Viele Faktoren entscheiden darüber, ob für einen MotoGP-Piloten ein Rennwochenende erfolgreich oder enttäuschend endet. Da ist zum einen seine eigene Leistung, aber auch Dinge, die nicht in der Hand des Fahrers liegen. Das Wetter etwa, oder das Verhalten seiner Konkurrenten auf der Strecke. In Bereich des Setups wiederum teilt sich jeder Pilot die Verantwortung mit einem Mann an seiner Seite - seinem Crewchief.

Um einen Einblick in die Arbeit dieser Herren zu bekommen, traf sich Motorsport-Magazin.com mit Aleix Espargaros Crewchief Tom O'Kane. Der Ire zählt zu den erfahrensten und angesehensten Ingenieuren im MotoGP-Paddock. Hier schildert er sein Rennwochenende:

Vor dem Grand Prix

"Das Rennwochenende beginnt für uns eigentlich schon lange im Vorhinein. Die Hersteller bringen im Laufe einer Saison ja ständig neue Teile und in der Vorbereitung auf einen Grand Prix werden wir zuerst einmal darüber informiert. Mit diesen Neuerungen machen wir uns dann noch bekannt, bevor es überhaupt an die Strecke geht."

Vor den Wochenenden gehen die Fahrer mit ihren Crews immer auf den Trackwalk, Foto: Yamaha
Vor den Wochenenden gehen die Fahrer mit ihren Crews immer auf den Trackwalk, Foto: Yamaha

Donnerstag

"Wenn wir vor Ort ankommen, wird erst einmal die Box aufgebaut und weitere organisatorische Dinge erledigt. Die eigentliche Arbeit des Crewchiefs beginnt dann mit einem Meeting, in dem das Setup des Motorrads und etwaige technische Änderungen besprochen werden. Hier arbeiten wir einen Plan für das Setting im ersten Freien Training aus. Die Mechaniker kümmern sich dann darum, die erarbeiteten Abstimmungen umzusetzen. In der Zwischenzeit treffe ich mich mit unserem Reifentechniker von Michelin. Zusammen machen wir einen Plan, wie wir die Reifen über das Wochenende nutzen wollen. Das hängt in erster Linie von der Konstruktion und den Mischungen ab, die zur Verfügung stehen. Das Wetter kann aber natürlich auch eine Rolle spielen. Damit ist die Vorbereitung auf das Rennwochenende grundsätzlich abgeschlossen."

Freitag

"Der Tag beginnt mit dem ersten Freien Training. Normalerweise geht der Fahrer sofort auf die Strecke und wenn er zurückkommt, erklärt er, was am Motorrad verändert werden muss. Im Normalfall wird uns das Hauptproblem, das er hier ausmacht, das gesamte Wochenende begleiten. Nach diesen ersten paar Runden wird der Fahrer wahrscheinlich eine Weile in der Box sitzen, weil einige Veränderungen vorgenommen werden. An der Elektronik wird im Normalfall viel gearbeitet, also Dinge wie Motorbremse, Traktionskontrolle oder Wheelie-Kontrolle neu eingestellt. Auch die Mechaniker verändern in der Regel ein paar Dinge am Fahrwerk. Wenn wir Glück haben, sind es nur ein paar kleine Einstellungen, manchmal müssen wir aber den gesamten Stoßdämpfer austauschen oder die Fahrwerksgeometrie komplett ändern."

Die Crewchiefs sind erste Anlaufstelle der Fahrer bei der Setup-Arbeit, Foto: Ducati
Die Crewchiefs sind erste Anlaufstelle der Fahrer bei der Setup-Arbeit, Foto: Ducati

"Wenn der Fahrer dann wieder auf die Strecke geht, wird er sich normalerweise schon viel wohler fühlen. Das ist auch nötig, weil man die Freien Trainings mittlerweile ja nicht mehr nur als Entwicklungs-Sessions verwenden kann. Es geht um den direkten Einzug in Q2 und wenn sich für das zweite und dritte Training die Wetterbedingungen ändern, ist eine gute Zeit in FP1 entscheidend. Diese Umstellung von der Abstimmungsarbeit zu einer Zeitenjagd zu schaffen, ist gar nicht so einfach. Vor allem, weil die gesamte Session ja nur 45 Minuten dauert. Die Abstimmungsarbeiten, die wir im ersten Training nicht geschafft haben, erledigen wir dann in FP2."

Samstag

"Das dritte Training am Samstagmorgen dauert gleich lang wie die ersten beiden, läuft aber ganz anders ab. Hier kann man es sich nicht leisten, mehr Zeit in der Box zu verbringen als unbedingt notwendig, weil es nun ja endgültig um die Aufteilung in die Qualifying-Abschnitte geht. Das Motorrad muss absolut bereit und der Fahrer möglichst viel auf der Strecke sein. Im Qualifying können wir aufgrund der kurzen 15-Minuten-Sessions dann kaum etwas tun. Am Samstagabend müssen wir aber wichtige Entscheidungen treffen. Der Reifen für das Rennen muss ausgesucht und ein endgültiges Setup für das Rennen bestimmt werden. Im Idealfall ändert sich daran dann nichts mehr, denn es hat oft keinen Sinn, immer und immer weiter herum zu tüfteln. Es ist mindestens genauso wichtig, den Fahrer ein konstantes Gefühl für das Motorrad aufbauen zu lassen, als die letzten paar Prozent aus der Maschine heraus zu kitzeln."

Auch im Grid regeln die Crewchiefs alles, Foto: Repsol
Auch im Grid regeln die Crewchiefs alles, Foto: Repsol

Sonntag

"Bevor es im Rennen richtig ernst wird, steht noch das Warm-Up auf dem Programm. Für das Rennen haben wir die aus unserer Sicht besten Reifen reserviert. Mit diesen Mischungen haben wir im Normalfall im Laufe des Wochenendes auch schon ungefähr eine Renndistanz abgespult, um ihr Verhalten zu erkennen. Was dann an Reifen noch übrigbleibt, verwenden wir im Warm-Up. Wenn wir Glück haben, sind das noch gute Sätze, wenn nicht, muss der Fahrer eben das Beste daraus machen."

"Wenn das Rennen dann beginnt, haben wir es hoffentlich geschafft, dem Fahrer ein Motorrad hinzustellen, mit dem er arbeiten kann. Ist das gelungen, sind es auf jeden Fall die Piloten, die den entscheidenden Unterschied machen. Wir Techniker sehen ja noch viel mehr, als der Zuseher an der Strecke oder vor dem Fernseher. Wir können alle Daten studieren und ich kann sagen, dass die Jungs auf diesen Motorrädern wirklich Herausragendes leisten. Am Ende ist die MotoGP eben doch Rennsport und kein ingenieurswissenschaftlicher Wettbewerb."

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