Momentan könnte es für das Yamaha-Werksteam nicht besser laufen. Vier Siege in Folge für Jorge Lorenzo und Valentino Rossi in jedem Rennen auf dem Podium. "Sicher, wir sind sehr glücklich, uns in dieser Situation wiederzufinden. Ich, und wir alle zusammen, sind darüber sehr froh. Hoffentlich hält es lange vor", sagt Jarvis gegenüber der offiziellen MotoGP-Webseite.

Woher die immense Verbesserung gegenüber dem Vorjahr kommt, weiß der Geschäftsführer der Yamaha-Werksteams ziemlich genau. "Ich denke, dass wir jetzt die Vorteile sehen, die wir in der ersten Hälfte der letzten Saison begonnen haben, als ein Resultat von Hondas Dominanz", so der Engländer. "Rennsport ist oft sehr zynisch, denn wenn man geschlagen wird, muss man tiefer graben, Lösungen finden und extrem hart arbeiten, um wieder an die Spitze zu kommen."

Im letzten Jahr musste sich Jorge Lorenzo mit der Bronzemedaille begnügen, Foto: Yamaha
Im letzten Jahr musste sich Jorge Lorenzo mit der Bronzemedaille begnügen, Foto: Yamaha

Niederlage als Motivation

Die zehn Siege von Marquez in der letzten Saison, und damit auch die zehn Niederlagen von Yamaha, waren der Grund, die Arbeit zu intensivieren. Die ersten Verbesserungen sah man schon in der zweiten Saisonhälfte, doch mit Beginn der neuen Saison wurde die Yamaha noch besser. "Ich denke, dass wir das Glück hatten, die Evolution des Motorrads über den Winter weiterzuführen", so Jarvis. "Nachdem wir letztes Jahr so deutlich geschlafen wurden, wurde uns bewusst, dass das Bike in den schwachen Arealen Verbesserungen benötigt."

Bereiche, an denen die M1 Updates benötigte, gab es viele. "Speziell beim Bremsen, technischem Grip, beim Kurven anfahren und beim Beschleunigen", formuliert Jarvis die Ziele. "Wir kannten die Stellen, an denen wir arbeiten mussten und unsere Ingenieure haben in der zweiten Saisonhälfte und im Winter einen wirklich guten Job geleistet."

Die Fahrerfrage

Doch nicht nur für die Ingenieure hat Jarvis lobende Worte übrig. Auch Rossi und Lorenzo haben gute Arbeit geleistet. "Die Fahrer, auf der anderen Seite, haben ihren Teil des Jobs getan und sind in guter Verfassung, sehr fit, hungrig, schmal und vor allem konkurrenzfähig in die neue Saison gestartet." Doch auch die Probleme der Konkurrenz kamen Yamaha zu Gute. "Gerade Marc hatte viele Probleme mit dem Bike am Anfang der Saison, aber auch Dani hat mit seiner Armpump-Verletzung zu kämpfen gehabt, die vielleicht mit der Art des Motorrades zusammenhängt."

Besonders beeindruckt ist Jarvis jedoch von Rekordweltmeister Rossi. So hungrig auf einen Titel hat man den Italiener noch nie gesehen. "Die Weltmeisterschaft bis zum letzten Rennen anzuführen, ist für einen 36-Jährigen, der sich gegen junge Fahrer durchsetzen und eine schwere Zeit hatte, ziemlich beeindruckend", verkündet Jarvis ehrfürchtig. "In dieser Saison fährt er außergewöhnlich gut. Seine Motivation ist groß, sein Sinn fürs Details ist immer noch derselbe und für mich persönlich fährt er genauso gut wie schon immer."

