Jorge Lorenzo zu Ducati: Eine gute Lösung für ihn, für Ducati, vielleicht sogar für Yamaha?
Alex Hofmann: Ich glaube, für alle Beteiligten. Das ist ja eine Geschichte, die sich seit Jahren aufgebaut hat, vor allem seit dem Wechsel von Gigi Dall'Igna zu Ducati. Ich bin oft mit Gigi beim Abendessen gesessen (Anm. d. Red.: Hofmann und Aprilia haben bei Aprilia zusammengearbeitet) und weiß, was für eine hohe Meinung er von Jorge hat. Es passiert nicht oft, dass ein Techniker und ein Fahrer ein derartiges Vertrauen zueinander haben. Das war also schon absehbar.

Hat Lorenzo genau dieses Vertrauen bei Yamaha gefehlt?
Alex Hofmann: Die Japaner geben dir als Fahrer immer 100 Prozent Unterstützung, das gilt bei Yamaha für Rossi und Lorenzo. Die sind in jeder Hinsicht gleichbehandelt. Es fehlt aber ein wenig das Herz. Jorge war jetzt sicher auch an einem Punkt, wo er Yamaha klar gesagt hat: 'Es kann nicht sein, dass ich seit einiger Zeit besser performe als Valentino und eigentlich den Nummer-eins-Status haben sollte, aber es geht immer nur um Rossi, Rossi, Rossi.'

Zermürbt so etwas einen Fahrer irgendwann?
Alex Hofmann: Ich finde, Jorge hat das extrem gut gelöst. Das hat ihn mental sicher zusätzlich gestärkt, gegen diesen Titan Rossi zu kämpfen. Jetzt hat er aber eben bei Ducati diese Alternative gesehen, wo es auch technisch möglich ist, erfolgreich zu sein, wo es dieses Vertrauen zum Ingenieur gibt und wo es zusätzlich finanziell noch ein bisschen besser stimmt.

Das Verhältnis zwischen Lorenzo und Rossi wurde zuletzt wieder deutlich schlechter, Foto: Yamaha
Das Verhältnis zwischen Lorenzo und Rossi wurde zuletzt wieder deutlich schlechter, Foto: Yamaha

Lorenzo meinte ja, er brauchte einfach eine neue Motivation.
Alex Hofmann: Das nehme ich ihm schon auch ab. Dieser Sport zehrt mental so unglaublich an einem Fahrer. Jorge braucht jetzt einfach einen neuen Input, um sich Tag für Tag zu quälen und alles zu geben. Der kommt bei Ducati natürlich in geballter Form.

Es gibt aber durchaus kritische Stimmen, die bezweifeln, ob Jorge Lorenzo zur Ducati passt. Denkst du, das wird funktionieren?
Alex Hofmann: Ja, garantiert. Jorge war auch bei der Umstellung auf die neue Elektronik und die Michelin-Reifen einer derjenigen, die am wenigsten gejammert und sich am schnellsten daran gewöhnt haben. Er hat einfach gearbeitet und sich umgestellt, um wieder erfolgreich zu sein. Genau so wird er auch bei Ducati an die Sache herangehen. Iannone und Dovizioso haben ja schon gezeigt, dass das Bike eigentlich fast überall konkurrenzfähig ist und Jorge hat natürlich an sich selbst den Anspruch, das noch eine Spur besser zu machen. Allzu hoch ist die Wahrscheinlichkeit also nicht, dass er bei Ducati komplett untergeht.

Was können wir denn dann von ihm erwarten bei Ducati?
Alex Hofmann: Ich würde nicht einmal ausschließen, dass er von Anfang an um Siege fährt. Die Saison geht wieder in Katar los, einer Strecke, die Ducati extrem liegt, weil Motorleistung da sehr wichtig ist. Gut möglich also, dass er uns da gleich mit einer Pole Position überrascht. Über das ganze Jahr gesehen wird es vielleicht anders sein, aber in der Versenkung wird Jorge sicher nicht verschwinden, so wie es bei Valentino damals war.

