Die Ducati Desmosedici ist in jeder Hinsicht ein brutales Motorrad. Ein erfolgreiches MotoGP-Paket konnte der Hersteller aus Borgo Panigale jedoch erst schnüren, als Mastermind Gigi Dall'Igna 2014 anheuerte. Seitdem verbesserte sich die Konkurrenzfähigkeit der Ducati zusehends. In diesem Jahr holte Andrea Iannone in Spielberg den ersten Grand-Prix-Sieg für die Roten nach fast sechsjähriger Durststrecke. Andrea Dovizioso legte einen Triumph in Sepang nach. Doch 2017 könnte es für die Ducati-Piloten wieder schwieriger werden, glaubt Testfahrer Michele Pirro.

Ducati leidet stark unter dem Winglet-Verbot in der MotoGP

Als Grund nennt Ducatis Allround-Tester im Gespräch mit GPOne das Winglet-Verbot, das ab der kommenden Saison in Kraft tritt. "In dem Moment, wo man die Winglets abmontiert, ist das Setup des Bikes ein ganz anderes. Wir haben eineinhalb Jahre lang an der Entwicklung gearbeitet und jetzt ist es unsere Aufgabe, den Vorteil nicht aus der Hand zu geben", ist sich Pirro bewusst. Gerade Ducati galt als Pionier auf diesem Gebiet, seit Dall'Igna zum Auftakt 2015 die Flügel-Anbauten wieder salonfähig machte.

Die Konkurrenz erkannte bald die Vorteile, die die Winglets boten und zog Schritt für Schritt nach. Dennoch galt das Ducati-Konzept bis zuletzt als die ausgefeilteste Konstruktion im MotoGP-Paddock. Besonders der höhere Abtrieb und die in Folge höheren Kurvengeschwindigkeiten waren ein gewichtiges Argument. Aber auch das Handling des Bikes, traditionell eine große Schwäche der Ducati, verbesserte sich deutlich. Um den Nachteil durch die neuen Regeln zu minimieren, experimentierte man bei Ducati dem Vernehmen nach mit einer neuen Verkleidung, hinter der die Winglets angebracht waren.

Keine Flügel mehr: Die negativen Folgen

Doch die Kette an Folgen des Winglet-Verbots lässt sich noch weiter fortsetzen. Keine Flügel bedeutet weniger Abtrieb, dies bedeutet niedrigere Kurvengeschwindigkeiten und schlechteres Handling. Und wenn das Handling des Bikes wieder schlechter wird, muss in letzter Konsequenz der Fahrer in den Kurven wieder härter arbeiten. Das Fahren wird also auch physisch wieder anstrengender, was auch Pirro anmerkt: "Ohne die Winglets ist die Ducati körperlich anstrengender." Doch das ist nicht der einzige negative Aspekt am Winglet-Verbot.

Die Ducati wird ohne Flügel wieder anstrengender zu fahren sein, Foto: Ducati
Die Ducati wird ohne Flügel wieder anstrengender zu fahren sein, Foto: Ducati
  • Erhöhtes Armpump-Risiko: Wie bereits weiter oben erwähnt, ist die Ducati durch das Wegfallen der Winglets noch ein Stück anstrengender zu fahren. Jorge Lorenzo und Andrea Dovizioso könnten dadurch 2017 in den Rennen nicht nur über Müdigkeits-Erscheinungen klagen. Auch das Risiko von Armpump erhöht. Dovizioso und Ex-Teamkollege Andrea Iannone ereilte dieses Schicksal bereits in diesem Jahr in Silverstone, einer schnellen Piste mit vielen Richtungswechseln.
  • Noch mehr Topspeed-Wahn: Durch die Winglets erhielt der Wind mehr Angriffsfläche, der Luftwiderstand der Ducati nahm zu. Das wird im Jahre 2017 nicht mehr der Fall. Damit könnten die Topspeeds in der kommenden Saison noch weiter zunehmen. Die Entwicklung ist jedoch bereits schon jetzt im kritischen Bereich angelangt. Iannone erreichte beim Italien-GP in Mugello mit 354,9 km/h einen neuen absoluten Rekord und war gleichzeitig der erste Fahrer, der auch die Marke von 220 Meilen pro Stunde knackte.
  • Verlauf MotoGP-Topspeed-Rekord seit Beginn der Viertakt-Ära 2002:

    DatumFahrerMotorradStreckeTopspeed
    01.06.2002Tohru UkawaHondaMugello324,5 km/h
    08.06.2003Loris CapirossiDucatiMugello332,4 km/h
    06.06.2004Alex BarrosHondaMugello343,0 km/h
    13.05.2006Makoto TamadaHondaShanghai343,7 km/h
    29.05.2009Dani PedrosaHondaMugello349,3 km/h
    31.05.2014Andrea IannoneDucatiMugello349,6 km/h
    29.03.2015Marc MarquezHondaKatar350,5 km/h
    29.05.2015Andrea IannoneDucatiMugello350,8 km/h
    20.03.2016Andrea IannoneDucatiKatar351,2 km/h
    22.05.2016Andrea IannoneDucatiMugello354,9 km/h

  • Größere Nachteile für Ducati in engen Sektionen: Kurvenreiche Abschnitte waren noch nie die große Stärke der Ducati. Durch die Winglets und ihre oben genannten Vorteile konnte man diese Achillesferse aber zumindest teilweise kaschieren. Einen eindrucksvollen Beleg dessen erhielten Fans und Fachleute beim Tschechien-GP in Brünn. In der Stadion-Sektion, dem verwinkelten zweiten Sektor der Strecke, büßten die Ducatis zwei bis drei Zehntelsekunden auf die besten Piloten ein.