Es wäre der krönende Abschluss eines unvergesslichen Jahres: Der zehnte WM-Titel für Valentino Rossi. Damit würde sich der Italiener im fortgeschrittenen Sportler-Alter von 36 Jahren endgültig als größter Fahrer aller Zeiten auf dem MotoGP-Olymp verewigen. Doch die Vorzeichen könnten für den Yamaha-Piloten ungünstiger nicht sein, denn der CAS bestätigte vor wenigen Stunden die Strafe der Rennleitung aus Malaysia, sodass Rossi in Valencia von ganz hinten starten muss.

Auch die Reaktion der Fans in den Sozialen Netzwerken fällt zwiegespalten aus. Die eine Seite zeigt sich trotzig und kommentiert auf sämtlichen Kanälen nach dem Motto "Jetzt erst recht". Auf der anderen Seite herrscht Resignation vor. Viele Fans schreiben den Titel jetzt schon ab, bevor sich überhaupt ein Rädchen in Valencia gedreht hat, und zeigen sich enttäuscht über die Entscheidung des CAS. Manche wittern gar eine spanische Verschwörung gegen Rossi.

Rossi: Kehrt sich sein Titelpech aus 2006 um?

Den Pessimisten sei gesagt: Noch ist nicht aller Tage Abend! Rossi führt die WM immer noch mit sieben Punkten Vorsprung an. Ein Blick in die eigene Karriere des Doktors verrät, dass in Valencia noch alles möglich ist. Dazu muss nur an die Jahre 2006 und 2007 erinnert werden, auch wenn das den Rossi-Fans Schmerzen bereitet. 2006 kam Rossi als WM-Spitzenreiter mit acht Punkten Vorsprung zum Finale nach Spanien. 30 Runden später hieß der Weltmeister jedoch Nicky Hayden. Rossi stürzte im Rennen und wurde im Anschluss nur 13., während der Amerikaner als Dritter auf das Podest fuhr.

Rossi verlor den Titel 2006 in Valencia - dieses Mal kann er von ganz hinten noch der große Gewinner werden, Foto: Yamaha
Rossi verlor den Titel 2006 in Valencia - dieses Mal kann er von ganz hinten noch der große Gewinner werden, Foto: Yamaha

Nicht mehr ganz so gut haben die Fans möglicherweise Valencia 2007 in Erinnerung. Rossi lag vor Valencia auf dem zweiten WM-Rang und kam mit 24 Punkten Vorsprung auf Dani Pedrosa zum Finale. Im Training stürzte Rossi und verletzte sich an der Hand, wodurch er im Rennen hoffnungslos zurücklag und gegen Rennhalbzeit aufgeben musste. Pedrosa gewann und drehte seinen 24-Punkte-Rückstand auf Rossi um, was dem kleinen Spanier noch die Vizeweltmeisterschaft brachte. Vor dem Wochenende wurde es nur mehr als "rein mathematisch möglich" abgestempelt, dass Pedrosa dem Doktor noch WM-Position zwei abluchsen kann. Das Glück könnte also diesmal Rossi auch von ganz hinten noch in die Karten spielen.

Chaotischer Rennverlauf in Valencia spielt Rossi in die Karten

Doch nicht nur das Schicksal des Doktors könnte für Rossi ein gutes Ende bereit halten. Der Valencia-GP selbst sorgte in der Vergangenheit zum Teil für dramatische Rennverläufe. Unvergessen der Moto2-Sieg von Marc Marquez aus dem Jahre 2012. Der Spanier siegte im Regen vom letzten Startplatz aus. In der Presserunde am Donnerstag vor dem Rennen machte Marquez den Rossi-Fans zusätzlich Hoffnung: "In Katar war ich auch nach der ersten Kurve ganz hinten und bin noch Fünfter geworden!" Sollte Rossi auf dieser Position ins Ziel kommen, muss Jorge Lorenzo auf jeden Fall Zweiter werden.

Dani Pedrosa gewann 2012 aus der Boxengasse - Rossi kann eine ähnliche Aufholjagd schaffen, Foto: Honda
Dani Pedrosa gewann 2012 aus der Boxengasse - Rossi kann eine ähnliche Aufholjagd schaffen, Foto: Honda

Rossi ist eine ähnlich starke Aufholjagd auf jeden Fall zuzutrauen. Im MotoGP-Rennen gewann 2012 Dani Pedrosa - nach Start aus der Boxengasse! Dass das Rennen in Valencia und die Weltmeisterschaft auch wirklich erst dann vorbei sind, wenn die Zielflagge fällt, daran sei auch mit Blick auf die 2011er-Ausgabe der MotoGP erinnert. Ben Spies kam damals als Führender aus der letzten Kurve und wurde im Zielsprint noch von Casey Stoner abgefangen. Der Australier siegte hauchdünn mit 15 Tausendstel Vorsprung.

Valencia: Letzte dramatische Wendung der Saison 2015?

Prognosen zu treffen, das war in dieser Saison ein sehr gewagtes Unterfangen. Das MotoGP-Jahr 2015 war voll mit überraschenden Wendungen, immer neuen Höhepunkten und unvorhersehbaren Ereignissen. Wer hätte beispielsweise vor dem Saisonstart gedacht, dass Dani Pedrosa bereits nach dem ersten Rennen eine weitere Armpump-OP über sich ergehen lassen muss und danach nochmal derart stark zurück kommt? Dass Andrea Dovizioso in Mugello bis zum Rennen das Wochenende seines Lebens hinlegt? Dass sich Marc Marquez durch selbstverschuldete Stürze selbst aus dem WM-Rennen nimmt? Oder dass Suzuki mit einer Doppel-Pole in Barcelona glänzt?

Rossi und Lorenzo lieferten sich 2015 ein Kopf-an-Kopf-Rennen - das Pendel kann in Valencia sehr wohl wieder pro Rossi ausschlagen, Foto: Tobias Linke
Rossi und Lorenzo lieferten sich 2015 ein Kopf-an-Kopf-Rennen - das Pendel kann in Valencia sehr wohl wieder pro Rossi ausschlagen, Foto: Tobias Linke

Diese Saison schaukelte sich von Rennen zu Rennen immer weiter hoch. Argentinien, Assen, Silverstone, Misano, Phillip Island, Sepang. Besonders in der Schlussphase der Saison war das Staunen über das Niveau an der Spitze groß. Vor jedem Rennen lautete die Frage: Kann es denn bitte noch besser werden? Und jedes Mal wieder wurden die Ereignisse vom jeweils vorangegangenen Rennen übertroffen. Die Saison 2015 hat viele Höhepunkte und Wendungen gesehen. Es wäre nicht verwunderlich, wenn in Valencia ein weiteres, ein finales Kapitel hinzukommen würde. Mit einem nach der Strafe aus Sepang fast nicht mehr für möglich gehaltenen zehnten WM-Titel des Doktors.