Stefan, du hast dein erstes Rennwochenende mit Aprilia hinter dir. Wie bist du in deinem neuen Team aufgenommen worden?
Stefan Bradl: Super! Es war zwar alles ein wenig stressig in Indy, denn wir mussten Vieles erst vor Ort irgendwie hinzaubern, aber ich wurde sehr herzlich aufgenommen. Ich fühle mich wohl und habe mich gut eingelebt - speziell was die Technikcrew anbelangt.

Wie lange wird es dauern, bis das Motorrad und du eine Einheit sind?
Stefan Bradl: Normalerweise fängt eine Saison mit den Wintertests an, wo man auch Basics wie die Sitzanpassung erledigt. Das mussten wir jetzt alles auf die Schnelle in Indianapolis hinbekommen. Es wird noch zwei bis drei Rennen dauern, bis ich weiß, wie sich das Motorrad genau verhält - sowohl über die Renndistanz als auch bezüglich der Auswirkungen von Setup-Veränderungen. Ich war überrascht, dass ich auf einem ähnlichen Niveau wie Alvaro agieren konnte. Das macht mich stolz, denn das bedeutet, dass ich fahrerisch auf einem guten Level agiere. Das Motorrad selbst ist in einer extremen Entwicklungsphase und es braucht noch Zeit. 2015 ist ein Testjahr für Aprilia, um nächstes Jahr den reinrassigen Prototypen zu bringen. Daher ist es auch mein Ziel, meinen Teil bei der Entwicklung beizutragen und zu zeigen: Ich bin noch da und habe das Motorradfahren nicht verlernt.

Kommt es jetzt also auch auf andere Qualitäten an als in den Jahren zuvor, in denen du nicht Teil eines Werksteams warst?
Stefan Bradl: Ja. In Indy waren die Leute mit meiner Arbeit in diesem Bereich ziemlich zufrieden. Es gibt aber noch viele Ansatzpunkte, wie man das Motorrad im Rennen schneller machen könnte. Dazu bedarf es aber kontinuierlicher Arbeit und als Fahrer muss man sich permanent einbringen. Ich werde in nächster Zeit noch viel dazulernen, damit ich den Ingenieuren das nötige Feedback geben kann.

Wie groß war die Genugtuung, dass es gleich am ersten Rennwochenende so gut geklappt hat?
Stefan Bradl: Groß, denn es war für mich ein gutes Wochenende. Ich habe gewusst, dass meine Hand noch nicht zu hundert Prozent fit ist und ich im Rennen wohl etwas nachlassen werde. Auch weil ich das Motorrad noch nicht gut kenne und aufgrund meiner Verletzung nicht voll attackieren konnte. Man darf auch dieses Wochenende nicht zu viel erwarten, weil ich mich einfach noch eingewöhnen muss.

Stefan Bradl möchte bei Aprilia viel weiterbringen, Foto: Milagro
Stefan Bradl möchte bei Aprilia viel weiterbringen, Foto: Milagro

Lässt sich das Potenzial des aktuellen Motorrads für dich schon abschätzen? Sind Bautistas Leistungen schon nahe am Limit der Aprilia?
Stefan Bradl: Alvaro war in den letzten Jahren kein schlechter Fahrer und wir waren in den Honda-Jahren auf einem ähnlichen Niveau. Ich hoffe, dass ich auch für den Rest der Saison sein Niveau halten kann, denn dann können wir das Motorrad gemeinsam gut weiterbringen.

Ist es nun dein oberstes Ziel, 2016 bei Aprilia weiterzumachen?
Stefan Bradl: Das weiß ich noch nicht. Ich muss ein wenig abwarten, was sich noch so tut. Ich habe noch nicht alle relevanten Informationen.

Du sprichst also auch mit anderen Teams abseits von Aprilia?
Stefan Bradl: Ich bin offen für so einiges. Momentan habe ich noch eine weitere Option für 2016 offen. Da ich bislang noch nichts Konkretes in der Hand habe, ist es legitim, mich auch anderweitig umzuschauen.

Hattest du im Sommer auch Kontakt mit anderen Teams für ein Engagement in der zweiten Saisonhälfte?
Stefan Bradl: Nein, in der MotoGP waren ja alle Motorräder bis auf eine Aprilia besetzt. Denn wer hat schon einen Wechsel in der Sommerpause geplant? Effektiv war mein Engagement hier bis zu einem gewissen Grad glücklicher Zufall. Melandris Platz wurde frei und ich war schon länger mit Aprilia in Kontakt. Aber dass sich diese Möglichkeit dann konkret ergeben würde, wusste vorher natürlich niemand.

Auf wessen Initiative wurde der konkrete Kontakt dann aufgenommen?
Stefan Bradl: Das war ein gegenseitiges Aufeinanderzugehen. Natürlich habe ich den Kontakt dann aktiv gesucht und wir sind beidseitig rasch ins Gespräch gekommen.

Du bist zum ersten Mal in deiner Karriere offizieller Werksfahrer. Fühlst du dich in einem großen Team wie Aprilia nun wohler als in kleinen Privatrennställen?
Stefan Bradl: Ich kann noch keinen Vergleich ziehen, weil ich das Team noch nicht so gut kenne. Der Hauptunterschied sind die Leute, die in der Garage sitzen, mir zuhören und die Informationen austauschen. Das ist in einem Werksteam noch mal eine Ecke heftiger, weil sie mehr Informationen verlangen um dieses Motorrad weiterzuentwickeln. Das ist in einem Privatteam nicht so, weil man in erster Linie auf sich selbst und die Ergebnisse schaut.