Die MotoGP startete am Sonntagabend mit einem Knüller in die neue Saison. Drei verschiedene Führende, Dreikämpfe um die Podestplätze, Stürze und Dramen - das Rennen in Katar hatte wieder einmal alle Zutaten, die einen guten Motorsport-Cocktail ausmachen. Die 45 Minuten Wartezeit und die Farce um die zweimalige Verkürzung um eine Runde waren mit dem Erlöschen der Startampel vergessen.

Motorsport-Magazin.com zerpflückt das Rennen in seine Einzelteile:

Erster Akt: Zarcos Sololauf

Die ersten Runden gehörten ganz klar Johann Zarco. Der französische Rookie preschte am Start von P4 an den Gegnern vorbei, krachte in Kurve eins beinahe in Vinales (worüber dieser nach Rennende meckerte) und zog danach einsam an der Spitze seine Kreise. In Runde vier brannte er mit 1:55,990 die schnellste Runde des Rennens in den Asphalt und fuhr in den beiden Folgerunden ebenfalls die jeweils schnellste Einzelzeit im gesamten Feld. Am Ende von Lap 6 hatte Zarco 1,640 Sekunden Vorsprung auf den Rest des Feldes herausgefahren. Danach warf er sein Rennen zwar weg, dennoch waren die ersten Runden des zweifachen Moto2-Weltmeisters beeindruckend.

Woher kam diese Dominanz? Wieso fuhr plötzlich ein Rookie den etablierten Stars um die Ohren? Zwei Zutaten: Ein guter Start bei schwierigen Bedingungen und die richtige Reifenwahl. Denn als einer von nur fünf Piloten in den ersten fünf Reihen hatte Zarco vor dem tatsächlichen Start den weichen Hinterreifen aufziehen lassen. "Als ich gesehen habe, dass es nur noch über 20 Runden geht, dachte ich mir: Probieren wir es einfach, ich habe ja nichts zu verlieren", kommentierte Zarco nach dem Rennen.

Gewinner und Verlierer der ersten Runde:

Gewinner am StartVerlierer am Start
Rins & Miller+6Folger-10
Bautista+5Lorenzo & Vinales-4
Zarco & Rossi+3Redding, Petrucci & Barbera-3

Diese Reifenwahl war definitiv ein Vorteil im ersten Drittel des Rennens. Nach sechs Runden - und damit unmittelbar vor Zarcos Ausfall - hatten sich von den fünf Piloten in den ersten fünf Reihen, die am Heck mit Soft fuhren, vier im Vergleich zu ihrer Startposition verbessert: Zarco (+3 Plätze) und Dovizioso (+3) führten das Rennen zu diesem Zeitpunkt sogar an, Alvaro Bautista (+6) und Aleix Espargaro (+1) konnten sich ebenfalls verbessern. Einzig der inferiore Jorge Lorenzo (-3) fiel zurück. Bitter: Mit Zarco (Lap 7 auf P1) und Bautista (Lap 8 auf P6) fielen zwei Soft-Fahrer früh in aussichtsreicher Position aus.

Zweiter Akt: Der unglaubliche Espargaro

Wo kam der denn plötzlich her? Diese Reaktion löste Aleix Espargaro bei vielen Zusehern aus, als er im letzten Renndrittel plötzlich mit Dani Pedrosa um einen Platz in den Top-5 kämpfte. Die internationale TV-Regie behielt Mitte des Rennens hauptsächlich den Kampf an der Spitze zwischen Dovizioso und Vinales im Blickfeld, sodass viele gar nicht mitbekamen, wie sich Espargaro durch das Feld pflügte. Nur von P15 gestartet, lag er vor dem Zarco-Ausfall immer noch nur auf Rang 13. In Runde 16 war er aber plötzlich Fünfter.

