So viel Zündstoff bot wohl noch kein Qualifying-Tag der MotoGP-Geschichte. Die Stimmung am Sepang International Circuit war elektrisierend, die Spannung zwischen den Akteuren spürbar. Zu viel war in den letzten Tagen passiert, um einfach zur Tagesordnung überzugehen. Die Diskussion über anscheinende Schützenhilfe von Marc Marquez für Jorge Lorenzo hat den Titelkampf auf ein völlig neues Niveau gehoben. Ab jetzt wird mit harten Bandagen gekämpft und das nicht erst im Rennen. Schon in den Freien Trainings bekriegten sich die Stars auf der Strecke. Wir haben für euch die Höhepunkte dieser Schlacht gesammelt:

Rossi und Marquez belagern sich

Was hat Valentino Rossi seinem früheren Kumpel Marc Marquez vor diesem Wochenende nicht alles vorgeworfen? Er würde sich im Titelkampf parteiisch verhalten, er sei stur wie ein Kind und habe mit Rossi ein falsches Spiel gespielt. Marquez reagierte ruhig, streute in seine Aussagen aber auch immer wieder Spitzen gegen Rossi ein. Dieses passiv aggressive Verhalten setzte er auch im dritten Freien Training fort. Er verfolgte Rossi auf der Strecke, was dem natürlich gar nicht gefiel. "Ich habe einfach nur hinter ihm gewartet", schmunzelte Marquez.

Im vierten Freien Training wiederholte sich die Situation. Marquez kam aus der Boxengasse so auf die Strecke, dass er sich direkt hinter Rossi einordnen konnte. Der erkannte die Situation und brach erneut genervt eine Runde ab.

Lorenzo wirft die Nerven weg

Jorge Lorenzo stürzt selten. Sehr selten. Wenn er crasht, dann meist unter Druck. Das hat er dieses Jahr bereits in Misano gezeigt und auch am Samstag in Sepang passierte es. Lorenzo übertrieb es beim Anbremsen zur Haarnadelkurve vor der Start-Ziel-Geraden und rutschte über das Vorderrad weg. Er verpasste somit einen Großteil des so wichtigen vierten Freien Trainings. Das war eindeutig nicht die Vorbereitung auf das Rennen, die sich Lorenzo gewünscht hatte.

Marquez zieht Lorenzo, Rossi hängt sich an Iannone

Nach Meinung von Valentino Rossi hilft Marc Marquez also Jorge Lorenzo. Nun, wie kann man das im Qualifying am besten machen? Richtig, mit einem Windschatten. Exakt den lieferte Marquez Lorenzo am Beginn von Q2. Marquez rechtfertigte sich: "Ich wollte drei Reifen im Qualifying verwenden und musste daher sofort auf die Strecke, sonst wäre sich das zeitlich nicht ausgegangen. Da hat sich Jorge hinter mich gehängt. Ich musste aber dennoch pushen, sonst hätte ich einen Reifen verloren."

Was Lorenzo kann, kann aber natürlich auch Rossi. Der klemmte sich kurz darauf in den Windschatten seines Landsmann Andrea Iannone und ließ sich von dem eine Runde lang um die Strecke ziehen. "Das war ein reiner Zufall", betonte Rossi anschließend. "Aber ich habe mich gefreut, im Qualifying mal hinter ihm fahren zu können. Sonst ist es immer umgekehrt."

Beinahe-Abflug von Marquez

Nachdem er in den Trainings noch so cool mit Valentino Rossi gespielt hatte, kam dann im Qualifying anscheinend auch Marc Marquez an seine nervlichen und fahrerischen Grenzen. Im ersten Outing von Teamkollege Dani Pedrosa distanziert ging Marquez in seinem zweiten Versuch volles Risiko und wäre in Kurve zwölf fast gestürzt. Er war am Eingang deutlich über dem Limit, das Vorderrad klappte ein. In seiner unnachahmlichen Weise find Marquez seine Honda mit Knie und Ellbogen ab und konnte einen Sturz vermeiden, das Qualifying war aber mehr oder weniger gelaufen. "Nach diesem Moment fehlte mir einfach das Selbstvertrauen", gestand Marquez.

Lorenzo blamiert sich

Einen ganz peinlichen Moment erlebte Jorge Lorenzo nach dem Qualifying. Als er seine letzte gezeitete Runde in Q2 beendete lag er auf dem dritten Rang. Das konnte er natürlich auch selbst auf seinem Dashboard oder den Videowalls sehen und wähnte sich in Sicherheit. So machte sich Lorenzo als seiner Meinung nach Dritter auf den Weg in den Parc fermé, wo nach Qualifying und Rennen ja jeweils die Top-Drei zu Interviews gebeten werden. Doch als er dort anrollte, den Motor bereits abgestellt, wies man ihn höflich daraufhin, dass er nur auf Platz vier stehen würde. Rossi hatte ihn im letzten Umlauf noch abgefangen. Kopfschüttelnd schob Lorenzo sich und seine Yamaha mit einigen Fußstößen vorwärts, bevor ihm seine Crew unter dem schallenden Gelächter der Fans auf der Tribüne gegenüber zur Hilfe eilten.