Profan könnte man sagen es sind 5.245 Meter Asphalt, in Hügel eingebettet. Aber das wäre zu wenig. Es sind sechs Links- und neun Rechtskurven, die auf so klangvolle Namen wie Savelli, Correntaio, Casanova oder Arrabiata hören. Es ist eine Berg-und Talbahn, eine Nordschleife in klein. Etwas für echte Männer unter den Moto GP-Artisten. Hier wurde der offizielle Topspeed-Rekord von 349,6 km/h von Andrea Iannone aufgestellt. Der soll bei einem inoffiziellen Test auf der Kuppe Ende der 1,1 Kilometer langen Geraden auch schon mal mit 354 km/h gemessen worden sein. Unglaublich. Unglaublich schön ist die Gegend drum herum. Toskanische Hügel wie aus einem Bilderbuch, in Deutschland wäre solch eine Gegend ein Naturschutzgebiet.

In Italien ist es eine der schönsten Strecken der Welt. Kein Wunder, die Anlage gehört Ferrari. Auf dem Papier, denn in den Herzen der Fans ist Mugello Rossi-Land. Und das hat seinen Grund. Es liegt zum einen an der Dauer seiner Performance, obwohl das auf anderen Rennstrecken ähnlich ist. Aber diese Liaison zwischen Ausnahmefahrer und spezieller Rennstrecke ist eine besondere und begann 1996. In der 125cc-Klasse wurde der junge Valentino damals zwar nur Vierter, zog aber eine Riesenshow ab. Nicht zu schlagen war damals übrigens ein gewisser Peter Öttl. (Aufpassen Philipp!) Papa Öttl schraubt schon längst bei seinem Sohnemann, Vale fährt immer noch. Damals schon standen auf dem Verschluss seiner Kombi die Buchstaben WLF. Na, wer weiß was das ist?

Legendäre Rossi-Auftritte

Damals schon legte er größtes Augenmerk auf sein Styling, was sich ja bis heute nicht geändert hat. So etwas schafft Charisma. Und das gepaart mit Erfolgen, kreiert eine einmalige Legendenbildung: Neun Titel, 200 Moto GP-Podestplätze. Aber das ist nicht alles. Es ist die Show, die dazu gehört um ihn zu dem Größten aller Zeiten werden lassen. Und das trotz Agostini und obwohl der Herr Rossi ja immer noch fährt. Anscheinend motivierter und besser denn je. Vieles davon hat eben mit diesen 5,2 Kilometern Asphalt im Örtchen Scarperia zu tun. 1997 der erste Sieg bei den 125 ern. 1998 Platz zwei nach Aufstieg in die 250cc-Kategorie, ein Jahr später der 250er-Sieg , im Übrigen nach gewonnenem Duell gegen Ralf Waldmann, der Zweiter wurde. Was Waldi wohl dazu sagt, dass sein Bezwinger von damals immer noch fährt?

Unvergessen auch 2001, allein schon wegen des Hawaii-Designs seiner Nastro Azzuro Zweitakt-Rakete. Strömender Regen - egal! Der damals noch ziemlich wasserscheue "Stratospherico" versuchte trotzdem die Etablierten zu schlagen und bezahlte mit einem Sturz. Null Punkte, aber die Fans feierten ihn trotzdem. Und dann folgten sieben Jahre in denen er Mugello endgültig zu seinem Wohnzimmer machte. Von 2002 bis einschließlich 2008 hieß der Sieger jedes Mal Valentino Rossi. Der Autor dieser Zeilen war jedes Mal dabei und bekommt jetzt noch Gänsehaut bei dem Gedanken an den Moment, wenn der "Dottore" das Podest enterte. Unfassbar. Ausnahmezustand in Gelb. Die Strecke ein Meer von Fans, die ihrem König huldigten. Zu Recht! Nur in Mugello gibt es nach dem Rennen dieses genehmigte und von den Ordnern erlaubte kollektive Chaos vor dem Podest.