Der Spanier profitierte zwar von einigen Ausfällen (z.B. Zarco, Iannone, Bautista oder Crutchlow), überholte dennoch auf der Strecke neben Lorenzo auch Petrucci, Baz, Rins, Miller, Redding und zwischenzeitlich auch Pedrosa. In den Runden 9 bis 11 sowie in Lap 14 fuhr er die jeweils schnellste Einzelrunde im gesamten Feld und in den zehn Runden zwischen Zarcos Ausfall bis Runde 16 waren nur die beiden Yamaha-Asse Vinales und Rossi flotter unterwegs als Espargaro.

Gesamtzeit der Runden 7 bis 16:

FahrerZeit Lap 7 - 16Rückstand
Maverick Vinales19:26,153
Valentino Rossi19:26,296+0,143
Aleix Espargaro19:27,408+1,255
Andrea Dovizioso19:28,167+2,014
Marc Marquez19:30,299+4,146
Dani Pedrosa19:30,708+4,555

So gut wie es Espargaro zu diesem Zeitpunkt erging, so sehr baute Honda ab. In der zweiten Rennhälfte konnten weder Marquez, noch Pedrosa das Tempo der Spitze halten. Der Weltmeister konnte zwar lange in der Führungsgruppe rund um die Leader Dovizioso und Vinales mitspielen, doch ab dem Rückfall auf P4 in Runde 12 ging nicht mehr viel für Marquez. Nach dem Rennen klagten beide über Probleme mit dem mittelharten Vorderreifen, der schon nach wenigen Runden keine schnellen Zeiten mehr zuließ. Immerhin konnte Pedrosa gegen Rennende Espargaro hinter sich halten, der mit Rang 6 dennoch Aprilias bestes Ergebnis seit dem MotoGP-Comeback einfuhr.

Dritter Akt: Vinales vs. Dovizioso

Das Duell zwischen Andrea Dovizioso und Maverick Vinales um den Sieg prägte die zweite Hälfte des Rennens in Katar. Unzählige Male überholten sich die beiden Kontrahenten und fast jede Runde lief nach dem gleichen Schema ab: Vinales überholte Dovizioso an irgendeiner Stelle in den kurvigen Sektoren der Strecke, Dovi blieb aber dran und nutzte auf der langen Start/Ziel-Geraden seinen PS-Vorteil samt Windschatten um entweder kurz nach dem Zielstrich oder beim Anbremsen von Kurve 1 wieder in Führung zu gehen.

Das Duell an der Spitze gab plötzlich sogar Valentino Rossi eine Chance auf den Sieg. Er war in den Runden 13 bis 16 schneller als die beiden Führenden und verkürzte seinen Rückstand auf P1 in diesem Zeitraum von 1,475 auf 0,372 Sekunden. Auf Lap 15 und 16 war Rossi der schnellste Mann im gesamten Feld. Doch damit war sein Pulver verschossen. In den letzten vier Umläufen konnte der Doktor das Tempo von Dovizioso und Vinales nicht mehr ganz halten und büßte den gesamten aufgeholten Rückstand bis zur Zielflagge wieder ein.

"Ich hatte darauf gehofft, dass Dovi Probleme mit dem weichen Hinterreifen bekommt. Aber dann lief ich mit dem Vorderreifen auch in Schwierigkeiten. Es war einfach zu riskant, ich hatte nicht genug in der Hinterhand um es zu versuchen", gab Rossi nach dem Rennen zu.

Immerhin sah er dadurch das Meisterstück seines neuen Teamkollegen. Denn die letzten beiden Runden von Maverick Vinales können getrost als ein solches bezeichnet werden. Auf Lap 19 setzte Vinales einen aggressiven "Race Winning Overtake" in einer langen Rechtskurve (traditionell eine Schwachstelle Doviziosos) und brannte schließlich im letzten Umlauf die zweitschnellste Runde des gesamten Rennens (hinter Zarcos schnellster Rennrunde auf Lap 4) in den Asphalt. Damit ließ er Dovizioso keine Chance auf den Sieg und steht nun als WM-Leader der MotoGP da.