Das Verhältnis zwischen Valentino Rossi und Marc Marquez schien sich zwischenzeitlich zu erholen. Nach den tragischen Vorfällen rund um den Tod von Luis Salom in Barcelona kam es zum Handshake der beiden Erzrivalen, beide betonten anschließend, dass sie an eine Besserung ihrer eisigen Beziehung glauben würden. Überaus freundschaftlich liefen die Begegnungen zwischen Rossi und Marquez seither nicht ab, waren aber zumindest von ganz normalem Umgang miteinander geprägt. Rossi schien den Ärger der Saison 2015 vergessen zu haben.

Der Stachel scheint bei 'Il Dottore' aber wohl doch noch tiefer zu sitzen als gedacht. In einem Interview mit dem britischen Fernsehsender BT Sports im Rahmen des Aragon-Grand-Prix wärmte Rossi die Vorwürfe von 2015 wieder auf und das in einem Tonfall, wie man es von ihm zuletzt nicht gewohnt war. "Der Weltmeistertitel wurde mir im letzten Jahr gestohlen", machte er seinem Ärger einmal mehr Luft. "Was in den letzten drei Rennen passiert ist war unglaublich und das Verhalten von Marquez einfach nur beschämend."

Marquez reagiert gelassen auf Rossis Attacke

Ein überraschend harter Angriff Rossis nach zuletzt stets sehr sachlichen Wortspenden seinerseits zu diesem Thema. "Es ist ja nicht das erste Mal, dass er mir so etwas vorwirft, aber ich war ehrlich gesagt verwundert, dass er mit diesem Thema jetzt wieder angefangen hat", zeigte sich auch Marquez erstaunt über die neuerliche Attacke Rossis. Marquez erkannte wollte allerdings auch ein gewisses Kalkül Rossi erkennen. Der Kampf um den Weltmeistertitel war vor dem Rennen von Aragon ja zumindest noch einigermaßen offen, was nach Meinung von Marquez Rossi dazu bewogen haben könnte, wieder ein psychologisches Duell zu inszenieren: "Es naht das Ende der Saison und da will er wohl seine Karten ausspielen. Valentino ist ein Experte in diesen Spielchen und hat da unglaublich viel Erfahrung."

In den letzten Rennen kamen sich Rossi und Marquez auch oft wieder auf der Strecke in die Quere, Foto: Yamaha
In den letzten Rennen kamen sich Rossi und Marquez auch oft wieder auf der Strecke in die Quere, Foto: Yamaha

Genau das sei der Grund, warum er nach der völligen Eskalation im Vorjahr keine Lust mehr auf diese Art des Wettkampfes mehr habe, so Marquez: "Mein Krieg findet auf der Strecke statt und in dem werde ich alles geben. Die Schlacht neben der Strecke liegt mir nicht und deshalb will ich daran auch nicht teilnehmen. Wenn jemand an einem Spiel nicht teilnimmt, kann man auch nicht mit ihm spielen." Er sei ohne Psychospielchen deutlich stärker aufgestellt, ist Marquez überzeugt. "Ich möchte mich durch so etwas nicht ablenken lassen. Mein Fokus liegt auf dem Geschehen auf der Strecke, meinem Team und dem Gewinn der Weltmeisterschaft", stellt der Repsol-Honda-Pilot klar.

Kleinkrieg Rossi vs. Lorenzo gut für Marquez

Mit seinem Fokus auf die fahrerische Komponente der MotoGP hat Marquez seinem Landsmann Jorge Lorenzo eindeutig etwas voraus. Der befindet sich spätestens seit Misano nämlich wieder tief im mentalen Duell mit Rossi abseits der Strecke. Eine Entwicklung, die Marquez genüsslich verfolgt: "Wenn die zwei sich bekriegen wollen, gerne! Das kann nur gut für mich sein." Im Hinblick auf den sehr wahrscheinlichen Titelgewinn 2016 und eine mögliche Verteidigung im kommenden Jahr lässt sich Marquez' Einschätzung tatsächlich kaum bezweifeln.