In den vergangenen drei Jahren war die oberste Stufe des Podiums in Aragon stets fest in spanische Hand. 2012 siegte Dani Pedrosa, in der Folgesaison Marc Marquez und im letzten Jahr gewann Jorge Lorenzo. Die Chancen stehen gut, dass auch am Sonntag einer aus diesem Trio über den Sieg in der MotoGP-Klasse jubeln darf. Valentino Rossi konnte hingegen noch nie in Aragon gewinnen und aktuell deutet auch so gut wie nichts darauf hin, dass sich das 2015 ändern wird. Wir haben die Big-Four der letzten Jahre in unserem Favoriten-Check unter die Lupe genommen:

Marc Marquez: Dass er auf eine schnelle Runde im Qualifying immer noch ganz klar die Nummer eins der MotoGP-Welt ist, konnte Marc Marquez in Aragon eindrucksvoll beweisen. Gleich in seinem ersten Versuch knallte er die Bestzeit auf den Asphalt, an der sich in der Folge all seine Gegner gehörig die Zähne ausbissen. Da war auch sein Sturz beim letzten Outing egal. Doch das Rennen am Sonntag wird eben nicht mit einer einzigen Fabelrunde gewonnen, 23 pfeilschnelle Umläufe werden nötig sein. Da könnten für Marquez die Probleme gewinnen.

Marquez' Hinterreifen könnte rennentscheidend sein, Foto: Repsol Honda
Marquez' Hinterreifen könnte rennentscheidend sein, Foto: Repsol Honda

Was die reine Pace angeht, fehlten dem amtierenden Weltmeister in den Longrun-Simulationen des vierten Freien Trainings nur Nuancen auf Jorge Lorenzo. Aber eine gesamte Renndistanz wird eben nie simuliert und somit auch nicht der Abbau der Reifen über insgesamt knapp 117 Kilometer. Die Strecke in Aragon gilt als Reifenfresser, vor allem die linke Flanke am Hinterrad leidet durch die extrem langgezogene Zielkurve extrem. Die Honda RC213V, insbesondere mit Marquez an Bord, gilt nicht unbedingt als ideales Motorrad, um mit den Pneus hauszuhalten. "Wir werden versuchen müssen, sehr flüssig zu fahren und so den Reifen zu schonen", ist auch Marquez selbst überzeugt. Seine Erfolgschancen im Rennen stehen und fallen mit dem Verschleiß.

Jorge Lorenzo: Obwohl nur auf Startplatz zwei heißt der große Favorit auf den Rennsieg auch in Aragon Jorge Lorenzo. Keiner war in den Trainings so konstant schnell unterwegs wie der Mallorquiner, konnte in diesem Bereich also an seine Leistungen von Silverstone und Misano anschließen. Da machte ihm jedes Mal das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Sollte das in Aragon nicht passieren, wird der Yamaha-Pilot nur ganz schwer zu schlagen.

Lorenzos Pace ist einmal mehr beeindruckend, Foto: Yamaha
Lorenzos Pace ist einmal mehr beeindruckend, Foto: Yamaha

Doch für die Konkurrenz gibt es einmal mehr Hoffnung in Form des Wettergotts. Am Sonntagnachmittag könnte es in der Gegend um Alcaniz regnen, die Wahrscheinlichkeit wird aktuell mit 60 Prozent beziffert. Kommt es in Aragon zu einem Regenrennen oder einer erneuten Flag-to-Flag-Schlacht, wird Lorenzo schlagartig aus der Favoritenrolle gedrängt, die dann wohl eher Marc Marquez oder Valentino Rossi einnehmen. "Ich hoffe, dass die Sonne scheint, wenn ich am Sonntagmorgen aus dem Fenster sehe", gab Lorenzo selbst unumwunden zu.

Dani Pedrosa: In Alcaniz, nur unweit seiner Heimatstadt Sabadell gelegen, könnte am Sonntag durchaus die große Stunde von Dani Pedrosa schlagen. Seit dem Grand Prix von Tschechien 2014, also deutlich mehr als einem Jahr, hat der kleine Katalane kein MotoGP-Rennen mehr gewonnen. Warum sich das ausgerechnet nun ändern sollte? Nun, niemand konnte in einem Longrun an diesem Wochenende bisher eine schnellere Rundenzeit fahren als Pedrosas 1:48.058. Seine weiteren Umläufe im vierten Training waren zwar nicht ganz so schnell wie die von Marquez oder Lorenzo, dafür aber sogar noch um eine Spur konstanter. Insgesamt hinkt der Mann mit der Nummer 26 im spanischen Dreikampf also bestenfalls minimal hinterher, sein Rückstand ist definitiv nichts, was ein Mann seiner Klasse im Rennen nicht gutmachen könnte. Das hat auch Teamkollege Marc Marquez bereits erkannt: "Nicht nur Jorge ist stark, sondern auch Dani. Auf ihn müssen wir aufpassen." Pedrosa am Sonntag abzuschreiben, wäre in der Tat töricht.

Pedrosa könnte für eine faustdicke Überraschung sorgen, Foto: Repsol Honda
Pedrosa könnte für eine faustdicke Überraschung sorgen, Foto: Repsol Honda

Valentino Rossi: Aus desaströsen Leistungen am Freitag und Samstag im Rennen dann doch noch ein Spitzenresultat zu zaubern, ist 2015 so etwas wie die Spezialität Valentino Rossis geworden. Irgendwie bekam es der Routinier immer wieder hin, seine Yamaha M1 am Sonntag doch noch auf Touren zu bringen und so auf dem Niveau von Marquez, Lorenzo und Co. anzukommen. Das wird auch an diesem Wochenende in Aragon nötig sein, doch Rossi klang am Samstag deutlich weniger optimistisch als man das sonst von ihm gewohnt ist.

