Gleich ein ganzes Rudel an MotoGP-Fahrern macht sich berechtigte Hoffnungen auf einen der vorderen Plätze beim San Marino GP in Misano. Sowohl Valentino Rossi und Jorge Lorenzo in Reihen von Yamaha, als auch das Repsol-Honda-Duo Marc Marquez und Dani Pedrosa, das Suzuki-Gespann Aleix Espargaro und Maverick Vinales und Ducati-Pilot Andrea Dovizioso konnten in den Trainings Glanzlichter setzen. Nicht zu vergessen die starken Leistungen der Satelliten-Fahrer Cal Crutchlow und Pol Espargaro, die ebenfalls aufhorchen ließen. Motorsport-Magazin.com analysiert die Trainings aufgrund dieser Gemengelage in mehrfacher Hinsicht:

MotoGP Misano 2016: Die Trainingsplatzierungen

Geht man rein nach den Platzierungen in den fünf Trainingssessions (FP1 bis FP4 sowie Q2), so stehen die Yamaha-Piloten mit der besten Bilanz da. Valentino Rossi und Jorge Lorenzo konnten sich insgesamt am weitesten vorne platzieren mit einer durchschnittlichen Trainingsposition von 3,2, dicht gefolgt von Marc Marquez mit 3,4. Hinter den Top-3 reihten sich Pol Espargaro und die gleichauf liegenden Dani Pedrosa und Maverick Vinales ein, erst dann folgen Cal Crutchlow, Andrea Dovizioso und Aleix Espargaro.

MotoGP Misano 2016: Die Stärken der Bikes

Die Territorien in den einzelnen Sektoren auf dem Misano World Circuit Marco Simoncelli sind relativ klar abgesteckt. Die Sektoren zwei und vier sind Yamaha-Land, während im ersten Abschnitt die Honda das Bike ist, das es zu schlagen gilt und im dritten Sektor die Ducati eine Macht ist. Insgesamt fällt auf, dass mehr als die Hälfte aller Sektorbestzeiten (elf von 20) an Yamaha gehen, die M1 scheint also einen Performance-Vorteil zu haben.

Die Bestzeiten in den einzelnen Sektoren von FP1 bis FP4 und Q2 nach Marken:

SessionSektor 1Sektor 2Sektor 3Sektor 4
FP1HondaYamahaDucatiYamaha
FP2DucatiYamahaDucatiYamaha
FP3HondaYamahaDucatiHonda
FP4HondaYamahaYamahaYamaha
Q2YamahaYamahaDucatiYamaha

Fünf Mal lag die Ducati in den einzelnen Sektoren vorne, davon vier Mal im "Powersektor" Nummer drei. Vier Sektorbestzeiten gingen an Honda. Ein Blick sei noch auf die Suzuki-Piloten gestattet: Maverick Vinales und Aleix Espargaro zeigen, dass die GSX-RR vor allem im zweiten Sektor leidet, auch im vierten Sektor büßen die Beiden regelmäßig Zeit ein. Am Besten sieht die Bilanz von Vinales und Espargaro in Abschnitt drei aus.

MotoGP Misano 2016: Die Pace am Freitag Nachmittag

Platzierungen und Performance ist aber nur eine Seite der Medaille. Im MotoGP-Rennen geht es auch um die Konstanz über (in Misano) insgesamt 28 Runden. Einen ersten Fingerzeig boten die Longrun-Stints im zweiten freien Training. Pol Espargaro schloss das Training zwar als Schnellster ab, fuhr in den Longruns jedoch nur 34er-Zeiten mit wenigen Ausreißern in den Bereich von 1:33. Jorge Lorenzo und Marc Marquez dagegen konnten dort schon mittlere 33er-Runden am Stück drehen und hatten damit in diesem Vergleich die Nase vorn. Auch Valentino Rossi war in den Longruns am Freitag mit Zeiten im mittleren und hohen Bereich von 1:33 gut dabei.

