Kann Valentino Rossi bei seiner geplanten Aufholjagd am Sonntag in Valencia auf Schützenhilfe bauen? Der WM-Führende muss aufgrund seiner Strafe aus Sepang im Finale vom letzten Startplatz ins Rennen gehen. Doch wie weit vorne kann er bis zur Zielflagge landen? Wer könnte sich als Helfer entpuppen, wer als Hindernis?

Aufgebrachte Fans hatten in den Tagen seit Sepang mit diversen Aufforderungen an die MotoGP-Fahrer aufhorchen lassen. Die Wortmeldungen gingen von "Alle Fahrer sollen Rossi passieren lassen" bis "Irgendjemand soll Lorenzo und/oder Marquez aus dem Rennen schießen". Nachzügler Anthony West brachten derartige Aussagen sogar so auf die Palme, dass er sich auf Facebook öffentlich dazu äußerte.

"Ich lebe alleine in Europa ohne eine Partnerin oder Freunde, nur um MotoGP fahren zu können. Rossi verdient Millionen, ich fahre für null Euro. Ich bin pleite und versuche nur, mich irgendwie bis zum nächsten Rennen durchzuschlagen. Und ihr wollt, dass ich einfach ausweiche und kein richtiges Rennen fahre? Sicher nicht!", entgegnete der Australier den Bitten von Rossi-Fans.

Am Sonntag wird es auf der Strecke rund gehen, Foto: Yamaha
Am Sonntag wird es auf der Strecke rund gehen, Foto: Yamaha

Mehrfach Schützenhilfe beim Finale

Hilfestellungen in finalen Titelschlachten wären dabei kein Novum. Denn 1982 verhalf eine Armada an französischen Fahrern durch Geleitschutz Jean-Louis Tournadre zum 250cc-Titel im Duell mit Toni Mang. Acht Jahre später blockierte eine Fraktion Italiener den Holländer Hans Spaan beim Finale, sodass dieser den Titel in der Achtelliterklasse letztlich Loris Capirossi überlassen musste. Könnten sich derartige Geschichten am Sonntag wiederholen?

Motorsport-Magazin.com hat bei einigen Gegnern nachgefragt, wie sehr sie sich im Duell mit Rossi wehren würden oder überhaupt können. "Ich weiß nicht, wie ich reagieren werde", sagte Stefan Bradl, dessen Aprilia Rossi wohl recht früh im Rennen begegnen wird. "Ehrlich gesagt, bin ich nicht der Typ, der ihm groß im Weg herumstehen will. Er ist schneller als ich und wird im Normalfall das Rennen auch vor mir beenden. Ich werde ihn nicht vorbeiwinken, aber ich habe wohl keine große Chance gegen ihn."

Suzukis Maverick Vinales sieht die Sache ähnlich: "Ich denke nicht, dass er Probleme haben wird, mich zu überholen. Er muss sich höchstens 14 Kurven gedulden, ehe er auf der Geraden ohnehin an mir vorbeizieht. Das wird kein schwieriges Unterfangen für ihn", ist sich der Katalane sicher.

Keine Ansage von Yamaha an Tech 3

Etwas kniffliger ist die Situation für Bradley Smith. Der Brite steht beim Yamaha-Kundenteam Tech 3 unter Vertrag und fährt somit eine ähnliche Maschine wie Rossi. "Man muss smart und intelligent agieren. Sollte mich Valentino schon vor der zehnten Runde einholen, würde das bedeuten, dass er mit unglaublicher Geschwindigkeit durch das hintere Feld gepflügt ist. Dann hätte es wohl keinen Sinn, sich ihm in den Weg zu stellen", gibt Smith offen zu.

Rossi muss eine ganze Armada an Gegnern überholen, Foto: Bridgestone
Rossi muss eine ganze Armada an Gegnern überholen, Foto: Bridgestone

"Aber sobald er mich überholt, werde ich mich natürlich an seinen Hinterreifen heften. Und sollte sich in der letzten Runde eine Chance zum Überholen bieten, werde ich Valentino so wie jeden anderen Gegner auch behandeln", so der Brite weiter. Einen durch Yamaha ausgesprochenen Nichtangriffspakt oder gar eine Ansage, Rossi vorbei zu lassen, gab es bislang nicht. "Yamaha hat so viel Respekt vor uns, dass sie das nicht verlangen würden."

Wie reagieren Iannone und Marquez?

Zum Zünglein an der Waage könnte am Ende die Ducati-Fraktion werden. Vor allem Andrea Iannone zeigte am Freitag eine starke Performance und kostete Rossi bereits auf Phillip Island wertvolle Punkte. Dass der Italiener im Rennen für seinen Landsmann Partei ergreift, kommt für Iannone aber nicht in die Tüte. "Vale helfen? Nein, das werde ich nicht", stellte der Ducati-Werkspilot klar. "Ich habe nur meinen Kampf mit Dani um Rang vier in der WM im Kopf. Für mich hat es Priorität, ihn im Rennen zu schlagen. Dieser Kampf ist für mich das Wichtigste."

Rossi wird sich am Sonntag also als Einzelkämpfer durchschlagen. Und vielleicht ist es am Ende ja ausgerechnet die Marquez-Fraktion bei Honda, die zum Steigbügelhalter für seinen zehnten WM-Titel wird. Denn sollte Jorge Lorenzo am Sonntag nur Dritter werden, würde Rossi schon Platz sechs zum Triumph genügen. Und Honda kündigte bereits durch Livio Suppo am Donnerstag an: "Am liebsten würden wir hier einen Doppelsieg einfahren. Dann kann uns niemand unterstellen, dass wir beim Finale in irgendeiner Art und Weise in den WM-Kampf eingegriffen haben."