Nur um Haaresbreite verfehlte Valentino Rossi 2015 seinen zehnten WM-Titel insgesamt und seinen achten in der Königsklasse. Der Doktor zeigte konstant hervorragende Leistungen in den Rennen, was man ihm angesichts seines fortgeschrittenen Rennfahrer-Alters nur noch bedingt zugetraut hatte. Motorsport-Magazin.com wirft einen Blick zurück auf das Jahr des Yamaha-Piloten:

Der Fahrer

Eigentlich ist schon alles zu Valentino Rossi gesagt worden, was gesagt werden musste. Der Doktor ist ein Phänomen, er absolvierte 2015 seine 20. Saison in der Motorrad-WM und war stärker als je zuvor. Mit 36 Jahren zeigte Rossi der deutlich jüngeren Konkurrenz noch einmal ihre Grenzen auf. Die auch dem Alter geschuldete Schwäche im Qualifying hielt Rossi nicht davon ab, jedes einzelne Rennen in diesem Jahr in den Top-5 zu beenden. Beeindruckend vor allem die Podiumsserie des Doktors. In den ersten zwölf Rennen des Jahres fand nie eine Siegerehrung ohne Rossi statt, saisonübergreifend fuhr er gar 16 Mal in Folge auf das Podest.

Vier dieser zwölf Rennen entschied Rossi für sich. Die logische Konsequenz: Der Doktor führte das Gesamtklassement praktisch über die gesamte Saison an. Nur nach Brünn und nach dem Finale von Valencia lag Rossi nicht auf dem ersten WM-Rang. Die Krönung blieb dem Doktor also verwehrt. Einerseits, weil Jorge Lorenzo ebenso brillant unterwegs war in diesem Jahr, andererseits brachte Rossi im Zuge des Sepang-Clashs Marc Marquez gegen sich auf. Rossi hielt am Ende bei 325 Punkten in der Gesamtwertung, sechs Zähler hatten ihm zum Titel gefehlt.

Das Motorrad

Hatte man nach den schwachen Testleistungen vor der Saison noch Bedenken, überhaupt mit Honda und Ducati mithalten zu können, so zeigte der Saisonverlauf doch, dass die Yamaha M1 das überlegene Bike 2015 war. Die bekannten Vorteile in den Kurven konnte man konservieren, und durch die Motorencharakteristik der M1 hatte man auch nicht mit einer zu aggressiven Leistungsentfaltung zu kämpfen. Diese Eigenschaft kostete Marc Marquez viele Punkte und am Ende auch die WM-Chance. So waren es Valentino Rossi und Jorge Lorenzo, die die Saison 2015 diktierten und für Yamaha alle drei WM-Titel in der Fahrer-, Hersteller- und Teamwertung sicherstellten.

Jorge Lorenzo und Valentino Rossi holten für Yamaha alle drei WM-Kronen 2015, Foto: Yamaha
Jorge Lorenzo und Valentino Rossi holten für Yamaha alle drei WM-Kronen 2015, Foto: Yamaha

Rossis Highlight

Arm an Höhepunkten war das Jahr 2015 des Doktors gewiss nicht. Er feierte herausragende Siege in Katar, Argentinien und Silverstone. Dennoch schwebt die Glanzleistung von Assen über allen anderen Rennwochenenden Rossis in der abgelaufenen Saison. Beim Rennen zuvor in Barcelona verkürzte Jorge Lorenzo seinen WM-Rückstand auf ein mickriges Pünktchen, sodass es für Rossi an der Zeit war, nach vier Siegen in Folge des Teamkollegen zurückzuschlagen. Daran ließ er an keiner einzigen Sekunde des Assen-Wochenendes Zweifel aufkommen.

In Assen zwang Rossi Marquez in der letzten Kurve des Rennens in die Knie, Foto: Tobias Linke
In Assen zwang Rossi Marquez in der letzten Kurve des Rennens in die Knie, Foto: Tobias Linke

Im ersten und dritten freien Training holte Rossi seine einzigen Trainingsbestzeiten des Jahres, seine einzige Pole-Position 2015 und die 61. seiner Karriere folgte im Qualifying. Gipfeln sollte das überragende Wochenende Rossis jedoch im packenden Zweikampf gegen Marc Marquez im Rennen. Rossi zog alle Register, um Marquez entscheidend abschütteln zu können, doch der Spanier blieb ihm auf den Fersen. Die letzte Schikane musste für die Entscheidung herhalten - und Rossi ging dabei als Sieger hervor. Der 111. Sieg seiner glorreichen Laufbahn war eingetütet.

Rossis Lowlight

Ab der Woche zwischen Phillip Island und Sepang war Rossi nicht mehr wiederzuerkennen. Er fühlte sich hintergangen und begann, Marquez Schützenhilfe für Lorenzo in Australien vorzuwerfen. Dabei redete sich Rossi am Donnerstag vor dem Malaysia-GP gegenüber Medienvertretern derart in Rage, dass er auch auf persönlicher Ebene Giftpfeile in Richtung Marquez schoss. Der Spanier ließ sich das nicht gefallen und gab die Antwort auf der Strecke bei den Rennen in Sepang und Valencia. In Malaysia verstrickte Marquez Rossi mit mehreren haarigen Manövern in den unsäglichen Sepang-Clash.

Der schwarze Fleck in Rossis Saison und seiner Karriere: Der Sepang-Clash, Foto: Milagro
Der schwarze Fleck in Rossis Saison und seiner Karriere: Der Sepang-Clash, Foto: Milagro

Beim Finale in Valencia spielte Marquez Straßensperre hinter Lorenzo und nahm dabei sogar auf den eigenen Teamkollegen keine Rücksicht. Rossi, der das Finale nach der Kollision in Malaysia von ganz hinten aus angehen musste, hatte so keine wirkliche Chance mehr, den historischen zehnten Titel zu erringen, trotz eines 7-Punkte-Vorsprungs noch vor dem letzten Rennen. Die Schlussphase 2015, sie wirft einen riesigen Schatten auf Rossis großartige Saison und seine große Karriere.

Statistiken zu Rossis Saison 2015

KategorieValentino Rossi
Siege4 (QAT, ARG, NED, GBR)
Podien15
Beste Platzierung1. (QAT, ARG, NED, GBR)
Ausfälle0
Schnellste Runden4
Punkte325
Gesamtposition2.
Poles1 (NED)
Erste Reihe5 (NED, CZE, RSM, JPN, MAL)
Bester Startplatz1. (NED)
Trainingsbestzeiten2 (FP1 NED, FP3 NED)