Contra: Kawasaki in die MotoGP? Bitte nicht!

Einen besseren Saisonauftakt in der WSBK hätte sich Kawasaki 2016 kaum erträumen können: Zwei Siege, Titelverteidiger Jonathan Rea nimmt satte 50 von 50 möglichen Punkten mit. Klar, dass sich viele Fans die Giftgrünen zurück in die MotoGP wünschen. Ein MotoGP-Einstieg wäre dennoch mit das Schlechteste, was Kawasaki sich antun könnte.

Es steht völlig außer Frage, dass eine Dominanz, wie sie Kawasaki in der Superbike-WM erlebt, bei einem MotoGP-Einstieg absolut unmöglich wäre. Die Giganten Honda und Yamaha haben einen jahrelangen Erfahrungsvorsprung und gewaltige Budgets (Zum Vergleich: Honda macht jährlich einen Umsatz von etwa 11 Billionen Yen, Kawasaki nicht ganz ein Zehntel davon). Ganz abgesehen davon, dass sich kein Siegfahrer auf ein Experiment mit einem neuen Hersteller einlassen würde. Wie schwierig selbst für einen großen, japanischen Hersteller der MotoGP-Einstieg geworden ist, musste Suzuki 2015 leidvoll erfahren. Ich sage nur: Seamless-Getriebe. Ob es für KTM 2017 besser laufen wird, steht noch in den Sternen, mit Podiumsplätzen sollte man jedenfalls am Anfang nicht rechnen.

KTM hat keine Scheu vor der MotoGP, Foto: KTM
KTM hat keine Scheu vor der MotoGP, Foto: KTM

Zusätzlich könnte es Kawasaki wohl kaum finanziell stemmen, sich neben einem MotoGP-Einstieg weiter mit voller Kraft in der Superbike zu engagieren, so dass neben einer MotoGP-Blamage auch noch ein Absturz in der WSBK vorstellbar wäre. Das ist wirklich nichts, das die Grünen riskieren sollten, nur um dann im MotoGP-Klassement unter ferner liefen geführt zu werden. Abgesehen davon - auch das hat die Superbike in Phillip Island gezeigt - wird von den Kameras nur der eingefangen, der an der Spitze mitfahren kann. Im Fall WSBK bekommt Kawasaki also ordentlich TV-Zeit, ohne dafür das Werbe-Budget anzukratzen. In der MotoGP darf davon ausgegangen werden, dass ohne ein Wunder oder einen spektakulären Crash wesentlich weniger Giftgrün über die Bildschirme flimmern würde.

Noch viel stärker gegen einen MotoGP-Einstieg spricht aber die Markenstrategie der Japaner. Kawasakis ganze Philosophie ist darauf ausgerichtet, das, was in der WSBK erfolgreich ist, so unverändert wie möglich auf die Straße zu bringen. Genau das ist das Erfolgsrezept der Ninja. Im Gegensatz dazu ist jedem klar, dass die Technologie der Prototypen aus der MotoGP so nicht auf die Straße gebracht wird. Oder erwartet irgendjemand im Ernst, dass Ducati demnächst an allen erdenklichen Positionen Flügelchen an seine Straßenbikes tackern wird? Oder dass Yamaha die Tanks der straßentauglichen Supersportler aus Iwata unter den Sitz verlegt? Sicher nicht. Technologie aus der Superbike-WM dagegen spiegelt sich direkt auf der Straße wieder, so zum Beispiel beim 2016er Modell der Ninja, dessen Fahrwerksverbesserung direkt vom Kawasaki Racing Team übernommen wurde.

Rea dominierte 2015 mit der Ninja nach Belieben, Foto: Kawasaki
Rea dominierte 2015 mit der Ninja nach Belieben, Foto: Kawasaki

Parallel dazu sind für Kawasaki die Superbike-Stars Rea und Sykes Werbeträger, die selbst die neuesten Modelle mitentwickelt haben. Bei den Herstellern, die in der MotoGP aktiv sind, müssen die Stars aber primär ihre neuen Prototypen entwickeln. Genau mit dieser Philosophie, das Rennteam gleichzeitig als Testteam für die Straßensportler zu nutzen, hat sich Kawasaki so eine große Fanbasis erarbeitet, die sich für Gimmicks aus der MotoGP nicht interessiert, sondern dafür, genau das, was in der Superbike-WM dominiert, auf der Straße selbst fahren zu können. In dieser Strategie, in der Straßenperformance und Fahrspaß die wichtigste Rolle spielen, hat ein MotoGP-Einstieg keinen Platz und auch keine Relevanz.

