Fahrermanager sind im MotoGP-Paddock in etwa so beliebt wie Gebrauchtwagenhändler oder Immobilienmakler im Alltagsleben. Wie ihren Leidensgenossen haftet den Managern der Ruf an, sie wären ausschließlich auf ihren Vorteil bedacht. Aber haben sie dieses Image auch verdient? Und ist Manager überhaupt gleich Manager? Die Antworten.

Ist man als junger Pilot auf dem Weg in die Motorrad-Weltmeisterschaft, kommen früher oder später die ersten Offerten von Managern ganz von alleine. Natürlich, das Leben eines professionellen Motorradfahrers ist stressig. Rennen, körperliches und mentales Training, technische Arbeit am Bike - da ist jeder Pilot froh, jemanden zu haben, der ihm zumindest Dinge wie Vertragsverhandlungen abnimmt, um Kopf und Terminkalender zumindest etwas freizubekommen.

Cal Crutchlow kümmert sich selbst um sein Management, Foto: LCR Honda
Cal Crutchlow kümmert sich selbst um sein Management, Foto: LCR Honda

Bei der Wahl des Managers ist jedoch Vorsicht geboten. Im Fahrerlager der Motorrad-Weltmeisterschaft wimmelt es nur so vor zwielichtigen Persönlichkeiten, denen das Wohlergehen ihrer Piloten relativ egal ist. Die Fahrer sind eine Ressource, die bestmöglich ausgequetscht und dann gerne auch fallen gelassen wird. Menschlichkeit ist ein Fremdwort und mehr als nur eine Karriere hat auf diese Art und Weise geendet. Richtig praktiziert, kann das Management dem Fahrer aber entscheidend helfen. Um das zu erreichen, arbeiten verschiedene Manager auf ganz unterschiedliche Art und Weise...

Die alte Schule

Weit aufgeknöpftes Hemd mit Goldkette im Ausschnitt, dicke Sonnenbrille im Gesicht, graue Mähne - Carlo Pernat hinterlässt rein optisch sicherlich bei so manchem Beobachter den Eindruck des eingangs beschriebenen, zwielichtigen Managers. Dennoch schafft es der Mann, der seit 1974 im Motorradsport arbeitet, einen großen Namen nach dem anderen als Klienten vorzustellen. Valentino Rossi, Max Biaggi, Loris Capirossi, Marco Simoncelli und nun Andrea Iannone - sie alle wurden von 'Carletto' betreut. Wie schafft Pernat das?

"Ich konzentriere mich zu 100 Prozent auf einen Fahrer und das vom ersten Test im Februar bis zum Saisonfinale im November. Das ist eine absolut freundschaftliche Beziehung", beschreibt der Italiener sein Erfolgsgeheimnis gegenüber Motorsport-Magazin.com. Außerdem müsse sich der Manager auf die Fahrer einstellen: "Ich habe Biaggi und Rossi gemanagt. Die Beiden sind wie Engel und Teufel. Da kann man nicht gleich herangehen."

Pernat, der im persönlichen Gespräch überaus sympathisch wirkt und somit den möglicherweise schlechten ersten Eindruck gekonnt widerlegt, hält seine Geschäfte simpel: "Ich arbeite nicht mit Provisionen oder so etwas. Ich bekomme am Anfang eine gewisse Summe und dann mache ich meinen Job. Wenn ich dann einen Sponsorendeal für zwei Millionen Euro an Land ziehe, will ich dafür auch kein Geld." Verträge sind Pernat ohnehin zuwider. "Loris habe ich elf Jahre gemanagt und wir haben alles nur per Handschlag besiegelt. So arbeite ich", erzählt er stolz.

Der Umtriebige

Während sich Leute wie Carlo Pernat auf der einen Seite total auf einen Piloten fokussieren, gibt es auf der anderen Seite einen völlig konträren Zugang. Manager nämlich, die eine Vielzahl von Fahrern unter ihren Fittichen haben. Einer von ihnen: Rhys Edwards von der Wasserman Group. Der smarte Brite, bis zum Vorjahr noch als Pressesprecher für Honda im Einsatz und zuvor in der Formel 1 bei Ferrari und Renault engagiert, ist für eine ganze Schar an Piloten zuständig: Bradley Smith, Jonas Folger, Danny Kent und Brad Binder hat er in der Motorrad-Weltmeisterschaft unter Vertrag, hinzu kommen Chaz Davies in der WSBK und weitere Piloten in nationalen Serien.

