Kämpferisch gab sich Alex de Angelis am Dienstagmorgen auf Facebook. "Seid beruhigt, ein DEA gibt nicht auf. Vielen Dank an alle! Ich liebe euch!", schrieb er da unter einem Bild von sich mit hochgestrecktem Daumen. Nichtsdestotrotz ist sein Zustand aufgrund der nach seinem Unfall in Motegi aufgetretenen Hirnblutungen weiterhin kritisch. Motorsport-Magazin.com klärt über den Unfallhergang, die Erstversorgung, das Befinden sowie die Heilungschancen von De Angelis auf:

Wie passierte De Angelis' Unfall in Motegi?

Der grüne Punkt zeigt die Unfallstelle, Foto: Motorsport-Magazin.com
Der grüne Punkt zeigt die Unfallstelle, Foto: Motorsport-Magazin.com

Alex De Angelis stürzte im vierten Freien Training zum Grand Prix von Japan in Motegi am Samstagvormittag. Es gibt keinerlei TV-Bilder und auch keine Amateuraufnahmen von seinem Unfall, er dürfte aber am Kurvenausgang von Turn 9, einer scharfen Linkskurve, die Kontrolle über sein ART-Bike verloren, die Strecke dadurch gekreuzt und auf der gegenüberliegenden Seite in die Leitplanke eingeschlagen sein, wo er regungslos liegen blieb. Der grüne Punkt in unserer Grafik symbolisiert die Unfallstelle.

Welche Verletzungen hat De Angelis erlitten?

Alex de Angelis hat sich bei seinem Sturz den siebten bis zehnten Brustwirbel gebrochen, Quetschungen der Lunge sowie der Nieren zugezogen und Gehirnblutungen erlitten. Die Wirbelverletzungen sollten im Normalfall kein allzu großes Problem darstellen, wie Dr. Philipp Schultes von der Unfallchirurgie im UKH Salzburg gegenüber Motorsport-Magazin.com erklärt: "Aktuell sind die Brüche gar kein Problem, weil der Patient im Krankenhaus ohnehin stabil am Rücken liegt." Ob es zu Lähmungserscheinungen kommt, lässt sich aktuell nicht sagen. Dass De Angelis bereits seine Beine bewegen konnte, sei aber ein sehr positives Zeichen, so Schultes.

Auch die Quetschungen der Lunge und Nieren seien eher unproblematisch, die schwerwiegendste Verletzung eindeutig die Blutung im Gehirn, die man nach einer Computertomografie im Dokkyo-Krankenhaus erkannte.

Wie entsteht eine Hirnblutung in so einem Fall?

Trotz der mittlerweile überaus effektiven Schutzhelme sind Motorradpiloten nicht vor Hirnblutungen gefeit. Diese entstehen prinzipiell gleich wie ein gewöhnlicher blauer Fleck. "Bei einem Einschlag wie dem von Alex De Angelis sind die Beschleunigungskräfte im Hirn derart groß, dass einzelne Blutgefäße abreißen, was zu dieser Blutung führt", erklärt Schultes.

Auch ein Helm bietet keinen vollständigen Schutz, Foto: Milagro
Auch ein Helm bietet keinen vollständigen Schutz, Foto: Milagro

Was passiert, wenn die Blutungen im Schädel zunehmen?

Aktuell sind die Blutungen De Angelis' gleichbleibend, sollten sie aber zunehmen, ist ein operative Eingriff unumgänglich. "Wenn man bei den Computertomografie-Kontrollen sieht, dass das Hirn durch die Blutung nicht mehr genug Platz hat, dann muss der Schädel geöffnet werden", beschreibt Schultes die Vorgehensweise. "Dazu werden entweder auf einer oder beiden Seiten Deckel mit einem Durchmesser von rund acht Zentimetern aus dem Schädel geschnitten." Im Regelfall bleiben diese Stellen dann geöffnet. Wenn die Ärzte erkennen, dass der Bluterguss aber einfach ausgewaschen werden kann, ist auch eine sofortige Wiedereinsetzung der Deckel möglich. "Das lässt sich aber erst erkennen, nachdem man den Schädel geöffnet hat", erläutert Schultes.

Lässt sich De Angelis' Verletzung mit denen von Jules Bianchi oder Michael Schumacher vergleichen?

Darauf lässt sich keine klare Antwort geben. "Das können nur die Ärzte wissen, die den Befund kennen", ist Schultes überzeugt. Viel hänge davon ab, wie groß und an welcher Stelle die Blutung aufgetreten ist. Außerdem spiele es eine große Rolle, ob der Patient einen Kreislaufstillstand erleidet, da dadurch das Risiko eines Hirnschadens zusätzlich zunimmt. "Die Schwere einer solchen Blutung kann sehr unterschiedlich sein."

Jules Bianchi erlag im Juli seinen Schädelverletzungen, Foto: Sutton
Jules Bianchi erlag im Juli seinen Schädelverletzungen, Foto: Sutton

Wieso dauerte es so lange, bevor De Angelis vom Unfallort abtransportiert wurde?

Erst gut 40 Minuten nach seinem Unfall wurde Alex De Angelis mit dem Hubschrauber in das Krankenhaus abtransportiert. Zuerst behandelten ihn die Ärzte 20 Minuten lang direkt an der Unfallstelle, ehe er mit dem Krankenwagen in die Clinica Mobile an der Strecke gebracht wurde. Eine durchaus lange Zeit, aufgrund des japanischen Notarztsystems des 'Stay and Play' aber kein Grund den Helfern einen Vorwurf zu machen, wie Schultes betont: "Es gibt hier zwei unterschiedliche Strategien. Beim 'Scoop and Run' wird der Patient möglichst schnell abtransportiert, da man in einem Krankenhaus einfach bessere Möglichkeiten zu einer Untersuchung oder für einen Eingriff hat. Beim 'Stay and Play' hingegen versucht man, den Patienten so stabil wie möglich zu machen, bevor man mit dem Transport beginnt." In Japan wird eben die zweite Variante praktiziert. "Das ist eine reine Ideologiefrage."

Wie stehen De Angelis Chancen auf eine vollständige Genesung?

Zeit ist hier ein großer Faktor. Normalisiert sich der Zustand De Angelis' innerhalb von zehn bis 14 Tagen, hat er gute Chancen auf ein schadloses Auskommen. "Danach sinkt die Wahrscheinlichkeit deutlich", stellt Schultes fest. Zum aktuellen Zeitpunkt sei aber noch nichts verloren, betont der Unfallchirurg. "Im Moment eine derartige Diagnose zu stellen, wäre unseriös."