Sicherheitsrisiko, gewaltiger Rückschritt, eine Zeitreise in die Urzeit der MotoGP-Elektronik - die ab 2016 verpflichtende Einheitssoftware in der Königsklasse musste nach den ersten Testfahrten im November harte Kritik über sich ergehen lassen. Vor allem die Spitzenpiloten der letzten Jahre wie Marc Marquez oder Jorge Lorenzo und die Hersteller ihrer Bikes Honda und Yamaha wurden nicht müde, den großen Unterschied zwischen den hauseigenen Elektroniklösungen und denen von Einheitslieferant Magneti Marelli herauszustreichen. Deutlich weniger Kritik kam aus den Reihen von Ducati, Suzuki oder Aprilia.

Möglicher Hintergrund: Die japanischen Giganten Honda und Yamaha waren und sind in puncto Elektronik das Maß der Dinge und wollen durch die Einheitssoftware natürlich möglichst wenig von ihrem Vorsprung einbüßen. Daher lobbyiert man bei der FIM und Promoter Dorna weiterhin für eine Aufweichung des bereits fixierten Elektronikreglements und die Zulassung von selbst entwickelten Sensoren. Für KTM-Motorsportchef Pit Beirer ist klar, dass hier der Grund für die heftige Kritik liegt. "Jeder versucht irgendwelche eigenen Sensoren oder Fahrhilfen durchzusetzen, durch die er vielleicht einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz hat. Es wird jetzt wahnsinnig viel mit den Säbeln gerasselt", nimmt er sich im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com kein Blatt vor den Mund.

Von KTM gibt es keine Beschwerden über die Elektronik, Foto: KTM
Von KTM gibt es keine Beschwerden über die Elektronik, Foto: KTM

"Diese Kommentare, dass die Bikes jetzt wie vor acht Jahren sind, habe ich gelesen. Mit den Michelin-Reifen sind es dann wahrscheinlich nochmal acht Jahre mehr und dann sind wir demnach auf dem Stand von 2000. Die Fakten sagen aber, dass in Valencia die Pole Position bei 1:30.0 war und die Bestzeit bei den Testfahrten 1:31.0. Wir sprechen also mit angeblich katastrophalen Reifen und katastrophaler Elektronik von einer Verschlechterung im Bereich einer Sekunde. Das ist doch alles ein Witz", ärgert sich Beirer.

Beirer erwartet gleiche Pace wie 2015

Die derzeit gegenüber den 2015er-Zeiten noch fehlende Sekunde sei schnell wettgemacht, Ängste vor einem Prestigeverlust durch zu wenig Performance wie in der Formel 1 daher unberechtigt, ist Beirer überzeugt: "Ich garantiere jetzt schon, dass nächstes Jahr in Valencia im Renntrimm die Zeiten von diesem Jahr gefahren werden. Die neue Elektronik wird funktionieren und die neuen Reifen genauso. Für uns klappt das jetzt in der Testphase schon alles tadellos. Die Diskussion ist daher völlig sinnlos."

KTM testete bisher in Spielberg und Valencia, Foto: KTM Philip Platzer
KTM testete bisher in Spielberg und Valencia, Foto: KTM Philip Platzer

Dennoch könnten die Versuche aus Richtung Honda und Yamaha am Ende von Erfolg gekrönt sein, das weiß auch Beirer. Das würde wieder einen massiven Nachteil für Ducati, Suzuki, Aprilia oder KTM bedeuten, dass 2017 den Einstieg in die MotoGP wagt. Die Österreicher hatten wiederholt bestätigt, dass die Einführung einer vollkommen einheitlichen Elektronik einer der Hauptgründe für das Engagement in der Königsklasse war. Die Kosten in diesem Sektor seien für ein vergleichsweise kleines Unternehmen wie KTM nur schwer zu stemmen. Beirer hat deshalb einen klaren Wunsch in Richtung der Entscheidungsträger: "Ich kann die Dorna nur bitten, auf ihrem strikten Weg zu bleiben."