Viel wurde über den persönlichen Kleinkrieg zwischen Valentino Rossi und Marc Marquez in den vergangenen Monaten gesprochen, gerätselt und diskutiert. Die beiden Hauptprotagonisten Rossi und Marquez und auch Nebendarsteller wie Jorge Lorenzo oder viele andere Experten äußerten ihre Meinung. Rennen und das Verhalten der Beteiligten wurden analysiert, doch eine große Frage blieb: Warum attackierte Rossi Marquez in der Pressekonferenz von Sepang plötzlich derart radikal und sorgte so für die endgültige Eskalation des Streits?

Die Meinungen gingen stark auseinander. Befürworter von Rossis Angriffen gaben ihm dahingehend Recht, dass Marquez ihn bereits auf Phillip Island bewusst blockiert hatte, um Lorenzo so zu helfen. Der Grund dafür sei gewesen, dass Marquez die Niederlagen gegen Rossi in Argentinien und den Niederlanden, wo der Doktor jeweils nach einer Kollision gewann, nie verdaut hatte. Die andere Seite war einfach der Ansicht, dass Rossi aufgrund des höheren Speeds von Jorge Lorenzo in der Schlussphase der Saison im Titelkampf seine Felle davonschwimmen sah und so zumindest sichergehen wollte, in den Rennen nicht auch noch gegen Marquez mit letztem Risiko kämpfen zu müssen.

Marquez soll schon auf Phillip Island den Puffer zwischen Lorenzo und Rossi gespielt haben, Foto: Yamaha
Marquez soll schon auf Phillip Island den Puffer zwischen Lorenzo und Rossi gespielt haben, Foto: Yamaha

Rossi erklärt Überlegungen vor Sepang

Nun bezieht Rossi zu seinen Beweggründen Stellung und - siehe da - beide Seiten hatten irgendwie Recht. "Meine Aussagen in der Pressekonferenz waren der allerletzte Ausweg. Für mich stand wahnsinnig viel auf dem Spiel. Ich hatte alles zu verlieren", schickt Rossi im Gespräch mit Motosprint vorne weg. "Ich habe sehr viel darüber nachgedacht, was passiert ist. Auch darüber, dass es vielleicht besser gewesen wäre, nichts zu diesem Thema zu sagen."

Schlussendlich sah sich Rossi aber zu dem drastischen Schritt gezwungen. "Ich musste es einfach tun, denn mir war klar, dass ich sonst erledigt bin. Es war schon so schwer genug, Jorge zu schlagen, und dann war Marc auch noch gegen mich", bleibt er seiner Version der Geschichte, wonach Marquez bereits vor dem Rennwochenende in Malaysia gegen ihn gefahren sei, treu.

Rossi wollte Marquez nicht einschüchern

Marquez damit in die Enge zu treiben, sei aber nie seine Absicht gewesen, erklärt Rossi. Vielmehr habe er so auf eine friedliche Lösung des Konflikts gehofft, erklärt der Superstar der MotoGP: "Ich wollte in dieser Pressekonferenz Marc nicht einschüchtern. Mir war einfach nur wichtig, die Aufmerksamkeit der Rennleitung zu haben und das Problem so lösen zu können." Anderweitige Versuche, mit Hilfe der Rennleitung eine Aussöhnung zwischen ihm und Marquez zu erreichen, seien zuvor gescheitert: "Ich habe probiert, mit der Rennleitung zu sprechen, aber sie haben mir nicht zugehört. Also bin ich diesen Weg gegangen."

Rossi und Marquez trugen ihren Streit am Ende in Sepang auf der Strecke aus, Foto: Milagro
Rossi und Marquez trugen ihren Streit am Ende in Sepang auf der Strecke aus, Foto: Milagro

Warum ihn die Rennleitung damals so abblitzen ließ, darüber kann Rossi auch Monate später nur spekulieren. "Ich glaube, dass sie das Problem unterschätzt hatten. Mit so einer Situation haben sie nicht gerechnet. Als ich es ihnen erklären wollte, haben sie mich nur angesehen, als würden sie sich fragen, was das alles soll", verrät Rossi. Dabei sei ein friedliches Saisonende in den Händen der Rennverantwortlichen gelegen: "Die Eskalation hätte mit einem gemeinsamen Gespräch in Sepang verhindert werden können."

Dazu kam es aber wie erwähnt nie. Die Folgen sind bekannt. Im Rennen von Sepang wurde die persönliche Feindschaft zwischen Rossi und Marquez erstmals auf der Strecke für jeden sichtbar. Rossi verlor nach einem packenden Duell über mehrere Runden schließlich die Nerven und drängte Marquez an den Streckenrand, wo es zur Kollision und dem Sturz des Repsol-Honda-Piloten kam. Die Rennleitung sah die Schuld bei Rossi und brummte ihm drei Strafpunkte auf, weshalb er beim Saisonfinale in Valencia aus der letzten Startreihe ins Rennen gehen musste. Am Ende wurde Rossi noch Vierter, der Titel ging aber an den in Valencia siegreichen Jorge Lorenzo.

In Valencia musste Rossi Lorenzo den Titel überlassen, Foto: Monster
In Valencia musste Rossi Lorenzo den Titel überlassen, Foto: Monster

Schaden für Rossi und Marquez

Die MotoGP und Valentino Rossi hatten eine handfesten Skandal. Marc Marquez natürlich auch, wie Rossi in Erinnerung ruft. "Es wäre auch für Marc selbst besser gewesen, wenn er einfach seine eigenen Rennen gefahren wäre. Seine Intention war zu klar erkennbar. Das Rennen in Valencia war dann das Tüpfelchen auf dem i", spielt Rossi auf den letzten Grand Prix des Jahres an, in dem Marquez Lorenzo die gesamte Distanz über verfolgt hatte, ohne ihn auch nur einmal anzugreifen.

Wie sich das Duell zwischen Rossi und Marquez im Laufe dieser Saison auf der Strecke entwickeln wird, lässt sich aktuell nicht voraussagen. Abseits davon wird es zwischen den beiden Rivalen aber keinerlei Nettigkeiten mehr geben, wie Rossi pünktlich zum Saisonstart klarstellt: "Unser Verhältnis wird nach diesen Vorkommnissen nie mehr dasselbe sein. Wir werden nur noch Rivalen sein und darauf will ich mich auch konzentrieren, nicht auf solchen Unsinn wie die Diskussion, ob wir uns die Hände schütteln sollen oder nicht. Ich bevorzuge es, die Dinge einfach zu machen. Das ist mein Weg."