Jorge Lorenzo hatte schon am Freitag eine bärenstarke Longrun-Pace, Foto: Yamaha
Jorge Lorenzo hatte schon am Freitag eine bärenstarke Longrun-Pace, Foto: Yamaha

Aber schon im FP2 wurde ersichtlich, dass Rossi in der Hitze etwas stärker zu kämpfen haben würde. Maverick Vinales war ähnlich stark wie der Doktor unterwegs, ihm wurden im FP2 allerdings wegen der Track Limits einige Zeiten aberkannt. Dani Pedrosa, Andrea Dovizioso und Aleix Espargaro konnten eine ähnliche Pace wie Pol Espargaro gehen, hatten aber mehr Ausreißer in die 33er. Für den Freitag lässt sich daher als ungefähre Reihenfolge in den Longruns festhalten: Lorenzo und Marquez vorne weg, Rossi und Vinales in der Verfolgerposition, dahinter Pedrosa, Dovizioso und die Espargaros.

MotoGP Misano 2016: Die Pace am Samstag Nachmittag

Für das Rennen aber noch aussagekräftiger ist die Leistung im vierten freien Training, da die Fahrer hier vor dem Qualifying nochmals ihre Einstellungen am Bike unter Rennbedingungen ausprobieren können, ohne dem Druck in die Top-10 zu kommen ausgesetzt sein zu müssen. Hier zeigte sich, dass Marquez und Lorenzo in Sachen Longrun-Pace die Nase leicht vor dem restlichen Feld vorne haben, auch wenn sich Rossi die Bestzeit holte. Nicht nur, dass Lorenzo und Marquez die schnellste Pace gehen konnten, die beiden Spanier vereinten Speed und Konstanz am Besten, wie die Tabelle unten veranschaulicht.

Jorge Lorenzo jubelt über die Pole-Position in Misano, Foto: Yamaha
Jorge Lorenzo jubelt über die Pole-Position in Misano, Foto: Yamaha

Analyse der Top-Fahrer im FP4:

FahrerTeamSchnitt Top-6-RundenAnzahl 33er-ZeitenAnzahl Runs
Marc MarquezRepsol-Honda1:33.59362
Jorge LorenzoYamaha1:33.63982
Valentino RossiYamaha1:33.80832
Maverick VinalesSuzuki1:33.83262
Andrea DoviziosoDucati1:33.87242
Aleix EspargaroSuzuki1:33.92352
Dani PedrosaRepsol-Honda1:34.00432
Pol EspargaroTech3-Yamaha1:34.00522

Dahinter kristallisiert sich ein Duell Rossi gegen Vinales, Dovizioso und eventuell auch Aleix Espargaro um die Verfolgerposition aus. Rein von den Zahlen her ist hier Vinales im Vorteil, da er mehr 33er-Runden fahren konnte als seine drei Kontrahenten, zudem waren die Schwankungen in den Rundenzeiten hier bei den Suzuki-Piloten am Geringsten. Die GSX-RR scheint also schon gut für die Longruns eingestellt zu sein. Erst dahinter folgen Pedrosa und Pol Espargaro, die praktisch gleichauf liegen.

Neben Lorenzo gilt Marquez als der beste Pilot in den Longruns, Foto: Repsol
Neben Lorenzo gilt Marquez als der beste Pilot in den Longruns, Foto: Repsol

MotoGP Misano 2016: Das Fazit

Geht es um die reine Performance, ist Yamaha seinen Konkurrenten in Misano einen Schritt voraus, und das nicht nur in Person von Valentino Rossi und Jorge Lorenzo. Auch Satellitenfahrer Pol Espargaro hat an diesem Wochenende ordentlich aufgegeigt. Doch in den Longruns relativiert sich der Vorteil wieder. Denn dort liegt neben Lorenzo Honda-Pilot Marc Marquez ganz vorne, während Rossi und Espargaro ihre Probleme haben. Suzuki hat an seiner Schwäche in heißen Bedingungen gearbeitet und könnte auch nach einem Top-3-Ergebnis greifen. Eine Anmerkung noch zu Cal Crutchlow: Der Brite war in den Trainings zwar stets in der Spitzengruppe dabei, zeigte aber zu schwankende Leistungen, um ihn ernsthaft berücksichtigen zu können.

