Die MotoGP sah am Sachsenring am Sonntag wieder einmal ein spannendes Flag-to-Flag-Rennen. Am Ende wurde Risikofreudigkeit belohnt und das Zaudern einiger anderer Fahrer gnadenlos bestraft. Derartige Rennen bedeuten zwar für die Fans Spannung pur, doch an der Box und unter den Helmen der Fahrer rauchen die Köpfe.

Viele Fans konnten etwa nicht nachvollziehen, warum Fahrer wie Andrea Dovizioso oder Valentino Rossi trotz entsprechender Signale vom Kommandostand nicht schon früher die Box ansteuerten oder warum etwa Rossi trotz Slick-würdiger Bedingungen Intermediates aufzog. Nach dem Rennen mussten die Fahrer den Medien Rede und Antwort stehen.

Wie werden in der MotoGP unter hektischen Bedingungen Entscheidungen getroffen? Wer entscheidet was? Und würde ein Boxenfunk die Sache einfacher machen? Eine Zusammenfassung über die Abläufe während Flag-to-Flag-Rennen in der Motorrad-WM:

Wer entscheidet über die Reifenwahl beim Motorradtausch?

Die Motorräder sind bei wechselhaften Bedingungen ständig einsatzbereit, Foto: Simninja
Die Motorräder sind bei wechselhaften Bedingungen ständig einsatzbereit, Foto: Simninja

In den Meetings zwischen Qualifying und Rennen werden vom gesamten Team alle möglichen Szenarien durchgespielt. "Wir hatten alleine vor diesem Rennen vier Besprechungen", erklärte Marc Marquez nach seinem Sieg am Sachsenring. Hier stehen nicht nur finales Setup und Reifenwahl zum Start am Prüfstand, sondern auch mögliche Reifenwahlen für Flag-to-Flag-Rennen, bei denen der Fahrer seine Präferenz äußern kann.

"Für uns existiert der Intermediate-Reifen im Grunde nicht, daher war die Auswahl bei uns klar", stellte Marquez klar. Bei Yamaha und Rossi hingegen stand eine andere Auswahl schon vorab fest: "Selbst die weichste Mischung des Vorderreifens war uns noch zu hart und am Freitag haben wir klar gesehen, dass wir schon im Trockenen diesen Reifen nicht auf Temperatur bringen. Daher war klar, dass wir auf Intermediates setzen."

Die finale Entscheidung treffen allerdings nicht die Fahrer, sondern die Crew an der Box - wobei Teamchef und Crewchief die letzte Verantwortung tragen. Daher sieht man immer wieder Fahrer, die über die Reifenwahl noch in der Boxengasse den Kopf schütteln. Oft liegen aber die Männer an der Box richtiger als das Gefühl des Piloten. "Ich dachte eigentlich, Intermediates drauf zu haben", gestand der Zweite vom Sachsenring, Cal Crutchlow. "Aber zum Glück hat sich mein Team anders entschieden."

Fazit: Der Fahrer kann sich zwar äußern, muss aber letztlich nehmen, was er in der Boxengasse angeschraubt bekommt.

Wie wird der Zeitpunkt des Boxenstopps gewählt?

Das Pitboard signalisiert den Fahrern eine Empfehlung zum Boxenstopp, Foto: Simninja
Das Pitboard signalisiert den Fahrern eine Empfehlung zum Boxenstopp, Foto: Simninja

Sobald die Boxencrew sieht, dass sich die Wetterbedingungen drastisch verändern, werden die Ersatzmotorräder vor der Garage gestartet, aufgewärmt und für einen Wechsel vorbereitet. Viele Fahrer entscheiden sich eigenmächtig rasch für einen Wechsel, wie etwa Loris Baz in Misano 2015 oder auch Marquez am Sonntag am Sachsenring.

Oft müssen die Fahrer aber auch per Anzeigetafel an der Boxenmauer zum Ansteuern der Pitlane aufgefordert werden. Andrea Dovizioso erklärt: "Du hast draußen auf der Strecke oft ein ganz anderes Gefühl. Man fühlt sich gut und ist schnell, doch an der Box sehen sie, dass du viel Zeit verlierst." Die Anzeige vom Kommandostand ist freilich aber nicht verpflichtend.

So blieb am Sonntag am Sachsenring ein Quintett rund um Dovizioso und Rossi trotz angezeigten Boxenstopp-Aufforderungen noch rundenlang draußen. Hin und wieder wird ein Pitboard einfach übersehen, wenn die Fahrer mit teilweise weit über 300 km/h daran vorbei brausen. Ohnehin ist man - wenn man einen Boxenstopp angezeigt bekommt - meist schon im Hintertreffen gegen Fahrer, die früher gestoppt haben.

"Die Boxencrew sieht die Rundenzeiten auf dem Screen ja erst, wenn die Runde schon zu Ende ist. Dann müssen sie erst das Pitboard vorbereiten, damit sie es mit bei der nächsten Durchffahrt auf Start/Ziel zeigen können. Und dann muss ich noch eine volle Runde fahren, ehe ich die Box ansteuern kann. Bei diesem ganzen Vorgang verlierst du also mindestens zwei bis drei Runden", erklärt Dovizioso. Zwei bis drei Runden, in denen früher stoppende Fahrer teilweise zweistellige Sekundenwerte pro Runde aufholen.

Fazit: Die Box kann die Fahrer zwar zum Stopp auffordern. Wann er die Box tatsächlich ansteuert, entscheidet der Pilot aber immer noch selber.

Würde Boxenfunk wie in der Formel 1 helfen?

Valentino Rossi würde gerne den Boxenfunk aus den F1-Boliden in seinem Helm haben, Foto: Ferrari
Valentino Rossi würde gerne den Boxenfunk aus den F1-Boliden in seinem Helm haben, Foto: Ferrari

Darüber sind die Fahrer geteilter Meinung. Die generelle Tendenz im Paddock zu dieser Gretchenfrage ist aber eher ablehnend. "Ich möchte nicht, dass irgendjemand mit mir spricht, wenn ich gerade mit maximalem Winkel in einer Kurve hänge", stellte Marc Marquez klar. Cal Crutchlow pflichte ihm bei: "Das ist eine schlechte Idee. Ich würde auf Ansagen in etwa so reagieren, wie Kimi Räikkönen einst (Anspielung auf den legendären Funkspruch: 'Leave me alone, I know what I am doing!')".

Unter Bedingungen wie jenen am Sachsenring am Sonntag, könnten sich einige Fahrer dieses Hilfsmittel dennoch vorstellen. "Man könnte einige Dinge viel besser einschätzen und das würde unsere Sicherheit erhöhen", sagte Dovizioso. Rossi pflichtete ihm bei: "Eine Kommunikationsmöglichkeit mit der Box könnte hilfreich sein. In Assen wäre ich zum Beispiel nicht gecrasht, wenn man mit gesagt hätte, dass ich schon zwei Sekunden Vorsprung habe. Ich weiß nicht, wieso wir so etwas nicht schon lange haben."

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