Auf den ersten Blick bahnt sich beim ersten MotoGP-Rennen nach der Sommerpause auf dem legendären Indianapolis Motor Speedway ein wahrer Hitchcok an. Über zwei Trainings-Session hinweg torpedierten sich die beiden Superstars Marc Marquez und Jorge Lorenzo mit Bestzeiten – letztlich hatte der Yamaha-Pilot gegenüber seinem Landsmann um die Frechheit von drei Tausendstelsekunden die Nase vorne. Ein Blick auf die schnellste Einzelrunde birgt allerdings eine trügerische Gefahr, denn im Longrun erwies sich Lorenzo als der Konstantere und Stärkere.

"Ich denke, Jorge ist hier bislang klar der stärkste Fahrer", gab Marquez im Anschluss an die zweite Session unumwunden zu. Vor allem der Rhythmus Lorenzos im Longrun scheint – zumindest anhand einer Analyse der überschaubaren Freitags-Runden – für den "Brickyard" in Indy die Messlatte zu legen. So spulte Lorenzo im zweiten Nachmittags-Run nach Belieben niedrige bis mittlere 1:33er-Runden ab, während Marquez zwar in ähnliches Zeitenniveau vordrang, wenn auch mit gelegentlichen negativen "Ausreißern".

Angriffsplan für Samstag

"Es war der erste Tag zurück auf dem Bike nach der langen Sommerpause, und auch wenn nicht alles perfekt lief, haben wir doch insgesamt einen mehr als nur ordentlichen Eindruck hinterlassen", resümierte Marquez seinen Arbeitstag. Angst und Bange muss dem seit zwei Rennen massiv widererstarkten Spanier ohnehin nicht werden. Denn während Lorenzo vor ihm durchaus in Reichweite scheint, klafft nach hinten doch eine Lücke. WM-Leader Valentino Rossi und Teamkollege Dani Pedrosa weisen offensichtlichen Rückstand auf, Ducati scheint (dank der Open-Reifen) nur auf eine Runde konkurrenzfähig.

Marc Marquez tüftelt mit seinem Team am perfekten Indy-Setup, Foto: Repsol Honda
Marc Marquez tüftelt mit seinem Team am perfekten Indy-Setup, Foto: Repsol Honda

Nach 45 Punkten aus den vergangenen beiden Rennen hat Marquez wieder Feuer gefangen – einem erneuten Kampf um den Sieg sollte auch in Indy nichts im Weg stehen. Zu gut hat sich der Weltmeister auf seiner Baukasten-Honda mit 2015er-Motor und -Schwungarm sowie 2014er-Chassis wieder "eingeschossen". "Ich fühle mich auf dem Bike bereits sehr wohl, die Basis passt, und das ist das wichtigste für den Verlauf des Wochenendes. Die Strecke verbessert ihren Grip stetig, was alles nur komfortabler werden lässt. Wir haben einige Ideen, wie wir näher an Jorge herankommen, und werden versuchen, diese schon morgen effektiv umzusetzen."

Pedrosas bockige Honda

Stall-Gefährte Pedrosa hingegen hat als Tages-Siebter (1:33.377) noch reichlich Luft nach oben. An der engen Spitze lag der Zweite des Deutschland-GP zwar letztlich nur rund 0,5 Sekunden hinter Lorenzo, jedoch offenbarte er vor allem im Longrun mangelnde Konstanz. So scheint sich Pedrosa mit seiner Crew hinsichtlich des Setups, der Elektronik und auch der Geometrie seines Bikes noch nicht ganz im Klaren über den "Königsweg" zu sein.

Pedrosa, der mit insgesamt 36 Runden zwei Umläufe weniger abspulte als Marquez, fasst seinen Arbeitstag wie folgt zusammen: "Ich bin noch nicht ganz zufrieden mit dem Fahrgefühl auf meiner Maschine, denn wir haben keine Lösung für den mangelnden Grip auf dem Kurs gefunden. Obwohl sich dieser zu FP2 merklich verbessert hat, war ich viel am Rutschen und die Reifen sind ausgebrochen. Wir können und werden hier schneller sein, müssen aber das Bike an die Gegebenheiten anpassen. Wir haben das Potential für ein weiteres gutes Ergebnis."