Für den größten Motorradhersteller der Welt läuft es in der MotoGP-Saison 2015 weiterhin alles andere als rund. Nachdem Honda bereits in den ersten vier Rennen Erzrivale Yamaha drei Mal zum Sieg gratulieren musste, war man auch in Le Mans im Duell der japanischen Traditionsmarken hoffnungslos unterlegen. Während Yamaha mit Jorge Lorenzo und Valentino Rossi einen Doppelsieg einfuhr und auch die Tech-3-Piloten Bradley Smith und Pol Espargaro auf die guten Ränge sechs und sieben brachte, kam mit Marc Marquez nur einer der vier Factory-Honda-Fahrer ins Ziel und das auch nur als Vierter. Dani Pedrosa, Scott Redding und Cal Crutchlow stürzten im Rennen. Das Crash-Trio und auch Marquez klagten allesamt über dasselbe Problem. Die Honda RC213V vermittelte im Grand Prix so gut wie kein Gefühl für das Vorderrad und war praktisch unfahrbar.

"Alle Hondas hatten dasselbe Problem", stellte Marquez, der mit einer heroischen Leistung und nach einem packenden Duell gegen Andrea Iannone noch Rang vier rettete, enttäuscht fest. "Wir hatten heute extreme Schwierigkeiten. Der Grip am Vorderrad war völlig weg, weshalb die anderen Honda-Fahrer auch alle gestürzt sind." Der Grund für das Problem liegt für Marquez im deutlichen Anstieg der Streckentemperatur am Renntag. Freitag und Samstag betrug der Höchstwert 25 Grad, während des Grand Prix wurden über 32 gemessen. "Uns war klar, dass sich die Verhältnisse mit dem Temperaturanstieg ändern würden. Wir dachten zum Besseren, leider war das Gegenteil der Fall", meinte der Titelverteidiger, der so weitere sieben Punkte auf WM-Leader Rossi liegen ließ.

Marquez Gegner hießen Iannone und Smith statt Lorenzo und Rossi, Foto: Repsol Honda
Marquez Gegner hießen Iannone und Smith statt Lorenzo und Rossi, Foto: Repsol Honda

Pedrosa erstes Opfer

Für Dani Pedrosa war der Grand Prix von Frankreich, sein erstes Rennen nach sechs Wochen Pause, schon nach etwas mehr als einer Runde gelaufen. Ihm klappte in der Dunlop-Schikane das Vorderrad weg und er ging zu Boden. Pedrosa konnte seine Maschine zwar noch einmal starten und das Rennen als 16. beenden, Punkte waren bei seinem Comeback aber nicht mehr möglich. Der Routinier war nach dem Sturz völlig ratlos: "Ich verstehe nicht was passiert ist. Ich habe einfach die Kontrolle über die Front verloren."

Zweiter Honda-Sturzpilot an diesem Sonntag war Scott Redding. Ihn erwischte es im vierten Umlauf in "La Chappele", dem langgezogenen Rechtsbogen von Kurve sechs. Er konnte seine Maschine im Gegensatz zu Pedrosa nicht mehr starten, die Eindrücke des Marc-VDS-Fahrers deckten sich aber mit denen der Werkspiloten: "Es war für mich heute extrem schwierig, denn ich konnte keinen Grip am Vorderrad finden. Ich bin extrem enttäuscht." Vier Runden nach Redding erwischte es Cal Crutchlow auf der LCR-Honda an derselben Stelle wie seinen Landsmann. Auch für ihn war das Rennen damit zu Ende. Crutchlow klagte ebenfalls über Probleme mit dem Vorderrad, bei seinem Sturz kam aber noch ein Fehler seinerseits dazu: "Wie alle Hondas hatte ich Schwierigkeiten mit dem Grip, aber vor meinem Sturz bin ich von der Fußbremse abgerutscht und habe daraufhin zu hart am Bremshebel für das Vorderrad gezogen, wodurch ich weggerutscht bin."

Ein Blick auf die nackten Zahlen nach diesem Wochenende fällt für Honda vernichtend aus. Yamaha konnte in Le Mans 64 Zähler sammeln, Ducati holte 41 Punkte - für Honda blieben nur mickrige 13 Pünktchen durch Marquez über. In der Teamwertung liegt die Repsol-Werkstruppe bereits unglaubliche 105 Punkte hinter Movistar Yamaha, auch auf Rang zwei und Ducati fehlen bereits 60 Zähler. Von hinten gerät man sogar unter Druck durch Tech-3-Yamaha, das nur noch drei Punkte zurück liegt.

Die Yamahas lagen für Honda in Le Mans außer Reichweite, Foto: Bridgestone
Die Yamahas lagen für Honda in Le Mans außer Reichweite, Foto: Bridgestone

Konkurrenz ortet Honda-Schwächen

Die ersten fünf Saisonrennen mit Fehlern von Marquez, der Verletzungspause Pedrosas und nun dem Debakel in Le Mans waren für Honda mit Ausnahme des Marquez-Erfolgs in Austin ein einziger harter Schlag in die Magengrube, nachdem man in den vergangenen zwei Jahren jeweils die Titel in Fahrer- und Teamwertung geholt hatte. Mittlerweile wittert auch die Konkurrenz Morgenluft. "Ich denke, dass Honda im Moment nicht die beste Balance hat. Auch im letzten Jahr war das schon ein bisschen zu erkennen, aber Marquez konnte es durch sein unglaubliches Talent etwas kaschieren. In diesem Jahr wird es deutlicher", glaubt Andrea Dovizioso, der in der Weltmeisterschaft vor dem Titelverteidiger auf Rang drei liegt.

Jorge Lorenzo, der zusammen mit Valentino Rossi Marquez in den letzten Rennen eindrucksvoll die Vormachtstellung entrissen hat, glaubt, dass die Weiterentwicklung vor der Saison bei Honda zu gering ausgefallen ist: "Die Honda ist gleich gut wie im Vorjahr oder vielleicht ein wenig besser. Wir konnten uns aber auf der Bremse und am Kurveneingang extrem steigern und gleichzeitig unsere Stärken wie Kurvengeschwindigkeit beibehalten."