Im Bann der Track Invasion

Das muss ein Rennfahrer auch erstmal schaffen. Nur in Mugello bauen die Teams alles wertvolle von Ihren Kommandoständen ab - während des Rennens wohl gemerkt - um zu verhindern, dass Monitore, Boxentafeln oder Ähnliches den Souvenirjägern in die Hände fällt. Versuche diese Invasion zu stoppen schlugen fehl. Also bitte, dann eben Party! Aber in Gelb. Und das auf einer Strecke die den Roten gehört. Aber auch okay, schließlich ist die Farbe des Doktors ja längst auch Ferrari-Farbe. Und wenn nicht Party, dann Volkstrauer. Wie 2010 als Vale 46 auf der Jagd um die Pole sich mit seinem Beinbruch seine erste und bis heute einzige schwere Verletzung zuzog.

Der ganze normale Rossi-Wahnsinn in Mugello, Foto: Milagro
Der ganze normale Rossi-Wahnsinn in Mugello, Foto: Milagro

Damals reisten samstags schon viele Fans ab. Italien hatte die Racing-Fahnen auf Halbmast gesetzt. Was für ein Sinn macht ein MotoGP-Rennen ohne den König? Zum Glück fährt er ja 2015 noch. Besser denn je, sodass er als WM-Führender in sein Wohnzimmer kommt. Mugello ist in den letzten Jahren wegen wahnwitziger Eintrittspreise nicht so gut besucht gewesen, dieses Jahr wird sich das wieder ändern. Wo, wenn nicht in Mugello, könnte der mittlerweile 36-Jährige erneut Geschichte schreiben? Ein Sieg wären nicht nur 25 Punkte, sondern vor allen Dingen ein epochales Werk. Ein Signal, dass es selbst nach den beiden Ducati-Pleitejahren, immer noch nur einen einzigen König gibt. Vale 46, Il Dottore, Rossifumi, Valentinik, Il Stratospherico, El Phenomeno oder welchen Spitznamen man ihm auch immer geben will. Er trägt als Verschluss seiner immer noch von Dainese gefertigten Lederkombi immer noch die Buchstaben WLF.

Gänsehaut garantiert

Um das zu erklären: Das ist kein Sponsor, sondern bedeutet Wiva la Figa. Erfunden in seiner eigenen Teenagersprache von damals um das primäre weibliche Geschlechtsmerkmal zu huldigen. Der leicht flippige Teeny ist mittlerweile erwachsen, hat ein paar Fältchen mehr, ist aber attraktiver denn je. Ein Sieg in Mugello wäre zwar noch nicht der ersehnte Titel Nummer zehn. Aber ein emotionaler Turbolader auf dem Weg dahin. Fast schon ein Happy End - zu schön für diese harte MotoGP-Welt.

Aber Achtung! Auch Teamkollege Lorenzo stand schon sechs Mal mit der Yamaha in Mugello auf dem Podest - bei drei Siegen. Der Mann der letzten Wochen bezeichnet Mugello als seine Lieblingsstrecke. Und dann ist da ja auch noch Ducati. Die waren in Mugello testen, als einziges der Topteams. Und da auch Dovizioso und Ianone Mugello lieben, ist Spannung garantiert. Denn das Ducati-Werk liegt gerade einmal 100 Kilometer entfernt und es darf keinen wundern, wenn die Ducatisti genau für Mugello noch ein paar extra Giftpfeile aus dem Köcher ziehen, um die Rivalen zu ärgern. Und dann gibt es ja auch noch Marc Marquez...

Langweilig wird es an diesem Wochenende garantiert nicht. Aber wenn Valentino Rossi es schaffen sollte, ausgerechnet in Mugello Saisonsieg Nummer drei einzufahren, wird es emotional. Sehr emotional. Mit Tränen. Voller Freude. Egal ob in der Toskana, in Oldenburg oder sonst wo auf der Welt. Der Mythos Vale würde für einen Moment die MotoGP-Welt zum Stillstand bringen und wieder einmal Geschichte schreiben. Ich muss gestehen, ich hätte nichts dagegen und habe jetzt schon Gänsehaut.