Es sind Szenen, wie man sie aus der MotoGP eigentlich nicht kennt. Als Jorge Lorenzo, Marc Marquez und Andrea Dovizioso nach dem Grand Prix von Katar auf das Podium stiegen, mischten sich unter den üblichen Applaus auch eine Menge Pfiffe und Buhrufe. Dovizioso werden sie wohl nicht gegolten haben, viel eher Lorenzo und Marquez, gegen die vor allem die Fans von Valentino Rossi - in Katar wie auch bei jedem anderen Rennen rund um den Planeten klar in der Überzahl - nach dem Saisonende 2015 immer noch einen Groll hegen.

Darauf angesprochen sieht Lorenzo allerdings keinen Grund, warum er oder Marquez von Zusehern mit Pfiffen oder Buhrufen belegt werden sollte. "Wir haben in den letzten Monaten ja nichts Falsches gemacht", findet Lorenzo. "Wir sind einfach beide sehr schnell gefahren. Ich bin Weltmeister geworden und Marc hat auch den bestmöglichen Job gemacht. Die laufende Saison haben wir genauso professionell begonnen. Natürlich versuchen wir beide, auf der Strecke der Beste zu sein."

Lorenzo: Wir riskieren unser Leben

Dass er bei der gefährlichen Ausübung seines Sports auspfeifen lassen muss, versteht der amtierende Weltmeister nicht: "Wir riskieren hier unser Leben. Ich weiß wirklich nicht, was wir falsch gemacht haben. Wir sind einfach nur schnell und haben ein paar andere Fahrer geschlagen." Ob Lorenzos 'Mund halten'-Geste auf dem Weg zum Podium förderlich für die Laune der Fans war, sei einmal da hingestellt.

Gesten wie diese treiben Lorenzos Beliebtheitswerte wohl nicht nach oben, Foto: Milagro
Gesten wie diese treiben Lorenzos Beliebtheitswerte wohl nicht nach oben, Foto: Milagro

Marc Marquez fühlte sich an die Atmosphäre in Fußballstadien erinnert - in diesem Fall nichts Positives. "Ich mag so etwas im Fußball nicht und in der MotoGP genauso wenig, natürlich erst recht nicht, wenn es gegen mich gerichtet ist", stellte Marquez klar. "Mir ist aber klar, dass das in Zukunft normal sein wird. Ich bin ja nicht blöd. Daran muss ich mich eben jetzt gewöhnen." Wirklich nachvollziehen konnte er die Unmutsbekundungen dennoch nicht: "Ich glaube, das doch eigentlich jeder das Rennen in Katar genossen hat." Marquez will auf jeden Fall weiterhin allen Fans unvoreingenommen entgegen treten. "Für mich spielt es keine Rolle, ob die Leute rote, gelbe oder schwarze Fanartikel tragen."

Rossi will nichts sagen

Und was sieht eigentlich Valentino Rossi, mit seinen teilweise heftigen Aussagen in Richtung der beiden Spanier für die aufgeheizte Stimmung nicht ganz unverantwortlich, als Grund für Pfiffe und Buhrufe. "Puh. Ich weiß es nicht", so zunächst das kurze Statement Rossis. Erneut darauf angesprochen, ließ er sich dann doch zu einer längeren Antwort hinreißen: "Die Pfiffe sind nicht meine Schuld. Das ist kein Problem der Fans, sondern eher eines der Presse. Es wird immer gute und schlechte Fans geben. So etwas passiert in jedem Sport. Ich glaube nicht, dass das wirklich schlimm ist."

Die Ursache dürfte aber wohl mit ziemlicher Sicherheit im WM-Finale 2015 liegen. Für Lorenzo und Marquez könnte es aber in Zukunft Hoffnung auf Siegerehrungen ohne Misstöne geben. Man erinnere sich nur an die Pfifforgien gegen Sebastian Vettel nach dem Multi-21-Skandal mit Teamkollege Mark Webber. Nach einer weniger erfolgreichen Red-Bull-Saison und dem folgenden Wechsel zu Ferrari gehörten die Pfiffe der Vergangenheit. Lorenzo und Marquez wissen also, was von ihnen erwartet wird.

In Sepang eskalierte der Kleinkrieg zwischen Rossi und Marquez, Foto: Milagro
In Sepang eskalierte der Kleinkrieg zwischen Rossi und Marquez, Foto: Milagro

Lorenzo selbst allerdings sieht die Chance auf eine Lösung nicht bei sich selbst. "Es gibt genau eine Person, die dieses Problem lösen könnte, aber die ist nicht daran interessiert", so der amtierende Weltmeister. Einen konkreten Namen will er nicht nennen, gemeint dürfte aber wohl Valentino Rossi sein. "Jeder weiß, wen ich meine. Oder man kann es sich zumindest denken. Das soll jeder für sich selbst entscheiden."

Marquez und Lorenzo haben keine Angst

Eine Klarstellung machten am Donnerstag in Termas de Rio Hondo aber sowohl Lorenzo als auch Marquez. Nachdem sich die beiden Spanier in den vergangenen Tagen in Argentinien nie in der Öffentlichkeit gezeigt hatten, war es zu Spekulationen gekommen, sie würden sich vor den heißblütigen Fans in Südamerika fürchten und daher verstecken. Beide Fahrer hatten aber plausible Erklärungen parat. "Ich habe definitiv keine Angst", stellte Lorenzo klar. "Das Hotel habe ich nur nicht verlassen, weil ich die ganze Zeit trainiert oder mich entspannt habe."

Marc Marquez war überhaupt erst viel später als geplant in Argentinien angekommen, nachdem zunächst ein Flug gecancelt wurde und es dann auch noch während des Fluges zu technischen Problemen kam. "Ich war insgesamt 60 Stunden unterwegs und bin erst am Donnerstag um 3 Uhr morgens angekommen. Als im Flieger ein Triebwerk ausgefallen ist, hatte ich Angst, aber hier sicher nicht", schmunzelte Marquez.