Bei MotoGP-Schlusslicht Aprilia kochten die Emotionen nach dem Österreich-GP in Spielberg hoch. Die erste Nullnummer des Jahres sorgte beim italienischen Hersteller für eine Eskalation lange schwelender Konflikte und gipfelte in gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen Fahrern, Crew und Teamführung.

"Wir können nicht akzeptieren, dass menschliche Fehler - ob beim technischen Management (des Motorrads) oder beim Verhalten im Rennen - uns davon abhalten, unseren wahren Wert zu demonstrieren und die Ergebnisse einzufahren, die Aprilia mit diesem Motorrad verdient", ließ die italienische Marke über Piaggio-Boss Roberto Colaninno via Aussendung ausrichten.

Auch Rennchef Romano Albesiano fand klare Worte: "Es ist inakzeptabel, dass wir unser Potenzial derartig vergeuden, weil unsere Fahrer am Start abgelenkt sind und wegen unnötiger Fehler bei den Nachrichten auf dem Dashboard." Stefan Bradl hatte schon zuvor im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com klargestellt: "Ich habe den Jungs anständig die Meinung gegeigt, dass es so nicht geht." In der offiziellen Renn-Aussendung Aprilias ließ man - was noch nie zuvor geschah - die Fahrer diesmal gar nicht zu Wort kommen. Doch was hatte die Gemüter bei Aprilia zu dieser Selbstzerfleischung angestachelt?

Frühstart und Dashboard-Ärger bei Aprilia

Sowohl Stefan Bradl, als auch Alvaro Bautista legten - wie drei weitere Fahrer - am Sonntag in Spielberg einen Frühstart hin. Ein Vergehen, das rasch mit einer Durchfahrtsstrafe geahndet wurde. Doch damit begannen die Probleme erst so richtig, denn beide Fahrer bekamen zwar eine Meldung auf das Dashboard ihrer Motorräder, diese war allerdings nicht eindeutig zuordenbar. "Ich habe auf dem Display ein rotes Licht mit gelbem Flash angezeigt bekommen. Normalerweise steht da noch zusätzlicher Text wie 'Ride Through', 'Red Flag' oder 'Blue Flag' dabei. Das war nicht der Fall und daher dachte ich, es gäbe mit dem Motorrad ein Problem", erklärte Bradl die Situation aus seiner Sicht.

Denn erst nach dem Warmup hatte Aprilia den Motor gewechselt, weshalb Bradl von einem Defekt ausging und zur Sicherheit die Box ansteuerte. "Wenn du hier mit 300 Sachen den Berg hinunter schießt und dann dauernd daran denkst, ob es dir jetzt gleich die Kiste zerreißt, dann macht das keinen Spaß", so der Deutsche. Also steuerte er seine Garage an und stellte den Motor ab. Erst dort wurde Bradl davon unterrichtet, dass es sich bei der Meldung um eine Durchfahrtsstrafe handelte.

Da Bradl seinen Motor vor seiner Garage ausgemacht hatte, zählte das Anhalten als technischer Stopp und die Aktion war somit nicht für das Absitzen der Durchfahrtsstrafe berechtigt. Deshalb musste Bradl noch einmal durch die Boxengasse. Alvaro Bautista, der wenige Sekunden nach Bradl ebenfalls die Box ansteuern wollte, konnte von seiner Crew vom Abstellen des Motors abgehalten werden und saß seine Strafe somit beim ersten Versuch ab. Die inkorrekte Dashboard-Anzeige bestätigte der Spanier nach dem Rennen.

Dass sich auch Ducati-Fahrer Hector Barbera, der wegen Nichtantreten der Durchfahrtsstrafe sogar mit der Schwarzen Flagge bestraft wurde, über eine fehlerhafte Dashboard-Anzeige beschwerte, legte den Verdacht nahe, dass es einen gröberen Fehler im System gegeben haben könnte. Dies wies Rennleiter Andreas Meklau aber im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com klar zurück: "Wir haben alle Strafen rasch und sauber an die Teams kommuniziert. In weiterer Folge wurden sie sowohl über die Boxentafel, als auch über das Dashboard an die Fahrer weitergegeben." Diese Aussage wird vom Umstand untermauert, dass es weder bei Yonny Hernandez, noch bei Cal Crutchlow - zwei weitere Frühstarter - Probleme mit der Anzeige gab.

Haussegen hängt bei Aprilia ordentlich schief

Die Affäre hält Aprilia wieder einmal einen Spiegel vor, dessen Bild kein harmonisches ist. Seit Monaten brodelt es im italienischen Team. Die Fahrer beklagen mangelnden Fortschritt und Chaos in der Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsteam. Aprilia hingegen stieß beide Einsatzfahrer schon im Vorjahr vor den Kopf, als man den britischen Moto2-Fahrer Sam Lowes als Piloten für 2017 präsentierte. Bereits in Assen war durch die Verpflichtung von Aleix Espargaro klar, dass weder Bradl, noch Bautista im Team bleiben dürfen. Keine optimale Situation, schon gar nicht für einen Rennstall, der ohnedies der Konkurrenz schon hinterherhinkt.

Spätestens seit einem Test am Red Bull Ring dürften die Nerven endgültig blank liegen. Denn dort verzichtete Aprilia auf einen Transponder, weil man den Verdacht hatte, im Klassement sogar hinter dem nächstjährigen MotoGP-Neuling KTM zurück zu liegen. Ein Verdacht, der sich - glaubt man den per Hand gestoppten Zeiten - sogar bewahrheitete.

Für die zweite Saisonhälfte stellte Aprilia seinen Fahrern nach dem Rennen am Red Bull Ring die Rute ins Fenster. Rennchef Albesiano ließ per Aussendung ausrichten: "Von Profis wie Alvaro und Stefan erwarte ich nun volle Konzentration und maximalen Einsatz bis Jahresende."