MotoGP Misano 2016: Die Tipps der Redaktion

Andrea Blendl: Misano ist Rossi-Land, und ich denke, das wird sich auch im Rennen bewahrheiten. Lorenzo mag vielleicht auf ein oder zwei Runden schneller sein, doch im Renntrimm war Rossi im FP4 unschlagbar. Deshalb glaub ich, dass er den Sieg davontragen kann. Dahinter kämpfen Lorenzo, Marquez und Pedrosa um das Treppchen, wahrscheinlich mit dem besseren Ausgang für die ersteren.

Andreas Top-3-Tipp: 1. Rossi, 2. Lorenzo, 3. Marquez

Valentino Rossi wird sich im Rennen strecken müssen - trotzdem sieht ihn der Großteil unserer Redaktion ganz vorne, Foto: Yamaha
Valentino Rossi wird sich im Rennen strecken müssen - trotzdem sieht ihn der Großteil unserer Redaktion ganz vorne, Foto: Yamaha

Tobias Ebner: Ich denke nicht, dass Rossi an diesem Wochenende das Zeug dazu hat, um sich im Rennen durchzusetzen. Auch wenn es ihm zu wünschen wäre. Jorge Lorenzo und Marc Marquez sind dann doch um Nuancen stärker und werden deshalb, sofern es trocken bleibt, den Sieg unter sich ausmachen. Auch für das Podium muss Rossi beißen, besonders Maverick Vinales wird ihm einheizen und auch Andrea Dovizioso könnte ein Wörtchen mitreden im Kampf um Platz drei. Am Ende lautet nach einer 28 Runden dauernden Hitzeschlacht die Reihenfolge wie folgt:

Tobias' Top-3-Tipp: 1. Marquez, 2. Lorenzo, 3. Vinales

Michael Höller: Was in "Mugiallo" noch schief ging, wird am Sonntag klappen. Valentino Rossi wird der gelben Wand in Misano den ersten Heimsieg seit 2014 schenken. Jorge Lorenzo rehabilitiert sich und wird Zweiter nach einer epischen Schlacht mit VR46. Rang drei geht in einem ebenso spannenden Kampf an Michele Pirro.

Michaels Top-3-Tipp: 1. Rossi, 2. Lorenzo, 3. Pirro

Sophie Riga: Nicht nur, weil es einfach schön wäre, sage ich einen Rossi-Sieg voraus. Der Doktor kennt die Strecke einfach in- und auswendig, da nützt auch keine Hammer-Zeit von Teamkollege Jorge Lorenzo etwas. Die gelbe Tifosi auf den Rängen tun ihr übriges, sollte es Rossi aus irgendeinem Grund noch an Motivation mangeln. Lorenzo traue ich einen zweiten Rang zu, Marquez fährt vor auf drei.

Sophies Top-3-Tipp: 1. Rossi, 2. Lorenzo, 3. Marquez

Markus Zörweg: Dreikampf der Giganten in Misano! Um den Sieg fighten am Sonntag Valentino Rossi, Jorge Lorenzo und Marc Marquez. Die drei Superstars schenken sich das gesamte Rennen über nichts, absetzen kann sich keiner der drei. Marquez zieht im Wissen um einen ungefährdeten dritten Rang und sichere Punkte für die WM zurück, das teaminterne Yamaha-Duell entscheidet Rossi vor heimischem Publikum für sich.

Markus Top-3-Tipp: 1. Rossi, 2. Lorenzo, 3. Marquez