Jorge Lorenzo hat in Misano nichts riskiert, und trotzdem alles verloren. Zu sehr auf seinen WM-Gegenspieler Valentino Rossi konzentriert, zögerte er auf auftrocknender Piste einen notwendigen Boxenstopp rundenlang hinaus. Nur um in der ersten fliegenden Runde auf Slicks einen möglichen Podestplatz endgültig wegzuwerfen.

Dabei hatte ihn die Teamführung über das Pitboard mehrfach zum Anfahren der Boxengasse für den Wechsel auf das Trocken-Motorrad aufgefordert. Doch Lorenzo orientierte sich strategisch lieber an Rossi, der unmittelbar vor ihm fahrend das Rennen anführte.

Lorenzo passte Strategie an Rossi an

"Ich habe abgewartet und wollte sehen, was Valentino macht", sagte Lorenzo nach dem Rennen ganz offen. "Wenn wir zur gleichen Zeit an die Box gekommen wären, hätte ich die Chance gehabt, dass ich auf Slicks schneller bin. Wenn ich aber vor ihm gekommen wäre und es hätte wieder zu regnen begonnen, wäre das Sturzrisiko groß gewesen."

Da war Lorenzos Welt noch in Ordnung: Zu Beginn führte er das Rennen vor Rossi und Marquez an, Foto: Yamaha
Da war Lorenzos Welt noch in Ordnung: Zu Beginn führte er das Rennen vor Rossi und Marquez an, Foto: Yamaha

Dass Lorenzo nach dem verzögerten Boxenstopp dennoch stürzte, ist eine Ironie des Schicksals. "Wenn man auf Platz zwei liegt, ist es sehr schwierig, die richtige Entscheidung zu treffen. Du kannst mit einem frühen Wechsel alles gewinnen, aber auch alles verlieren", rechtfertigte sich Lorenzo, der allerdings bedauerte: "Ich hätte auf die Leute an der Box hören sollen, denn die hatten die Rundenzeiten vor sich auf dem Schirm."

Statt in Schlagdistanz zur Führung lag Lorenzo nach seinem Boxenstopp nur noch auf Rang vier. Mit kalten Reifen übertrieb er es dann auf der ersten fliegenden Runde. "Ich hatte Probleme, erneut ein Gefühl für den Slickreifen aufzubauen. Es ist die erste Linkskurve nach einigen Rechtskurven, daher war der Reifen auf der Flanke wohl noch zu kalt."

WM-Rückstand so groß wie seit Argentinien nicht mehr

Statt den Rückstand von zwölf Zählern zu verkleinern, liegt Lorenzo fünf Rennen vor dem Ende so weit zurück wie zuletzt nach dem Argentinien-GP. Dennoch steckt er noch lange nicht auf. Aus eigener Kraft kann er noch 25 Punkte auf Rossi gutmachen, was bei einem Rückstand von aktuell 23 Zählern noch zum Titelgewinn reichen würde.

"Ich habe in diesem Jahr schon in vier Rennen 29 Punkte aufgeholt. Also ist noch alles möglich. Vielleicht macht Valentino ja auch einen Fehler. Der Druck liegt nun auf ihm, weil ich jetzt nichts mehr zu verlieren habe. Im Trockenen werde ich wohl auf allen verbleibenden Strecken um den Sieg kämpfen können", so Lorenzo.