Hat das in Lorenzos Entscheidung vielleicht auch eine Rolle gespielt hat? Den Leuten zu zeigen, dass er das schaffen kann, was Rossi nicht gelungen ist?
Alex Hofmann: Natürlich werden es alle vergleichen, auch wenn die Voraussetzungen ganz andere sind. Valentino hat damals bei Ducati ja wirklich nichts gerissen, das kann bei Jorge jetzt eigentlich nicht mehr passieren. Er kann dafür den Fans - egal ob sie ihn mögen oder nicht - zeigen, was er für einen Wert als Fahrer hat. Ich glaube aber nicht, dass dieser Punkt auf seiner Liste mit Gründen für den Wechsel ganz oben gestanden ist. Das ist natürlich schon ein Ego-Ding, weil ihn Valentino mit seinem Spruch, ob er die Eier dafür hat oder nicht, auch noch gereizt hat. Entscheidend wird es also wohl nicht gewesen sein, aber es rundet die Sache natürlich ab.

Rossis Ducati-Ära war ein einziges Debakel, Foto: Milagro
Rossis Ducati-Ära war ein einziges Debakel, Foto: Milagro

Was bedeutet der Wechsel für die MotoGP insgesamt?
Alex Hofmann: Für die Meisterschaft ist das super. Wir werden erfahren, wie gut die Ducati ist. Wir werden erfahren, was für ein Fahr-Genie Jorge ist. Wir werden erfahren, was für ein Technik-Genie Gigi Dall'Igna ist. All diese Fragen werden nächstes Jahr relativ schnell beantwortet werden. Sowas bringt Farbe in die Meisterschaft. Jetzt gab es ja einige Jahre lang kaum dieses Stühlerücken, das für den Zuseher so spannend ist. Und Jorge war ja jetzt erst der Anfang, da werden in dieser Saison noch einige Steine fallen und wir können uns sicher auf 2017 freuen.

Yamaha braucht zum Beispiel einen Nachfolger für Lorenzo. Wen würdest du verpflichten, wenn du das Sagen hättest?
Alex Hofmann: Ich denke, die Entscheidung, Vinales zu holen, ist schon gefallen. Und die ist auch richtig. Wenn sie den schnellsten Rennfahrer gehen lassen können sie sich nachher nicht mit irgendwem zufrieden geben. Das geht nicht. Vinales ist daher die logische Variante, denn einen Marquez wirst du von Honda nicht wegbekommen, auch wenn er sich durch seine Gehaltsforderung dort etwas ins Spiel gebracht hat. Das war aber kein ernster Versuch, da in den Poker einzusteigen. Ich denke, Yamaha und Vinales, das passt.

Rossi und Vinales sollen 2017 für Yamaha um Siege kämpfen, Foto: Suzuki
Rossi und Vinales sollen 2017 für Yamaha um Siege kämpfen, Foto: Suzuki

Wagen wir mal einen Blick nach vorne und nehmen an, Vinales schlägt Rossi 2017 bei Yamaha, vielleicht sogar im Kampf um den Titel. Rechnest du dann wieder mit so einem Stallkrieg, wie zwischen Rossi und Lorenzo, oder denkst du, dass es in diesem Fall ruhiger ablaufen würde?
Alex Hofmann: Ich denke, dass Rossi und Lorenzo einfach grundverschiedene Menschen sind. Wenn die in der Schule Klassenkameraden gewesen wäre, hätten die trotzdem nie zusammen Fußball gespielt. Es gibt einfach Menschen, die man sympathisch findet und Menschen, mit denen man nichts anfangen kann. Bei Rossi und Lorenzo ist wohl das Zweite der Fall. Das war mal die Grundlage. Durch diesen extremen Zweikampf hat sich das natürlich noch einmal potenziert. Da sehe ich mit Maverick schon eine größere Chance, dass das klappt, weil er - obwohl aus einer neuen Generation Rennfahrer stammend - noch ein echter Gentleman-Racer ist. Ihm ist Vertrauen und Ehrlichkeit wichtig, er gibt auch Fehler zu. Mit dem kann man schon gut arbeiten. Ich denke, dass wäre also sicher ein harmonischeres Team als Rossi und Lorenzo oder gar Rossi und Marquez, was ja völlig unvorstellbar ist.