Rossis Teamchef betont außerdem, warum es ihm immer wieder gelingt, solche Ergebnisse zu liefern. "Die Tatsache, dass er es geschafft hat, seinen Fahrstil über die Jahre hinweg anzupassen, ist unglaublich. Es gibt nur wenige Fahrer, Piloten, Skifahrer oder andere Sportsmänner, die es schaffen, sich zu einem späteren Zeitpunkt in ihrer Karriere an einen neuen Stil oder neue Anforderungen anzupassen." Große Worte, denen Rossi durchaus gerecht wird. "Ich finde, dass es ein Phänomen ist und zeigt, wie groß seine Leidenschaft ist."

Die Yamaha M1 hat der Werks-Honda an Fahrbarkeit einiges voraus, Foto: Yamaha
Die Yamaha M1 hat der Werks-Honda an Fahrbarkeit einiges voraus, Foto: Yamaha

Mensch und Maschine in Harmonie

Warum diese Umstellungen an Motorrad und Fahrer so gut funktioniert hat, fasst Jarvis kurz zusammen. "Yamahas Philosophie war schon immer, dass Mensch und Maschine in Harmonie sein müssen. Das gilt für unsere Rennmaschinen, aber auch für die Straßenmotorräder." Ein großer Unterschied zum Konkurrenten Honda. "Am Ende des Tages kannst du eine Maschine kreieren, die unglaublich kraftvoll ist und die modernste Technologie hat. Aber wenn der Fahrer kein Gefühl hat und kein Feedack geben kann, bringt das auch nichts."

Auch zu dieser Philosophie im Hause Yamaha hat Rossi seinen Beitrag geleistet. "Wir haben mit ihm gearbeitet, um ein Motorrad mit einer soliden Basis zu entwickeln, auf dem er sich wohlfühlen kann. Doch auch Lorenzo hat auf eine ganz eigene Weise geholfen. "Wir haben ihn gesehen und wissen sehr gut, wenn alle Umstände passen, wenn er sich mit der Maschine eins fühlt, dann ist er sehr, sehr oft fast perfekt und kaum zu schlagen." In dieser Saison war es bereits fünf Mal der Fall.

Wenn es nicht regnet, gilt Jorge Lorenzo in Silverstone als Siegerkandidat, Foto: Yamaha
Wenn es nicht regnet, gilt Jorge Lorenzo in Silverstone als Siegerkandidat, Foto: Yamaha

Gewinnchancen

Wann und wo der Titel entschieden wird, steht bei dem aktuellen Punktestand natürlich noch in den Sternen. Jarvis bleibt trotzdem realistisch. "Die Aufgabe ist jetzt im Grunde, so weiterzumachen wie bisher. Aber wir werden nicht den Fehler machen, zu glauben, dass Marc aus dem Spiel ist", sagt er. "Wir müssen deshalb weiter Rennen gewinnen, aber ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen."

Die Möglichkeit, dass der Titelkampf erst in Valencia entschieden wird, sieht der Engländer als wahrscheinlich an. "Wenn man sich die letzten sechs oder sieben Rennen ansieht, kann niemand abhauen oder einen Vorteil ausspielen. Wenn wir jetzt die nächsten sechs oder sieben Rennen ansehen, könnten wir uns sicherlich in einer ähnlichen Situation in Valencia wiederfinden", sinniert Jarvis. "Ich hoffe nicht, dass es so kommt, aber die Zuschauer würde es sicher freuen. Ich persönlich würde es gerne im Rennen vor Valencia entschieden haben. Aber ich denke, es wird fast unmöglich sein, den Titel vor Malaysia zu entscheiden."

Für den Großbritannien-Grand-Prix hofft Jarvis wie immer auf ein Doppelpodium. Die Chancen dafür stehen gut. "Ich würde sagen, dass die Strecke Jorge besser liegt als Valentino. Aber wir wissen auch, dass er in der Vergangenheit hier stark war und tolle Kämpfe mit Marc hatte. Ich denke, Marc wird hier genauso stark sein, aber wenn Jorge die Form aus Brünn wiederholen kann, kann er das Rennen gewinnen", meint der Yamaha-Geschäftsführer. "Ich bete nur, dass es nicht regnet!"