Gut, es hat sicherlich schon spektakulärere MotoGP-Rennen gegeben als jenes am Sonntag in Indianapolis. Mit mehr Zweikämpfen und Überholmanövern. Aber war das Rennen von Indianapolis deshalb langweilig? Ich behaupte: Nein! Alleine die Präzision, mit der die vier besten MotoGP-Fahrer der Neuzeit sich um den Brickyard jagten, kann unmöglich langweilig sein. Exakt wie Herzchirurgen bei der Operation. Ein Vierer-Package, bei dem der Rest der Welt nur staunend zuschauen kann. Unglaublichste Schräglagen, Bremspunkte und Linien. Für Pedrosa, Rossi, Lorenzo und Marquez scheinen Dinge möglich, die kein anderer Fahrer der Welt beherrscht.

Und ja, Dani Pedrosa gehört auch dazu. Klar hat er keine Titelchancen mehr. Das hatte sich durch seine Armpump-Operation und durch die anschließende Pause schon erledigt. Aber Pedrosa will und wird noch Rennen gewinnen. Und zwar 2015. Damit könnte er das Zünglein an der Waage spielen, denn es wird bis zum Schluss ein echtes Gefecht auf Augenhöhe. Valentino Rossi führt die WM an. Allein das ist nach zehn Rennen einfach nur als sagenhaft zu bezeichnen. Spektakulär auch, dass es nur neun Punkte Vorsprung auf Jorge Lorenzo sind, der bisher mit vier Erfolgen in dieser Saison am häufigsten ganz oben auf dem Podest stand.

Haut Marquez wieder einen raus?

Und der Titelverteidiger? Marc Marquez hat 56 Punkte Rückstand. Unmöglich das aufzuholen? Nein, nicht für Marc Marquez. Mit dem 2014er-Rahmen und den zwei Siegen in Folge am Sachsenring und in Indianapolis hat er wieder das Selbstvertrauen, das im Jahr 2014 für zehn Siege in Folge sorgte. Warum soll er das nicht nochmal schaffen? Herrlich sind diese Rechenspiele, herrlich ist dieses Belauern dreier großartiger Künstler auf zwei Rädern. Übrigens war das am kommenden Wochenende in Brünn stattfindende Spektakel 2014 das Ende der Marquez Siegesserie. Die Reihenfolge letztes Jahr: Pedrosa, Lorenzo, Rossi, Marquez. Hmmm... Das wird ja dann wieder spannend auf der fantastischen Berg-und Talbahn.

Hart, aber fair - Rossi und Pedrosa gratulieren einander nach tollem Kampf in Indianapolis, Foto: Milagro
Hart, aber fair - Rossi und Pedrosa gratulieren einander nach tollem Kampf in Indianapolis, Foto: Milagro

Es würde mich nicht überraschen, wenn es auch in Brünn wieder einen Rekordbesuch gibt. Zu Recht, denn ab sofort wird nur noch auf die Fehler der anderen gelauert. Wer als nächstes patzt, ist raus aus dem Titelkampf. Und das Schöne für uns Fans: Es wird auf der Strecke entschieden. Stallorder? Ich glaube kaum, dass sich irgendein Teammanager trauen würde, mit einem der vier Protagonisten darüber auch nur zu reden. Und selbst wenn, würde er wohl nichts erreichen. Somit dürfen wir uns freuen: Auf einige unglaubliche Duelle, die diese bisher schon höchst spektakuläre Saison noch toppen werden.

Denn die Rezeptur war noch nie so gut. Rossi ist mit 36 Jahren in der Form seines Lebens. 322 Rennen, unglaubliche 206 Mal auf dem Podest, 111 Siege. Die letzten 14 Rennen saisonübergreifend auf dem Podest. Wahnsinn! Übrigens war sein erster Karrieresieg genau in Brünn. Und zwar 1996. Das muss man sich mal vorstellen. Dazu ist er motivierter denn je mit einem Trainingsfleiß wie nie zuvor. Und fahren will er auch noch ein paar Jahre. Sehr schön! Verfolger Nummer eins ist der mittlerweile sehr geschätzte Teamkollege. Zwar hat Jorge Lorenzo in Indianapolis gegen Marc Marquez verloren, sprach aber trotzdem von einem seiner besten Rennen überhaupt. Klar warum: Weil er es geschafft hat, sich am Sonntag so zu steigern, dass er fast das ganze Rennen über geführt hatte.

Ein heißer Dreikampf

Rossi will Titel Nummer zehn, Lorenzo Titel Nummer fünf. Auch beim 28jährigen Mallorquiner ist das Zahlenmaterial zur Karriere beeindruckend: 224 Rennen, 129 Podestplätze, 58 Siege. Für wahr Statistikmaterial, dass einer echten Legende würdig ist. Und auch Lorenzo mag Brünn, hat in der Tschechischen Republik schon gewonnen. Nämlich 2010, als letzter Nicht-Honda-Fahrer. Auch der Faktor Honda gegen Yamaha spielt eine Rolle. Man könnte auch sagen: Erfahrung (Rossi) und Konstanz (Lorenzo) gegen unbändigen Speed (Marquez). Denn der Jüngste im Bunde hat seinen Speed wieder gefunden und sichtbar wieder Spaß daran, die Helden seiner Kindheit zu ärgern.

Noch darf man Marc Marquez in der WM nicht abschreiben, Foto: Milagro
Noch darf man Marc Marquez in der WM nicht abschreiben, Foto: Milagro

Gerade mal 22 Jahre alt, aber schon vier WM-Titel. In nur 124 Rennen 74 Podestplätze und 48 Siege. Gehts noch? Klar,es geht noch ... und zwar richtig ab! Auf der Strecke. Die acht Rennen die jetzt noch folgen, werden es in sich haben. Alles wird gefordert sein: Speed, Konzentration, körperliche Fitness, Nervenstärke, psychologische Kriegsführung. Das wissen alle Drei. Jeder kleinste Fehler wird bestraft, jede noch so kleine Schwäche, egal ob im Training oder den Rennen, könnte den Ausschlag geben. Und uns Fans wird das einige Feuerwerke des Motorsports bescheren, die wir wahrscheinlich so noch nicht gesehen haben.

Denn der Faktor Pedrosa und sein Siegeshunger spielen in die ganze Geschichte ja auch noch rein. Nach dem Präzisions-Schaulaufen in den USA gehen die Kämpfe weiter. Ab Freitagmorgen. Drei unglaubliche Künstler geben sich die Ehre. Acht Rennen, noch 200 Punkte sind zu vergeben. Ich freue mich drauf. Und bin sicher: die Titelentscheidung in der MotoGP des Jahres 2015 fällt erst beim letzten Rennen in Valencia.

Das Saisonfinale beginnt jetzt. Und es wird das spektakulärste und spannendste aller Zeiten. Garantiert.