Die MotoGP ist ein harter Sport, geschenkt wird keinem Fahrer etwas. Wer sich durchsetzen will, muss vor allem - vielleicht sogar ausschließlich - an sich selbst denken. Die Konkurrenz muss selbstverständlich geschlagen werden und selbst der Teamkollege ist ein erbitterter Feind. Schaut man sich die Großen dieses Sportes an, sticht ein Merkmal heraus, dass sie alle mitbrachten: Kompromisslosigkeit. Ob Valentino Rossi, Casey Stoner, Mike Hailwood oder Marc Marquez - sie alle sind oder waren starke Persönlichkeiten, die im Ernstfall das Messer zwischen den Zähnen hatten und lieber im Krankenhaus gelandet wären, als ein Rennen nicht zu gewinnen. Und allesamt sind sie Weltmeister geworden, mehrfach sogar. Nur ein Fahrer der ganz Großen kann da nicht mithalten: Dani Pedrosa. Kein WM-Titel in der MotoGP, dafür aber viele Aufenthalte im Krankenhaus. Doch woran liegt es, dass Pedrosa nicht in dieser Reihe mitmischen kann? An mangelndem Talent mit Sicherheit nicht. Ist Pedrosa einfach zu nett für die MotoGP?

Mit Nettigkeiten gewinnt man keine Rennen, das ist eine Tatsache. Aber beim diesjährigen Texas GP hat Pedrosa mal wieder bewiesen, dass genau darin seine Stärke liegt. Mehr oder weniger unverschuldet riss Pedrosa Andrea Dovizioso aus dem Rennen - und erkundigte sich unmittelbar danach als erste Amtshandlung nach seinem Kollegen, nicht nach seiner Honda. Menschlich gesehen eine lobenswerte Handlung, aber als Rennfahrer zweifelhaft. Hätte man so eine Aktion von einem Rossi, Marquez oder Lorenzo erwarten können? Wohl eher nicht.

Doch mit Pedrosas Sorge auf der Strecke nicht genug. Sobald der Honda-Pilot in die Box zurückgekehrt war, ging es - begleitet von unzähligen Kameras - in die Ducati-Box für die zweite Entschuldigung des Tages. Pedrosa erklärte dem enttäuschten Dovizioso die Situation, der Italiener nahm die Entschuldigung an. Damit könnte alles vergeben und vergessen sein. Denkste! Es folgten noch zwei weitere Entschuldigungen, via Social Media und in der Presse. Auch hier stellt sich die Frage: Ist das für einen MotoGP-Piloten nicht zu viel des Guten? Ich wage zu behaupten: Wer so viel Mitgefühl für die - sogar unverletzte - Konkurrenz hat, dem ist das Scheißegal-Gen abhandengekommen. Wie oben genannte Weltmeister beweisen, scheint dieses Gen aber von essenzieller Bedeutung zu sein, will man wirklich ernst machen.

Ein Beispiel: Das Duell zwischen Pedrosa und Rossi in Aragon 2015, eines der wohl härtesten und spannendsten in der Geschichte der MotoGP. Pedrosa und Rossi schenkten sich absolut nichts, trotzdem blieb das Statement Rossis nach dem Rennen ein harmloses: "Ich habe mich auf dieses Duell nur eingelassen, weil ich Dani voll vertrauen kann." Ein schönes Kompliment, doch ist diese Aussage wirklich schmeichelhaft für den Gegner? Will man nach einem harten Kampf vom Gegenüber wirklich als Erstes hören, wie verlässlich man ist? Nach Duellen mit Lorenzo und Marquez war Vertrauen das letzte Wort, das Rossi in den Mund nahm, ob der Doktor gegen seine Konkurrenten verlor oder gewann.

Nun mögen sich die Geister darüber scheiden, ob Pedrosas Art gut oder schlecht ist. Jedenfalls ist sie einzigartig. Profitiert hat der MotoGP-Routinier davon bisher aber kaum. Nicht in Einzelfällen wie Aragon und auch nicht in der WM-Wertung. Würde Pedrosas Bilanz nach zehn Jahren anders aussehen, wenn er sich eine Scheibe von Rossi, Marquez & Co. abschneiden würde? Schwer zu sagen, aber so wie bisher funktioniert es jedenfalls nicht.