KTM tut es, auch Aprilia macht es und Ducati ohnehin schon lange. Der größte deutsche Motorrad-Konzern hingegen kann sich aktuell nicht dazu durchringen und plant auch in naher Zukunft keine Änderung seiner Strategie. Alle BMW-Fans werden auf ein reinrassiges Factory Team aus München in den kommenden Jahren vergeblich warten - egal in welcher Rennserie. Im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com klärt Motorsport-Direktor Berti Hauser auf, warum bei BMW der Kunde König bleibt und ein Werksengagement in keiner Serie ein Thema ist:

Herr Hauser, wie bilanziert BMW die Saison 2016 aus sportlicher Sicht?
Berti Hauser: Die Zufriedenheit und die Rückmeldungen aus unseren Kundenteams haben uns bestätigt, dass wir mit unserer Strategie richtig liegen. Auf der Isle of Man haben wir quasi alle Rennen gewonnen, an denen unsere Kunden teilgenommen haben. Zudem haben wir die Superstock-WM gewonnen und zuletzt in Macao das komplette Podest gepachtet. Mit diesen Top-Ergebnissen und dem breiten Fundament des Kundensports können wir nur zufrieden sein.

An der generellen Entscheidung pro Kunden-Support und gegen Factory-Teams wird man also auch weiterhin festhalten?
Berti Hauser: Mit Sicherheit! Wir werden von Werksseite auch weiterhin allen Teams, die bei uns anklopfen, unter die Arme greifen. Unsere Strategie ist langfristig bestätigt.

In der Superbike-WM ist BMW mittlerweile seit drei Jahren ohne Podest. Wie will man das ohne Werksteam ändern?
Berti Hauser: Wenn man es so nüchtern betrachtet und nur auf die Ergebnisse schaut, könnte man daraus schließen, dass wir nicht dort sind, wo wir hin wollen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Wir haben unser Hauptaugenmerk in den Jahren zuvor auf die Evo-Klasse der Superbike-WM gelegt. Die ist dann letztlich aber gestrichen worden. Gemeinsam mit dem Althea-Team haben wir in der laufenden Saison einen Neuanfang gewagt. Wir können nächste Saison also sicher noch einiges nachlegen.

Wie intensiv betreibt BMW seine Zusammenarbeit mit Althea in der Superbike-WM?
Berti Hauser: Wir müssen uns an die Mitbewerber anpassen, die zum Teil ja deutlich mehr Aufwand betreiben. Ducati steckt viel Arbeit und Geld in die Superbike-WM, genauso Kawasaki und selbst Honda oder Aprilia agieren deutlich aufwändiger als wir. Wir liefern an Althea die Motoren und die komplette Elektronik in Hard- und Software. Entsprechend sitzen daher auch BMW-Leute in der Box des Teams. Wir geben also viel Input und engagieren uns, aber das letzte Wort bei jeder einzelnen Entscheidung hat das Team.

Die BMW S1000 RR ist aktuell der König im Hause BMW Motorsport, Foto: BMW
Die BMW S1000 RR ist aktuell der König im Hause BMW Motorsport, Foto: BMW

Was spricht denn dann gegen ein reines Werksteam in der Superbike-WM?
Berti Hauser: Einerseits gibt es das Argument der Kosten. Andererseits haben wir gelernt, dass wir mit unserer Strategie von den Strukturen und dem Knowhow einzelner Top-Teams profitieren können und uns dadurch viel breiter engagieren können. Unsere Motorsport-Mannschaft geht nicht fokussiert in nur einen Wettbewerb, sondern engagiert sich für jeden Fahrer, der sich irgendwo auf der Welt mit einer BMW der Konkurrenz stellen will. Wieso sollten wir uns also auf nur eine Sache konzentrieren?

Damit ist aktuell also auch die MotoGP absolut kein Thema für BMW?
Berti Hauser: Nein, das ist überhaupt nicht in Diskussion. Es gab von unserer Führung eine klare Entscheidung und seither gibt es intern keine Debatte mehr darüber. Diese Strategie ist für mich auch aus persönlicher Sicht voll in Ordnung.

Die Superbike-WM sollte durch den Wechsel von Stefan Bradl in der kommenden Saison in Deutschland etwas Auftrieb bekommen. Mit Nicky Hayden fährt seit diesem Jahr sogar ein ehemaliger MotoGP-Weltmeister in der WSBK. Wie wichtig sind solche Köpfe für das öffentliche Interesse an der Superbike-WM?
Berti Hauser: Die WSBK ist eine sehr enge Rennserie, in der auf einer Runde zwischen Platz eins und zehn oft nur wenige Zehntelsekunden liegen. Für Leute wie Hayden oder Bradl fühlt es sich sicher besser an, in der Superbike-WM vorne zu fahren als in der MotoGP im hinteren Feld kämpfen zu müssen. Ich bin gespannt, wie sich Bradl schlägt.

Mit Markus Reiterberger hat BMW einen bayrischen Fahrer im Aufgebot, Foto: Superbike*IDM/Scheider
Mit Markus Reiterberger hat BMW einen bayrischen Fahrer im Aufgebot, Foto: Superbike*IDM/Scheider

Bradl betont immer gerne seine bayrische Herkunft. Damit würde er ja perfekt zu BMW passen. Gab es jemals Gespräche über ein WSBK-Engagement von Bradl?
Berti Hauser: Nein, gab es nicht.

Mit Markus Reiterberger hat man bei Althea in der Superbike-WM ja bereits einen Bayern im Einsatz. Wie sind Sie mit seiner Debütsaison zufrieden?
Berti Hauser: Er hatte einen schweren Sturz in Misano und man darf bei einem so jungen Fahrer vor allem die psychologischen Auswirkungen eines derartigen Unfalls nicht unterschätzen. Er kämpft noch immer mit Schmerzen und Verletzungen an der Wirbelsäule sind bekanntlich eine ganz andere Geschichte als etwa ein gebrochener Finger. Markus hat aber gezeigt, dass er in der erweiterten Weltspitze kämpfen kann und dort auch ordentlich zulangt. Er bekommt von uns auch weiterhin die beste Unterstützung.

Die IDM versinkt aktuell ja wieder einmal im Chaos. Es ist noch nicht einmal klar, ob es 2017 überhaupt irgendwie weitergeht. Wie sehr schmerzt das BMW als wichtigstem deutschen Hersteller?
Berti Hauser: Wir wissen, dass im Hintergrund gerade helle Köpfe an der Ausrichtung der kommenden Saison arbeiten. Es wird zeitlich sicher knapp, aber wir sind zuversichtlich, dass sich noch etwas tut. BMW kann in der Gesamtheit der Hersteller seinen Beitrag leisten, aber nicht mehr. Ich wünsche mir ein stabiles Fundament für die künftige IDM, damit sie in einer Form weiter existiert, die ihr gerecht wird und so wie sie es verdient.