Der letzte Testtag auf Phillip Island brachte die erste Bestzeit für Honda in diesem Winter. Marc Marquez ließ die Konkurrenz in 1:29.158 Minuten knapp hinter sich. Wirkliche Freude wollte bei Marquez und seinem Team trotz Platz eins aber nicht aufkommen. Alle Beteiligten wissen, dass damit noch gar nichts erreicht ist und die Probleme mit dem 2016er-Prototyp noch lange nicht aus der Welt sind.

"Auf dieser Strecke hatten wir auch 2015 keine Probleme", erinnert Marquez, der auf Phillip Island im Vorjahr die Pole Position holte und im Rennen den sensationellen Vierkampf mit Valentino Rossi, Jorge Lorenzo und Andrea Iannone für sich entschied. "Wir dürfen dieses Ergebnis daher nicht überbewerten. Hier gibt es so viele schnelle Kurven. Das kommt uns entgegen. Uns kann passieren, dass wir jetzt nach Katar kommen und dort überhaupt nichts mehr funktioniert, was hier super gepasst hat. Wir wissen nicht, ob wir uns wirklich verbessert haben." Tatsächlich scheint es bei Honda nach wie vor drei große Krisenherde geben, die man bestenfalls etwas eindämmen, aber noch nicht auslöschen konnte.

Die Balance

Mit dem Wechsel von Bridgestone- auf Michelin-Reifen hat in der MotoGP ein neuen Fahrstil Einzug gehalten. Die Pneus aus Frankreich fordern eine sauberere Herangehensweise. Wildes Hineinbremsen in Schräglagen oder brutale Slides mit dem Hinterrad werden nun nicht mehr belohnt, sondern bestraft. Das führt dazu, dass die Balance der Motorräder völlig geändert werden musste, oder, falls noch nicht geschehen, muss. "Die Reifen verlangen eine andere Sitzposition des Fahrers", bestätigt Dani Pedrosa. "Meine stimmt aktuell überhaupt nicht. Wir haben jetzt mehr Grip am Hinterrad, also kann ich weiter vorne sitzen."

Wilde Hinterrad-Slides gehören der Vergangenheit an, Foto: HRC
Wilde Hinterrad-Slides gehören der Vergangenheit an, Foto: HRC

Marquez bestätigt die Eindrücke seines Teamkollegen. "Die Balance des Motorrads ist aktuell unser größtes Problem", konstatierte er. "Mit den neuen Reifen hat sich extrem viel verändert. Man kommt mit dem Hinterrad nicht mehr so einfach ins Sliden und kann das Motorrad auf diese Art nicht mehr steuern." In den vergangenen Jahren war Marquez klar Spitzenreiter darin, seine Honda mit gezielt eingesetztem Wheelspin am Hinterrad möglichst eng um die Kurven zu zirkeln. Dani Pedrosa fordert jetzt auf jeden Fall schnelles Handeln im Bereich der Balance. "Wenn wir die richtige Gewichtsverteilung gefunden haben, müssen wir einige Teile am Motorrad anpassen", stellt er klar. Viel Zeit bleibt Honda dafür nicht mehr, startet die neue MotoGP-Saison doch bereits in einem Monat in Katar, bis zu den abschließenden Testfahrten dort sind es noch zwei Wochen.

Der Motor

Bei den ersten Testfahrten mit der 2016er-Honda im vergangenen Herbst in Valencia und Jerez machten Marquez und Pedrosa zunächst den Motor als größte Schwachstelle des neuen Motorrads aus. Wie schon 2015 sei er zu aggressiv und daher nur schwer zu kontrollieren. Auf Phillip Island scheinen diese Probleme gelöst worden zu sein. Doch der Scheint kann trügen. In diesem Fall tut er es wohl auch. Denn Phillip Island ist die schnellste Strecke im Kalender mit nur zwei langsameren Kurven. Dass das aggressive Triebwerk in Highspeed-Passagen keine Probleme macht, ist klar.

"Hier funktioniert unser Motor ganz gut, aber in den engen Kurven haben wir vor allem beim Herausbeschleunigen nach wie vor große Mühe. Da hat sich im Vergleich zu Sepang nichts geändert, außer dass es hier weniger dieser Kurven gibt", musste Marquez eingestehen. Auch Pedrosa ist mit der Kraftentfaltung am Kurvenausgang alles andere als zufrieden: "Die Abgabe des Drehmoments muss einfach gleichmäßiger werden."

Die Elektronik

Eine Möglichkeit, um die von Pedrosa und Marquez geforderte, gleichmäßigere Leistungsabgabe des Motors zu ermöglichen, ist eine Lösung mithilfe der Elektronik. So bekam man im vergangenen Jahr das störrische Triebwerk etwas in den Griff. Zwischen 2015 und 2016 gibt es aber auch hier einen großen Unterschied. Er heißt Einheitselektronik und begrenzt die Optionen von Honda massiv. "Das Motoren-Management hat sich durch die neue Software geändert", bestätigt Pedrosa. Für ihn und sein Team definitiv nicht zum Besseren.

Pedrosa bekommt die RC213V nur schwer unter Kontrolle, Foto: HRC
Pedrosa bekommt die RC213V nur schwer unter Kontrolle, Foto: HRC

Sorgen bereitet das Honda vor allem, weil die Elektronik an einer MotoGP-Maschine ja nicht nur triebwerksrelevante Dinge wie die Motorbremse regelt, sondern in praktisch jeder Situation eingreift, sei es nun beim Anbremsen, in Schräglagen oder am Kurvenausgang. "Vor allem die Traktionskontrolle muss besser werden", meint Pedrosa. "Das Mapping ist aber insgesamt noch nicht ideal." Marquez konnte in diesem Bereich auf Phillip Island zumindest einen leichten Fortschritt erkennen: "Wir konnten uns schon verbessern. Jetzt haben wir zumindest eine Basis, auf der wir aufbauen können. In Sepang waren wir ja noch vollkommen verloren." Nun gilt es für Honda, die angeblichen Fortschritt zu bestätigen. Gelegenheit dazu gibt es beim finalen Vorsaisontest von 2. bis 4. März in Katar.