Wayne Rainey zählt zu den erfolgreichsten Piloten in der Geschichte von Yamaha. Drei Weltmeistertitel in der Klasse bis 500ccm holte er für die Japaner und stand dabei 24 Mal auf dem obersten Treppchen eines Grand Prix. Nur ein gewisser Valentino Rossi hat ein Championat mehr, in der Siegesstatistik ist er schon lange an Rainey vorbeigezogen. Nun setzt der Italiener 2015 zu seinem fünften Weltmeistertitel auf Yamaha an. Doch der Altmeister sieht sich mit massiver Gegenwehr aus dem eigenen Team konfrontiert. Ausgerechnet Stallgefährt Jorge Lorenzo macht ihm das Leben schwer und liegt seit dem letzten Rennen in Brünn punktegleich mit Rossi in der Gesamtwertung, aufgrund der höheren Anzahl an Saisonsiegen sogar vor ihm.

Seit Jahren gab es in der MotoGP keinen Titelkampf zwischen Teamkollegen mehr. Für Rainey handelt es sich dabei um eine ganz besondere Situation. "Sie fahren beide für Yamaha im selben Team auf dem gleichen Bike, sind beide auf Bridgestone-Reifen unterwegs und haben beide mehrere Weltmeistertitel gewonnen", überlegt der US-Amerikaner im Gespräch mit der offiziellen Seite der MotoGP. "Beide wissen, dass ihnen schon ein einziger Fehler die Weltmeisterschaft kosten könnte. Sie müssen also versuchen, sich gegenseitig in einen Fehler zu treiben. Das wird entscheidend sein. Ich glaube nicht, dass es auf ein hartes Duell im Rennen hinauslaufen wird, sondern auf einen Patzer."

Keine Sorgen bei Rossi

Dass hier auch die mentale Komponente eine wesentliche Rolle spielt, ist für Rainey klar. Lorenzo geht nach seinem Sieg in Brünn natürlich mit Rückenwind in das kommenden Rennwochenenden von Silverstone Ende August, doch dass Rossi im Gegenzug deshalb Trübsal bläst, glaubt er nicht: "Er macht sich garantiert keine Gedanken darüber, dass er die Weltmeisterschaft schon angeführt hat und Lorenzo ihn jetzt überholt hat. Ich glaube, dass er genau dort liegt, wo er sein will und deutlich besser positioniert ist, als er das erwartet hätte."

Rossi und Rainey pflegen schon lange ein freundschaftliches Verhältnis, Foto: Milagro
Rossi und Rainey pflegen schon lange ein freundschaftliches Verhältnis, Foto: Milagro

Trotz Rossis überraschend starker bisheriger Saison sieht Rainey seinen spanischen Widersacher etwas im Vorteil. "Lorenzo hat eine unglaubliche Pace und ist extrem entschlossen. Rossi hat dafür ein ganz besonderes Verlangen nach diesem Titel. Was wird am Ende mehr bringen? Wenn ich wetten müsste, dann würde ich eher auf Lorenzo setzen, einfach wegen seiner reinen Pace", stellt der Champion von 1990, 1991 und 1992 eine Vermutung an. Seine Prognose sei aber alles andere als zuverlässig: "Im Motorradrennsport kommt es aber nicht immer nur darauf an, der schnellste Fahrer zu sein. In einem Regenrennen zum Beispiel kann alles passieren."

Nach Lorenzos Punkteausgleich in Brünn beginnt die Saison nun ja praktisch wieder bei null. Eine für die Piloten extrem spannende, aber in gewisser Weise auch sehr simple Situation, glaubt Rainey: "Sie wissen jetzt, dass sie in den verbleibenden sieben Rennen einfach den anderen öfter schlagen müssen als umgekehrt."

Der Marquez-Faktor

Aktuell ist der Titelkampf aber noch kein reines Yamaha-Duell. Mit 52 Zählern Rückstand auf das Spitzenduo sind die Chancen von Marc Marquez zwar gering, aber durchaus noch vorhanden. Das sei ein nicht unerheblicher Faktor, auch im stallinternen Zweikampf bei Yamaha, so Rainey: "Yamaha versucht alles, um Marquez ja nicht noch eine Gelegenheit auf den Titel zu verschaffen. Rossi und Lorenzo sollen gegeneinander fahren, aber sich nicht aus dem Rennen schießen und so Marquez wieder in den Titelkampf bringen. Bis Marquez auch theoretisch raus ist, wird wohl nicht mit ganz harten Bandagen gekämpft."