Steht der große Showdown bevor? Kämpfen Valentino Rossi und Jorge Lorenzo am Sonntag in einem direkten Zweikampf auf der Strecke um den Weltmeistertitel? Das zu prognostizieren wäre nach den überraschenden Wendungen der letzten Tage und Woche mehr als gewagt, doch die Chancen darauf stehen zumindest gut. Nicht nur weil Rossi und Lorenzo in der Startaufstellung nur durch einen Rang getrennt sind, sondern weil sie auch in puncto Renn-Pace kaum etwas voneinander trennt. Doch welche Rolle spielen die Honda-Piloten Dani Pedrosa und Marc Marquez auf den Startplätzen eins und zwei. Das und noch mehr erfahrt ihr in unserem Favoriten-Check:

Dani Pedrosa: Mit einem neuen Pole-Rekord von 1:59.053 Minuten krallte sich Dani Pedrosa am Samstag Startplatz eins, mehr als vier Zehntel vor dem Rest des Feldes. Das alleine würde ihn wohl schon in die Favoritenrolle für das Rennen am Sonntag befördern, doch wirklich beeindruckend war Pedrosas Performance im vierten Freien Training. Nicht nur, dass er auch dort mit deutlichem Abstand (-0,322 Sekunden auf Marc Marquez) die schnellste Runde fuhr. Er legte auch im Longrun die beste Pace an den Tag.

Pedrosa war am Samstag überragend unterwegs, Foto: Repsol Media
Pedrosa war am Samstag überragend unterwegs, Foto: Repsol Media

Pedrosa, Marquez und Rossi wählten in dieser Session allesamt dieselbe Strategie. Sie gingen für zwei Runs auf die Strecke und drehten einmal vier, einmal fünf schnelle Runden. Pedrosa war in diesen neun Umläufen nie langsamer als 2:01.683, der Rest seiner Runden waren niedrigen 2:01er oder, mit Ausnahme seiner Bestzeit, hohe 2:00er. Werte, die außer ihm kein Pilot erreichen konnte. Nach seinen starken Rennen in der jüngsten Vergangenheit, wie in Motegi oder Aragon, muss man Pedrosa zutrauen, diese Pace im Rennen auch tatsächlich umsetzen zu können. Sollte das wirklich der Fall sein, ist er nur ganz schwer zu schlagen. Marquez schiebt Pedrosa auf jeden Fall schon einmal die Favoritenrolle zu: "Dani ist aktuell am stärksten unterwegs."

Marc Marquez: Bei den Testfahrten in Sepang vor Saisonbeginn war Marquez über eine schnelle Runde der klar schnellste Mann auf der Strecke. Dass er hier nach wie vor richtig flotte Umläufe auf den Asphalt zaubern kann, zeigte er auch nun am Samstag. Fünf Mal blieb er in FP4 unter der Marke von 2:01 Minuten. Das schaffte außer ihm keiner. Marquez hatte aber auch relativ viele Ausreißer. Obwohl er gehofft hatte, dass ihm die große Hitze in Sepang in die Hände spielen würde, sehen wir wohl auch dort wieder den gewohnten Marc Marquez der Saison 2016 - pfeilschnell, aber eben auch fehleranfällig. Vor allem in den harten Anbremszonen am Ende der langen Geraden hatte er immer wieder Probleme. Wenn Pedrosa jemand im Kampf um den Sieg fordern kann, dann wird es wohl Marquez sein, der aber ebenso gut zum sechsten Mal 2015 ein Rennen im Kies beenden könnte.

Marquez fährt in Sepang gewohnt aggressiv, Foto: Repsol Media
Marquez fährt in Sepang gewohnt aggressiv, Foto: Repsol Media

Valentino Rossi: Seine letzte Runde im Qualifying, die ihm schließlich Rang drei einbrachte, mag unerwartet gekommen sein und Rossi in eine noch bessere Ausgangsposition gebracht haben, auf der Rechnung hätte man ihn aber auch sonst haben müssen. Am Freitag machte sich der Altmeister noch Sorgen über das Setup seiner Yamaha M1, doch im dritten Freien Training fanden er und seine Crew eine Lösung für seine Probleme und Rossi konnte wieder richtig Gas geben. "Wir haben einen Riesenschritt gemacht", freute er sich anschließend. Mit der neu gefundenen Abstimmung fühlte sich Rossi im vierten Training pudelwohl. Er kam zwar nicht ganz an die Zeiten von Pedrosa und Marquez heran, war aber im Gegensatz zum zweitgenannten überaus konstant unterwegs. Rossi meinte am Samstagabend, er könne am Sonntag wohl noch einmal etwas zulegen und das Setup der M1 verfeinern. Spielt ihm der Rennverlauf in die Hände, hat Rossi Chancen auf den Sieg. Aktuell sieht er aber wie die klare Nummer drei hinter den beiden Werks-Hondas aus. Eine Position, die Rossi in dieser Phase der Weltmeisterschaft durchaus gefallen dürfte.

