Das heiße Duell zwischen Valentino Rossi und Marc Marquez um den Sieg in Assen endete in einem Knall und großer Kontroverse. Mit einem wagemutigen Manöver war MotoGP-Doppelweltmeister Marquez in der vorletzten Kurve auf der Bremse im Rechtsknick innen hereingestochen, wollte sich so in die perfekte Position für den abschließenden Linksbogen vor der Auffahrt auf Start-und-Ziel bringen.

Dabei kam es zum Kontakt mit Rossi, der zwar die "Außenbahn" besetzte, jedoch mit dem Vorderreifen in Führung lag. Der Italiener sah sich in der Folge gezwungen, die Schikane abzukürzen, um einem Sturz zu entgehen. Der Vorteil des kürzeren Weges brachte Rossi auf den wenigen Metern bis ins Ziel anschließend noch ein Polster von 1,2 Sekunden auf Marquez ein.

Suchte Fuchs Rossi, der zuvor eine Führung von 0,4 Sekunden innerhalb der letzten Runde verspielt hatte, clever den Kontakt, oder blieb dem Italiener tatsächlich keine andere Wahl, als die Schikane abzukürzen?

Marquez Schnippisch: Mit Abkürzung nicht gerechnet

Marquez hält sich mit Schuldzuweisungen zwar indirekt zurück, beharrt jedoch darauf, keinen Fehler begangen zu haben: "Ich denke, niemand sucht mit Absicht einen Kontakt, aber für mich steht fest, dass ich keinen Fehler gemacht habe. Ich war innen, lag auf der perfekten Rennlinie durch die Schikane und hatte das Bike im Moment des Kontakts bereits 'gestoppt', was bedeutet, dass ich nicht weiter nach außen getragen wurde. Für die letzte Linkskurve hatte ich die perfekte Linie und somit ist mir mein Manöver wie geplant perfekt gelungen."

Marc Marquez und Valentino Rossi kurz vor dem Kontakt, Foto: Tobias Linke
Marc Marquez und Valentino Rossi kurz vor dem Kontakt, Foto: Tobias Linke

Dann wird Marquez - getarnt durch sein berühmtes Strahle-Lachen - dennoch schnippisch: "Damit, dass Rossi dann die Schikane abkürzt, hatte ich natürlich nicht gerechnet." Dass Rossi keine andere Möglichkeit gehabt hätte, als abzukürzen, lässt Marquez indirekt nicht gelten: "Natürlich ist es in der Schikane sehr eng und das Manöver passierte schnell und am absoluten Limit. Dennoch kann ich nur aus meiner Sicht sagen, dass ich ganz sicher keinen Fehler gemacht habe. Das Urteil ist gefällt und Valentino hat gewonnen, aber ich bin im Recht und fühle mich gut damit."

Nachdem sich Marquez am Start umgehend hinter Rossi gesetzt und diesen mehr als die Hälfte des 24-ründigen Rennens lang verfolgt hatte, übernahm der Weltmeister im letzten Renndrittel erstmals die Führung. Etwas mehr als zwei Runden vor dem Ende setzte sich dann erneut Rossi an die Spitze, riss schnell eine Lücke von einer halben Sekunde. Marquez fuhr diese mit einer finalen Traumrunde jedoch komplett zu, sodass es in der finalen Schikane zur vieldiskutierten Kollision kam.

"Ich wusste genau, was ich tue. Ich kenne die Strecke perfekt und das ist ein typisches Überholmanöver für Assen", führte Marquez weiter aus. Die entscheidende Aktion sei quasi vom Reißbrett geplant und "einstudiert" gewesen: "Ich habe diesen Move über das gesamte Wochenende immer wieder trainiert, wenn auch alleine und bei freier Fahrt. Stets bin ich die vorletzte Kurve extrem angegangen und dann innen aggressiv hineingestochen. Sogar auf der Warm-Up-Lap bin ich das Prozedere durchgegangen und habe den Move gegen Rossi wie geplant perfekt hinbekommen. Ich sehe mich daher absolut im Recht."

Rennleitung widerspricht Marquez

Die Rennleitung in Person von Mike Webb untersuchte den Vorfall nach Honda-Protest nach dem Rennen, kam jedoch zu dem Entschluss, weder Rossi noch Marquez hätten unrechtmäßig gehandelt. "Wir haben die Aktion immer wieder aus allen möglichen Perspektiven angeschaut. Es war ein klarer und ganz normaler Rennvorfall, weswegen wir keine weiteren Schritte unternehmen. Marquez war zwar innen, aber Rossi lag vorne. Und wer vorne liegt, bestimmt die Rennlinie. Somit blieb Rossi nichts anderes übrig, als die Abkürzung zu wählen."

Dazu, ob die Rennleitung einen Rossi-Bonus "verhängt" habe, will sich Marquez nicht äußern. Dass der Vorfall allerdings folgenlos blieb, würde für ihn definitiv Konsequenzen nach sich ziehen. "Die Entscheidung ist gefallen - Valentino bekommt die 25 Punkte und ich 20. Aber ich weiß nun definitiv, was ich in Zukunft zu tun habe. So viel steht fest. Und wir werden ja in der Zukunft sehen, ob bei ähnlichen Situationen dann gleich entschieden wird. Vor allem auch, wenn es um die rennentscheidende Aktion vor der letzten Kurve geht."

Kippt das einst gute Verhältnis zwischen Valentino Rossi und Marc Marquez?, Foto: Milagro
Kippt das einst gute Verhältnis zwischen Valentino Rossi und Marc Marquez?, Foto: Milagro

Trotz der bitteren Niederlage zeigte sich Marquez vom allgemeinen Aufschwung jedoch sichtlich angetan. Mit 2015er Motor und Schwungarm, aber dem erfolgreichen Chassis des Vorjahres hatte der Superstar mit seinem Team viele Probleme der vorigen Wochen ausmerzen können. "Wir waren das ganze Wochenende stark und haben fast den Sieg geholt. Ich hatte ein super Gefühl und endlich wieder viel Spaß auf dem Bike. Das macht mich absolut glücklich und das werde ich definitiv von diesem Wochenende mitnehmen. Ich hoffe, wir können den Aufschwung schon in Deutschland bestätigen."