Normal war keine von Marc Marquez' Weltmeistersaisons in der MotoGP. 2013 holte er den Titel als Rookie und jüngster Fahrer der Geschichte, 2014 gewann er die ersten zehn Rennen in Serie und brach mit insgesamt 13 Saisonsiegen den Rekord von Mick Doohan aus dem Jahr 1997. Derartige Rekorde sucht man auf Marquez' Weg zum dritten MotoGP-Titel vergeblich. Nur fünf Rennen konnte er etwa in diesem Jahr bisher gewinnen und dennoch muss einem seine Saison noch mehr Respekt abringen als die von 2013 und 2014.

Warum? Weil Marquez' Honda RC213V zu Saisonbeginn 2016 einfach nur schlecht war. Dennoch schaffte er es, in den ersten vier Rennen des Jahres zwei Mal zu gewinnen und weitere zwei Mal auf dem Podium zu stehen. Zum Vergleich: Die weiteren vier Honda-Piloten kamen zusammen auf genau einen dritten Platz und nur gut 70 Prozent der von Marquez eingefahrenen Punkte. Ein beeindruckender Beweis für die beinahe übermenschlichen Fähigkeiten, die Marc Marquez auf einem Motorrad besitzt.

Mit unterlegenem Material siegte Marquez bereits im zweiten Rennen 2016, dem Argentinien-GP, Foto: HRC
Mit unterlegenem Material siegte Marquez bereits im zweiten Rennen 2016, dem Argentinien-GP, Foto: HRC

Faszinierend war in diesem Jahr aber nicht nur Marquez überragender Speed, sondern auch die Tatsache, dass er auf einer nur ganz schwer zu beherrschenden Maschine jedes einzelne Rennen mit WM-Zählern beenden konnte und so vom Draufgänger zum Punktehamster der MotoGP wurde. Eine Wandlung, die viele Fahrer in so einem jungen Alter - Marquez ist ja erst 23 Jahre jung - noch nicht vollzogen haben. Manche schaffen sie sogar überhaupt nie.

Marquez hat sich als Sportler in wenigen Monaten neu erfunden. Seine Stärken sind ihm zu 100 Prozent geblieben, seine wenigen Schwächen konnte er ablegen. Fakt ist: Der Marc Marquez der Saison 2016 hat eigentlich keine Schwachpunkte mehr. Dementsprechend gering ist die Chance, dass die Konkurrenz aufgrund eines Patzers seinerseits schlagartig eine Menge Punkte auf Marquez gutmacht. Diese Last, fast ständig schneller sein zu müssen, aber dennoch weniger Fehler als der Mann mit der Nummer 93 machen zu dürfen, zermürbte die Herren Rossi, Lorenzo und Co. in diesem Jahr regelrecht.

Die Yamaha-Stars bissen sich 2016 an Marquez die Zähne aus, Foto: Repsol
Die Yamaha-Stars bissen sich 2016 an Marquez die Zähne aus, Foto: Repsol

Apropos Zermürben: Was man nach dieser makellosen Saison Marquez' fast vergessen könnte, ist der ungeheure mentale Ballast mit dem er in ebendiese ging. Nach dem persönlichen Krieg gegen Valentino Rossi im Vorjahr - ob daran Marquez oder Rossi die Hauptschuld trug sei dahingestellt - wurde der Spanier an praktisch allen Rennstrecken mit gellenden Pfeifkonzerten empfangen und teilweise von den 'Fans' so übel behandelt, wie es niemand aufgrund von Vorkommnissen in einem sportlichen Wettkampf verdient. Das alles dermaßen cool wegzustecken und Leistungen auf der Strecke für sich sprechen zu lassen, war vielleicht Marquez' größte Leistung 2016. Gratulation!