Rossi zauberte in letzter Sekunde eine persönliche Bestzeit aus dem Hut, Foto: Yamaha
Rossi zauberte in letzter Sekunde eine persönliche Bestzeit aus dem Hut, Foto: Yamaha

Jorge Lorenzo: In Sepang sollte Jorge Lorenzo Punkte auf Valentino Rossi gutmachen, will er sich eine halbwegs gute Ausgangsposition für das große Finale in Valencia bringen. Aktuell ist aber genau das Gegenteil der Fall. Im Qualifying unterlag Rossi knapp aber doch. Hinzu kommt, dass er im vierten Training, dass so entscheidend für eine gute Rennvorbereitung ist, schon nach zwei schnellen Runden in der Haarnadel vor Start und Ziel im Kies landete und so viel Zeit verlor. Nur eine flotte Runde, insgesamt in der Session also drei, konnte Lorenzo noch drehen. Diese lagen im niedrigen bis mittleren 2:01er-Bereich, lassen aber wohl wenige Schlüsse über die Konstanz Lorenzos zu. Natürlich, mit einem seiner gewohnt guten Starts kann Lorenzo auch gewinnen. Geht er aber nicht sofort in Führung, wird es am Sonntag wohl ganz schwer für ihn werden. Ein weiterer, vielleicht entscheidender, Punkteverlust auf Rossi droht.

Bei Lorenzo war der Ärger nach dem verpatzten Qualifying groß, Foto: Milagro
Bei Lorenzo war der Ärger nach dem verpatzten Qualifying groß, Foto: Milagro

Die anderen Fahrer: Wer kann die Big-Four stoppen? Am ehesten wohl noch Andrea Iannone, der von Startplatz sechs ins Rennen geht und auf Phillip Island bewiesen hat, dass er mit Lorenzo, Marquez und Rossi an einem guten Tag auch über die volle Renndistanz mithalten kann. Iannone verfügt auf den langen Geraden natürlich wieder über seinen Joker, dem sensationellen Topspeed seiner Ducati-Rakete. Cal Crutchlow zeigte auf Rang fünf zwar ein bärenstarkes Qualifying, im Rennen hat er den großen Stars aber vermutlich nichts entgegenzusetzen.

Die Tipps der Redaktion

Tobias Ebner: Mit Prognosen muss man in der MotoGP mittlerweile äußerst vorsichtig sein. Expect the unexpected müsste eigentlich die Devise lauten. Was man aber herauslesen kann aus dem bisherigen Wochenende: Dani Pedrosa ist bärenstark unterwegs! Deshalb ist er mein Sieg-Favorit für das Rennen. Bei all den Psychospielchen auf und neben der Strecke, und bei dem Niveau, auf dem wir mittlerweile angekommen sind, ist ALLES möglich. Mein Gefühl sagt mir für morgen: Die Reihenfolge hinter Pedrosa wird im Ziel Marquez - Rossi - Lorenzo lauten. Ohne Gewähr!

Tobias' Top-3-Tipp: 1. Pedrosa 2. Marquez 3. Rossi

Chris Lugert: Dani Pedrosa wird das Rennen gewinnen - es interessiert nur keinen. Denn entscheidend ist natürlich das Titelduell zwischen Jorge Lorenzo und Valentino Rossi. Der Doktor steht sogar in der Startaufstellung vor dem Spanier, wer hätte das denn bitte gedacht? Im Rennen ist er sowieso eine Macht und nachdem sich Marquez und er zuletzt gut verstanden hatten, schickt Rossi den noch amtierenden Champion in den malaiischen Kies und wird Zweiter, Lorenzo beendet das Rennen als Dritter. Und Rossi geht mit 15 Punkten Vorsprung ins Finale nach Valencia.

Chris' Top-3-Tipp: 1. Pedrosa 2. Rossi 3. Lorenzo

Die Redaktion hat einen großen Favoriten: Dani Pedrosa, Foto: HRC
Die Redaktion hat einen großen Favoriten: Dani Pedrosa, Foto: HRC

Michael Höller: Dani Pedrosa ist an den heißen Nachmittagen bislang der Beste. Dahinter werden sich wohl Marc Marquez und Jorge Lorenzo um Platz zwei duellieren. Valentino Rossi sehe ich diesmal nicht auf dem Podium. Er lieferte zwar eine starke Quali-Runde, aber ob die Pace mit Honda und dem eisernen Willen von Lorenzo mithalten kann, wage ich zu bezweifeln. Vielleicht gehtja auch sein verbaler Schuss auf Marquez nach hinten los.

Michaels Top-3-Tipp: 1. Pedrosa 2. Lorenzo 3. Marquez

Andrea Blendl: Nach seiner heutigen Vorstellung, wo er die Konkurrenz im Renntrimm und im Qualifying hinter sich lassen konnte, rechne ich morgen ganz stark mit Dani Pedrosa. Ich lehne mich sogar so weit aus dem Fenster, dass er gewinnen wird, wenn die Wetterbedingungen ähnlich bleiben. Um Platz zwei sehe ich zu Anfang einen Dreikampf zwischen Marc Marquez, Valentino Rossi und Jorge Lorenzo, wobei ich glaube, dass Marquez sich am Ende durchsetzen kann. Wenn Lorenzo die Nerven behält sehe ich ihn als Dritten über die Ziellinie fahren.

Andreas Top-3-Tipp: 1. Pedrosa 2. Marquez 3. Lorenzo

Markus Zörweg: Die Werks-Hondas sind in Sepang nicht zu stoppen. Mit einer ausgezeichneten Performance ihrer Maschinen und dem Vorteil, nicht an die Weltmeisterschaft denken zu müssen, fahren Dani Pedrosa und Marc Marquez in Sepang den ersten Doppelsieg für Honda seit dem Sachsenring ein. Platz eins geht an Pedrosa, Marquez holt Platz zwei. Um Rang drei duellieren sich die WM-Rivalen Rossi und Lorenzo. Die Oberhand behält hier Rossi.

Markus' Top-3-Tipp: 1. Pedrosa 2. Marquez 3. Rossi