Wer geht als Titelfavorit der MotoGP in die Saison 2017? Die Wintertests sind ausgefochten und mit Maverick Vinales hat sich ein Shootingstar zum großen Herausforderer von Titelverteidiger Marc Marquez aufgeschwungen. Welche Rückschlüsse kann man im Hinblick auf das Kräfteverhältnis an der MotoGP-Spitze ziehen? Welche Fahrer hatten den reibungslosesten Test-Winter? Und wer geht die lange Saison angeschlagen an? Alle Fakten zu den Testfahrten zur Saison 2017 kompakt:

Die Bestzeiten im Verlauf

TestBestzeit Tag 1Bestzeit Tag 2Bestzeit Tag 3
SepangStoner (1:59,680) Iannone (1:59,452)Vinales (1:59,368)
Phillip IslandMarquez (1:29,497)Vinales (1:28,847)Vinales (1:28,549)
KatarDovizioso (1:54,819)Vinales (1:54,455)Vinales (1:54,330)

Fett = schnellste Rundenzeit der jeweiligen Testfahrt

Maverick Vinales 5. Rest der Welt 4. Den Schlagabtausch um die Bestzeiten hat der Yamaha-Neuzugang gegen die versammelte Konkurrenz eindrucksvoll für sich entschieden. An den neun Tagen der abgelaufenen Wintertests schnappte er sich nicht weniger als fünfmal die schnellste Rundenzeit. In den tagesübergreifenden Gesamtklassements lag Vinales sowohl in Sepang, als auch auf Phillip Island und in Katar voran.

Von den restlichen Einsatzfahrern schafften nur Andrea Iannone (in Sepang), Marc Marquez (auf Phillip Island) und Andrea Dovizioso (in Katar) jeweils eine Tagesbestzeit. Casey Stoner war am ersten Tag der Testfahrten in Malaysia Schnellster, bekanntlich fährt der Australier aber - zum Bedauern vieler Fans - keine Rennen mehr.

Maverick Vinales - schnellster Mann des Winters

Ein Blick auf die Detailergebnisse unterstreicht die Dominanz von Vinales noch mehr: An keinem einzigen der neun Testtage war er schlechter als Vierter - nur Dovizioso und Iannone schafften es, sich an zwei Tagen vor Vinales zu klassieren. Stoner, Rossi und Marquez landeten jeweils nur einmal vor dem Spanier, die restlichen 18 Konkurrenten sahen ihn neunmal nur von hinten.

Auch der Rückstand sollte der Konkurrenz zu denken geben. Die langjährigen Titelrivalen Rossi und Marquez etwa lagen an mehr als der Hälfte der Wintertesttage mindestens eine halbe Sekunde hinter der Zeit von Vinales, Ducati-Neuzugang Lorenzo und Suzukis Iannone sogar an zwei Drittel der Tage. Die Lernkurve des Yamaha-Neulings ist noch steil: Bei allen drei Testfahrten konnte er seine Zeit an allen drei Tagen im Vergleich zum Vortag steigern. Das gelang keinem anderen Spitzenfahrer.

Die Runden-Bilanz

Kilometer-Hamster Nummer eins war diesen Winter allerdings ein anderer Fahrer: Jack Miller. Der Australier spulte bei den drei Tests zusammen als einziger Fahrer über 3.000 Kilometer ab - beinahe die eineinhalbfache Distanz, die 2017 in allen Saisonrennen zusammen auf dem Programm steht.

Aber auch Maverick Vinales gehörte zu den aktivsten Fahrern, denn hinter Miller landet er auf Platz zwei und damit knapp vor Marc Marquez. Valentino Rossi testete an den neun Tagen ganze 551 Kilometer weniger als sein Teamkollege. Auffällig in dieser Statistik: Von den Fahrern, die an allen neun Tagen am Start waren (Barbera und Rabat verpassten verletzungsbedingt Testtage), haben die Aprilia-Piloten Aleix Espargaro und Sam Lowes die wenigsten Testkilometer auf dem Buckel.

Die Rundenhamster der einzelnen Testfahrten:

SepangRd.Phillip IslandRd.KatarRd.
1.Tsuda (Suzuki) 2011. Marquez (Honda) 2711.Miller (Marc VDS) 187
2.Vinales (Yamaha) 177 2.Miller (Marc VDS) 258 2.Vinales (Yamaha)169
Lorenzo (Ducati) 177 3.Zarco (Tech3) 2553.Smith (KTM)157
Miller (Marc VDS)177 4.Vinales (Yamaha) 2454.Bautista (Aspar)156
5.Marquez (Honda) 1745.Bautista (Aspar) 2285.Rins (Suzuki)155

Technik im Fokus: Aerodynamik

Die Motorrad-Generation 2017 ist eine der interessantesten der vergangenen Jahre. Technischen Fortschritt gab es immer, doch dem normalen Fan zeigte sich dieser zuletzt wenig. Neuerungen wie das stufenlose Getriebe oder immer leistungsstärkere Motoren sind zwar toll, nur sieht man davon als Beobachter herzlich wenig. Von den unsichtbaren Revolutionen auf dem Elektronik-Sektor ganz zu schweigen.

Doch in diesem Test-Winter war alles anders: Durch das Verbot der Winglets stürzten sich die Hersteller auf alternative Konzepte, um den verlorengegangenen Abtrieb irgendwo wieder zu finden. Doppelverkleidungen samt innen liegender Flügelkonstruktionen waren die Folge. Im Verlauf der Wintertests führten alle Hersteller bis auf Neuling KTM ihre Lösungen auf der Rennstrecke aus.

Yamaha machte in Sepang den Auftakt mit einem noch recht konservativen Konzept einer kleinen Ausbuchtung an der Seitenverkleidung. Die Konstruktionen von Aprilia und Suzuki, die auf Phillip Island debütierten, waren schon etwas gewagter. Am Ende war es aber einmal mehr Ducatis Superhirn Gigi Dall'Igna, das die radikalste Lösung präsentierte und am vorletzten Testtag in Katar Andrea Dovizioso ein optisches Ungetüm mit großen "Ohren" an beiden Seiten des Windschutzscheibenunterbaus ausführen ließ.

Der Testlauf von Honda missglückte ein wenig, denn Marc Marquez kam mit einer angeschraubten Doppelverkleidung nicht weit, ehe er stürzte. Am letzten Tag testete Honda eine weitere Verkleidungsversion - vermutlich aber ohne innen liegende Winglets.

Die Verletzungen

Es wäre kein herkömmlicher Testwinter, wenn sich nicht auch Fahrer verletzt hätten. Tito Rabat machte mit einem Abflug in Sepang den Auftakt. Am zweiten Tag der Testfahrten stürzte er in Kurve sieben schwer und zog sich dabei einen Bänderriss im linken Knie, zwei gebrochene Zehen im linken Fuß und eine Fraktur in der rechten Hand zu. Die Verletzung setzte ihn für den kompletten zweiten Wintertest auf Phillip Island außer Gefecht.

Vor dem Abschluss in Katar erwischte es Hector Barbera, der sich Anfang März bei einem privaten Test das Schlüsselbein brach und somit bis zum Saisonstart zum Zusehen verdammt ist. Auch zwei Titelanwärter zogen sich Verletzungen zu, allerdings nur kleine: Marc Marquez kugelte sich bei einem Honda-Test in Jerez die rechte Schulter aus, Valentino Rossi verletzte sich bei einem Crash in Katar die Finger.