Für Edwards liegt der Vorteil dieser Arbeitsweise auf der Hand: "Wenn ich mehrere Fahrer habe, dann kenne ich den Transfermarkt automatisch besser. Ich weiß vielleicht, dass ein Team an diesem Piloten sicher kein Interesse hat, weil ich dort schon jemand anders hin vermittelt habe. So hat man also einen gewissen Informationsvorsprung." Eine Situation, die aber natürlich auch schnell zum Pulverfass werden kann. "Man kann definitiv zu viele Fahrer haben und dann in Interessenskonflikte geraten", weiß Edwards. "Wenn man die Piloten aber mit Sorgfalt auswählt, dann können alle davon profitieren."

Von Vorwürfen aus dem MotoGP-Paddock, er würde von seinem Arbeitgeber Wasserman - einer Management-Agentur die in praktisch allen Sportarten engagiert ist - nur mittels Provision bezahlt und sei somit gezwungen, auch bedenkliche Deals unter Dach und Fach zu bringen, distanziert sich Edwards klar: "Ich verdiene gleich viel, egal ob ich einen oder 100 Fahrer habe. Natürlich habe ich Ziele, die ich erreichen muss, aber die sind mit normaler Arbeit locker zu schaffen."

Der Papa

Carlo Pernat sieht sich als Freund des Fahrers, Rhys Edwards spricht von einer Vermischung aus professioneller Zusammenarbeit und Freundschaft. Beides gut, aber nichts schlägt eine harmonische Vater-Sohn-Beziehung. Das haben sich auch Moto3-Pilot Philipp Öttl und Vater Peter, der in seiner Karriere als aktiver Rennfahrer immerhin fünf Grands Prix gewinnen konnte, gedacht. Der ist nämlich nicht nur Teamchef in Philipps Rennstall, sondern auch sein Manager. Eine durchwegs ungewöhnliche Konstellation, die auch nur aufgrund der speziellen Rahmenbedingungen bei den Öttls und ihrem Schedl-GP-Racing-Team möglich ist.

"Man kann Philipp und dieses Team ja nicht trennen. Seine Sponsoren und Partner sind auch die Sponsoren und Partner des Rennstalls", erklärt Teamchef, Manager und Papa Peter Öttl. "Wir sitzen da also alle in einem Boot und somit komme ich da nie in die Situation, etwas tun zu müssen, was für eine Seite gut und die andere schlecht ist."

Dennoch wäre es wohl für viele junge Männer unvorstellbar, mit ihrem 'alten Herrn' zusammenzuarbeiten. Nicht so für Philipp Öttl: "Das ist absolut okay für mich. Wir kommen sehr gut miteinander aus und es hat noch nie Probleme gegeben." Die Gefahr, dass man den Job bei einer Zusammenarbeit in der Familie auch mit nach Hause nimmt, besteht für ihn nicht. "Ich gehe da meinem Training nach und er kümmert sich um seine Dinge. Da müssen wir nicht viel über die Arbeit reden", erläutert Philipp.

Der Selbermacher

Cal Crutchlow ist der Querkopf unter den MotoGP-Piloten. Oft vertritt er ungewöhnliche Ansichten und artikuliert die auch ebenso unüblich in der Öffentlichkeit. Das gefällt nicht jedem, doch Crutchlow bleibt seiner Art treu und findet in diesem Jahr damit wieder zurück zum Erfolg. Spannend dabei ist, dass sein Erfolgslauf nach einer Veränderung in seinem Management passierte. Crutchlow war seit 2008 bei der Wasserman Group, trennte sich aber während dieser Saison von der Agentur und managt sich nun vollkommen selbst.

Das MotoGP-Fahrerfeld setzt auf unterschiedliche Manager-Konstellationen, Foto: Repsol
Das MotoGP-Fahrerfeld setzt auf unterschiedliche Manager-Konstellationen, Foto: Repsol

"Das bei Wasserman sind tolle Leute und sie haben in all den Jahren einen fantastischen Job für mich gemacht. Es ist mir wirklich nicht leicht gefallen, sie zu verlassen und wir haben uns definitiv in aller Freundschaft getrennt", hält Crutchlow fest. "Ich bin aber mittlerweile an einem Punkt meiner Karriere angekommen, wo ich dieses Business so gut kenne, dass ich eigentlich keinen Manager mehr brauche. Ich kann das alles selber machen. Darum habe ich mich zu diesem Schritt entschlossen."

Die Entscheidung, das Management selbst zu übernehmen, bedeutet für Crutchlow freilich zwei Dinge. Mehr Arbeit, aber auch mehr Geld, denn ein Manager will bezahlt werden. Den von ihm gemachten Schritt will der mittlerweile 30-jährige Crutchlow, der aktuell seine sechste MotoGP-Saison bestreitet, aber keinem jungen Piloten ans Herz legen. "Als Youngster sollte man auf jeden Fall einen Manager haben. Es muss aber auch ein guter sein. Viel zu viele sind das nicht. Sie nehmen ein Kind und sagen: Du gehörst mir für die nächsten 20 Jahre."

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