird man nicht vermissen. Ebenso wenig die nicht vorhandene Stimmung aufgrund nur sporadisch vorhandener Fans. Dieser Tage vermeldete man einen neuen Rekord - mickrige 32.000 über das gesamte Wochenende. Am Sachsenring, in Spielberg oder in Mugello kann man über solche zahlen nur schmunzeln.

Die einzige Tribüne an der Strecke in Katar, Foto: Tobias Linke
Die einzige Tribüne an der Strecke in Katar, Foto: Tobias Linke

Als ich im Vorjahr zum ersten Mal zum Rennen in den Wüstenstaat reiste, hatte ich die Lobeshymnen des Kollegen Menath auf den Luxus an arabischen Rennstrecken der Formel 1 im Ohr. Tatsächlich kam ich in einem "Paddock" aus rostigen Metall-Containern an und aß zwei Stunden später eine labbrige Zimtschnecke aus einer Plastikverpackung, die im Media Center serviert wurde. In Katar ist weit mehr Schein als Sein. Hauptsache es sieht in der Außendarstellung schön aus.

Deshalb wurden die hübschen Container in dieser Saison auch TV-wirksam mit bunten Aufstellern verdeckt und verkleidet. Verdecken möchte Katar auch die gravierenden Missstände auf den Baustellen jener Sportpaläste, die die Fußball-WM 2022 und irgendwann auch Olympische Spiele beheimaten sollen. Schlechte Presse passt den Männern, die mit derlei Events mächtig Kohle machen, nämlich so gar nicht.

Bitte weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen!

Daher wird am Flughafen Doha aktuell auch Fotoausrüstung kontrolliert und teilweise konfisziert. Ein Hoch auf die Pressefreiheit! Fotografen, die für das MotoGP-Rennen anreisten, bekamen Anfang der vergangenen Woche von der Dorna ein auf Arabisch verfasstes Schreiben mit dem Hinweis zugesandt, es den katarischen Behörden vorzuzeigen, falls diese beim Einreisevorgang wegen der großen Objektive nervös werden sollten. Die schönen Flutlicht-Bilder wollen die Katarer in den internationalen Medien sehen, das Elend der ausgebeuteten Bauarbeiter aus Nepal und Bangladesch bitte nicht.

Alle, die sich jetzt Hoffnungen auf baldige Besserung machen, seien an dieser Stelle enttäuscht: Erst im Vorjahr wurde der Vertrag mit der MotoGP um zehn Jahre verlängert. Vor 2026 werden wir das lästige Asphaltband in der Wüste mit Sicherheit nicht los. Vielleicht schaffen es die Öl- und Gas-Milliardäre dieses Landes aber zumindest bis zum nächsten Jahr, im Rahmen einer Neuasphaltierung eine Drainage in ihre Strecke einzuziehen. Man gibt sich in der heutigen Zeit ja leider schon mit kleinsten Dingen zufrieden.