Eine halbe Sekunden fehle ihm im Longrun auf die drei Spanier Marquez, Lorenzo und Pedrosa, meinte Rossi. Eine Einschätzung, die absolut ins Schwarze trifft. Vor allem mit nachlassenden Reifen habe er große Schwierigkeiten, den nötigen Grip am Hinterrad zu finden. Letzte Chance für Rossi und seine Crew, die Probleme mit der M1 zu lösen, ist das 20-minütge Warm Up am Sonntagmorgen. "Diese Session wird für uns absolut entscheidend sein", ist auch der Altmeister überzeugt. Dass er hier manchmal noch richtig zaubern kann, hat Rossi schon mehrmals eindrucksvoll bewiesen. Er kann es auch dieses Mal schaffen, doch wird es vielleicht schwerer als je zuvor in dieser Saison.

Rossi müsste einen gewaltigen Sprung machen, um Chancen auf den Sieg zu haben, Foto: Yamaha
Rossi müsste einen gewaltigen Sprung machen, um Chancen auf den Sieg zu haben, Foto: Yamaha

Die anderen Fahrer: Mit Ausnahme der Big-Four ist wohl keinem Piloten der Sieg am Sonntag zuzutrauen. Andrea Iannone zeigte mit Startplatz drei ein hervorragendes Qualifying, wird im Rennen aber wohl seiner Schulterverletzung Tribut zollen müssen und das Tempo an der Spitze nicht mitgehen können. Auch der von Position vier startende Pol Espargaro konnte in seinen bisher 31 MotoGP-Rennen nie die Rennpace an den Tag legen, die für einen Sieg notwendig ist. Es ist zu bezweifeln, dass sich das in Aragon schlagartig ändern wird. Und die Fahrer von Startreihe drei nach hinten haben ihre Chancen wohl schon im Qualifying verspielt.

Die Tipps der Redaktion

Andrea Blendl: Wenn die Strecke trocken bleibt, erwarte ich eine enge Kiste zwischen Marquez und Lorenzo, wobei ich da am Ende eher Marquez vorne sehe, weil er sich über die WM keine Gedanken mehr machen muss und bedingungslos auf Sieg fahren kann. Dritter wird meines Erachtens nach Pedrosa, ich glaube nicht, dass Iannone mit der verletzten Schulter seine Pace aus dem Qualifying das ganze Rennen lang durchhalten kann. Sollte es aber regnen, ist alles möglich - dann muss man auch Rossi auf dem Schirm haben.

Andrea Blendl: 1. Marquez, 2. Lorenzo, 3. Pedrosa

Tobias Ebner: Es riecht morgen nach zwei Zweikämpfen à la Indianapolis an der Spitze. Vorne Lorenzo vs. Marquez, dahinter Rossi vs. Pedrosa. Lorenzo und Marquez haben sich nicht nur im Qualifying als überlegen gegenüber dem Rest des Feldes entpuppt, während Pedrosa und Rossi über das gesamte Wochenende hinweg zwar um ein paar Zehntel langsamer als die Spitze waren, aber dennoch als die einzigen beiden Fahrer im Kampf um das Podest in Frage kommen. Am Ende setzt sich in beiden Fällen der Repsol-Fahrer durch. Sollte es regnen, wird alles wieder komplett durcheinander gewürfelt.

Tobias' Top-3-Tipp: 1. Marquez, 2. Lorenzo, 3. Pedrosa

Marc Marquez ist der Favorit der Redaktion, Foto: Repsol Honda
Marc Marquez ist der Favorit der Redaktion, Foto: Repsol Honda

Sophie Riga:Wenn es tatsächlich wieder regnen sollte, ist mein Favorit ganz klar Rossi. Lorenzo ist zu wasserscheu und auch Marquez hat im Regen bisher keine guten Bilanzen zu verzeichnen. Sollte es nicht regnen, halte ich trotzdem zu Rossi. Gut, vielleicht ist es Wunschdenken, aber ich möchte einfach glauben, dass die Aussicht auf den zehnten Weltmeistertitel den Doktor so motiviert, dass er sich von der dritten Startreihe aus vorkämpft. Marquez darf man nach der Rundenzeit im Qualifying nicht aus dem Blick verlieren. Lorenzo wird das Podium komplettieren.

Sophies Top-3-Tipp: 1. Rossi, 2. Marquez, 3. Lorenzo

Heiko Stritzke: Wenn es wirklich wieder regnen sollte, ist eine korrekte Vorhersage etwa so leicht zu treffen wie Marc Marquez mit verbundenen Augen zu schlagen. Im trockenen Fall dürfte Marquez unantastbar sein. Die Honda-Stärke macht aber auch Rossi zu schaffen, der sich mit Dani Pedrosa herumschlagen muss.

Heikos Top-3-Tipp: 1. Marquez 2. Lorenzo 3. Pedrosa

Markus Zörweg: Nach zwei enttäuschenden Rennen hintereinander schlägt Jorge Lorenzo in Aragon zurück. Der Wettergott schlägt sich dieses Mal auf seine Seite und beschert ihm am Sonntag einen trockenen Grand Prix. Somit ist Lorenzo nicht zu schlagen, auch wenn Weltmeister Marc Marquez lange massive Gegenwehr leistet. Er muss sich schlussendlich aber mit dem zweiten Platz zufrieden geben. Valentino Rossi zaubert im Rennen einmal mehr ein Kaninchen aus dem Hund und sichert sich den dritten Platz, noch vor Dani Pedrosa.

Markus' Top-3-Tipp: 1. Lorenzo, 2. Marquez, 3. Rossi