Muss sich jeder Hersteller in der Königsklasse seines Sports engagieren, um glaubhaft und auf der Straße sportlich zu wirken? Wohl kaum. Um ein Beispiel aus dem vierrädrigen Bereich heranzuziehen: Mercedes fährt in der Formel 1 alles in Grund und Boden. Audi ist nicht einmal dabei, sondern hält nur bei den seriennahen Tourenwagen gut mit. Auf der Straße aber hat Audi eindeutig das sportlichere Image. Kawasaki sollte also weiter versuchen, die WSBK zu dominieren, die entsprechenden Bikes auf die Straße zu bringen und den Traum MotoGP einen Traum sein lassen.

Mit dem Hayate-Team fand Kawasakis MotoGP-Engagement 2009 ein Ende, Foto: u-n-s
Mit dem Hayate-Team fand Kawasakis MotoGP-Engagement 2009 ein Ende, Foto: u-n-s

Pro: Kawasaki pflegt ein Feigling-Image

In der Superbike-Weltmeisterschaft ist Kawasaki in den letzten Jahren zu der dominierenden Marke geworden. 2015 holte man erstmals die Titel in der Fahrer- und Konstrukteurswertung. Ein schöner Erfolg für Kawasaki. Mehr aber auch nicht. Denn auch die größte Dominanz in einer vergleichsweise kleinen Serie hat eben nur einen geringen Impakt auf die Wirkung der Marke. Natürlich ist die WSBK eine vollwertige Weltmeisterschaft, aber das heißt noch lange nicht, dass sie auch rund um die Welt Menschenmassen begeistert. Das schafft derzeit und mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nur eine Motorradserie auf diesem Planeten, und die heißt MotoGP.

Einige Zahlen verdeutlichen das sehr schön. Auf Facebook darf sich die MotoGP etwa über mehr als zehn Millionen Fans freuen, die Superbike-WM kommt nicht einmal auf ein Zehntel. Auf Twitter fällt der Unterschied mit 1,65 Millionen zu 103.000 noch deutlicher aus. Soll heißen: WSBK hat ihre Fans. Natürlich. Doch es sind Hardcore-Fans. Damit kann man Motorräder verkaufen, keine Frage. In die Dimensionen von Honda, Yamaha oder Suzuki wird man mit einem Engagement in dieser Serie aber nie vorstoßen, auch nicht wenn man die nächsten 20 Weltmeisterschaften gewinnt.

Kawasaki steuert 2016 auf die nächsten WSBK-Titel zu, Foto: Ducati
Kawasaki steuert 2016 auf die nächsten WSBK-Titel zu, Foto: Ducati

Viele Unternehmen haben das in der Vergangenheit bereits verstanden. Ducati etwa gewann in der Superbike-WM von 1991 bis 2002 alle Konstrukteurstitel bis auf einen, auch in der Fahrerwertung musste man nur vier Mal der Konkurrenz den Vortritt lassen. Dennoch sah man bei der Marke aus Borgo Panigale durch das WSBK-Engagement keine großen Wachstumschancen mehr und engagierte sich ab 2003 auch in der MotoGP. Ja, Ducati hatte in der Königsklasse auch seine Probleme, doch selbst in den schwierigsten Phase generierte man dort mehr Aufmerksamkeit als mit Dauersiegen in der Superbike-WM.

Dass die MotoGP die einzig richtig große Bühne im Motorradsport ist, musste man auch bei KTM erkennen. Motocross, Enduro, Moto3 - alles haben die Österreicher schon dominiert. Nun musste aber die nächste Stufe folgen, und die erklimmt KTM 2017 mit dem MotoGP-Einstieg. Genau dieser mutige Schritt ist es auch, der Kawasaki ganz schön blöd dastehen lässt. Denn wenn die vergleichsweise immer noch kleine Motorradschmiede aus Mattighofen den Mumm hat, in der MotoGP mitzumischen, dann kann man das von der japanischen Traditionsmarke erst recht verlangen.