Wer wird Weltmeister?

Samy Abdel Aal: Marc Marquez! Ich sehe momentan beim besten Willen noch kein Szenario, in dem der Außerirdische seinen dritten WM-Titel in Serie verpassen könnte. Die neue RC213V ist einmal mehr das stärkste Bike im Feld, die fahrerische Klasse Marquez' ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Ducati hat sicher auf eine Runde zugelegt, mit Yamaha ist immer zu rechen - dennoch: Marquez/Honda ist einmal mehr das stärkste Gesamtpaket. Verletzungen ausgenommen, kann sich MM93 einmal mehr nur selbst schlagen.

Der Weltmeister und sein Vize, Foto: Yamaha
Der Weltmeister und sein Vize, Foto: Yamaha

Tobias Ebner: Es fällt schwer, auf etwas anderes zu tippen als das Triple für Marc Marquez. Über die kompletten Testfahrten hat der Spanier als Einziger mit konstanten Spitzenzeiten und -resultaten aufgewartet. Zwar sollte man Rossi, Lorenzo, Pedrosa und in diesem Jahr auch die Ducatis nie abschreiben. Aber über eine ganze Saison sind sie wohl nicht konstant genug gegen Marquez.

Michael Höller: Nur zwei Worte: Marc Marquez.

Markus Zörweg: Der MotoGP-Titel wird 2015 zum dritten Mal in Serie an Marc Marquez gehen. Der amtierende Champion wird in den Rennen auf die gesamte Saison einfach schneller sein als die Konkurrenz und dass der fehleranfällige Marquez von früher der Vergangenheit angehört, demonstrierte er im Vorjahr bereits über weite Strecken. Die weit verbreitete Meinung, dass der Mann mit der Nummer 93 alles in Grund und Boden fahren wird, teile ich allerdings nicht. Auch wenn es bei den Testfahrten für Yamaha nicht nach Wunsch lief, werden Jorge Lorenzo und Valentino Rossi Marquez das Leben wieder schwer machen. Auch die Ducati-Piloten könnten den Weltmeister ärgern.

Wie viele Sieger sehen wir 2015?

Samy Abdel Aal: Ich tippe auf fünf verschiedene Sieger in der Saison 2015. Während sich Marquez einmal mehr den Löwenanteil der Erfolge schnappen wird, gehen auch Jorge Lorenzo und Valentino Rossi mit Sicherheit nicht leer aus. Zwar offenbarte Marquez-Teamkollege Dani Pedrosa in den vergangenen beiden Jahren ungewohnte Schwächen im Kampf um Rennsiege, ein Jahr ohne Pedrosa-Triumph liegt jedoch gefühlt weiter zurück als das Zeitalter der Dinosaurier. Ducati sollte durch die weitere Leistungsexplosion in der Lage sein, zumindest einen Erfolg abzustauben.

Tobias Ebner: Dadurch, dass Ducati einen erheblichen Schritt nach vorne gemacht hat, hoffe ich in diesem Jahr auf fünf verschiedene Rennsieger. Neben den Werksfahrern von Honda und Yamaha zählt für mich Andrea Dovizioso wieder, wie schon zu Honda-Zeiten, zum Kreis der Sieganwärter. Ob Iannone bei aller Pace das Zeug zum MotoGP-Sieger hat, muss sich erst noch zeigen.

Pedrosa - gehört er schon zum alten Eisen?, Foto: Milagro
Pedrosa - gehört er schon zum alten Eisen?, Foto: Milagro

Michael Höller: Marquez gewinnt ein Rennen, Lorenzo und Rossi siegen sicher auch. Ich wünsche es Ducati, dass zumindest einer der beiden Andreas das oberste Treppchen erklimmen kann. Nicht mehr ganz sicher bin ich mir bei Dani Pedrosa. Der Routinier wird nicht jünger und konnte schon im - ausnahmsweise verletzungsfreien - Vorjahr nur ein Rennen gewinnen. Demnach sehen wir vier bis fünf verschieden Sieger. Ein Sieg von Suzuki wäre eine Hammerstory, doch auf solche Headlines müssen wir wohl noch mindestens ein Jahr warten.

Markus Zörweg: So viele wie zuletzt 2009, nämlich fünf. Dass Marc Marquez Rennen gewinnen wird, steht wohl außer Frage. Sein Repsol-Honda-Teamkollege Dani Pedrosa wird ebenfalls einen Grand Prix für sich entscheiden. Das Yamaha-Duo Valentino Rossi und Jorge Lorenzo teilt sich definitiv auch ein paar Siege untereinander auf. Der fünfte Rennsieger des Jahres wird aus den Reihen von Ducati kommen. Ob es sich dabei um Andrea Dovizioso oder Andrea Iannone handeln wird, ist schwer zu sagen. Ich tippe aber auf den angriffslustigen Iannone.

Kehrt Ducati 2015 auf die Siegerstraße zurück? Wir sagen Ja!, Foto: Milagro
Kehrt Ducati 2015 auf die Siegerstraße zurück? Wir sagen Ja!, Foto: Milagro

Wer oder was wird die große Überraschung?

Samy Abdel Aal: Da an der Spitze keine wirklichen Überraschungen zu erwarten sind, bietet eindeutig MotoGP-Rückkehrer Suzuki das größte Potential für Überraschungen. Das Entwicklungsteam des japanischen Motorrad-Giganten hat über den Winter augenscheinlich in allen Bereichen gezaubert, die GSX-RR wird auch weiter mächtig zulegen. Mit Aleix Espargaro und Maverick Vinales verfügt das Team über erstklassiges Fahrermaterial, wobei vor allem Rookie Vinales von sich reden machen könnte. Starke Leistungen von Espargaro kämen weniger überraschend, weswegen ich mich hier klar für Maverick entscheide.

Tobias Ebner: Suzuki kann man 2015 einiges zutrauen. In Valencia noch unter ferner Liefen, haben sie über den Winter mit Siebenmeilenstiefeln aufgeholt. Wenn sie dieses Entwicklungstempo beibehalten können, dürfen sich die Fans der Blauen schon bald über Platzierungen in den Top-5 und vielleicht sogar einen Sprung aufs Treppchen freuen, zumal man mit Aleix Espargaro und Maverick Vinales über eine sehr talentierte und spektakuläre Fahrerpaarung verfügt.

Bradl wird es 2015 nicht leicht haben, Foto: Forward Racing
Bradl wird es 2015 nicht leicht haben, Foto: Forward Racing

Michael Höller: Überraschen werden Aprilia und Stefan Bradl - beide aber leider nicht im positiven Sinne. Aprilia wird um jeden Punkt hart kämpfen müssen und von der kritischen italienischen Presse wird es Ohrfeigen am laufenden Band setzen. Ehrlich gesagt würde es mich auch wundern, wenn Marco Melandri die ganze Saison durchfährt und nicht vorzeitig ersetzt wird. Für Stefan Bradl war der Testwinter alles andere als optimal und 2015 gibt es für die Open-Yamaha weit mehr Konkurrenz als für Aleix Espargaro im Vorjahr. Ich glaube nicht, dass Bradl stärkster Open-Pilot 2015 wird.

Markus Zörweg: Auch wenn die Testfahrten für ihn eher enttäuschend endeten, traue ich Jack Miller 2015 noch die ein oder andere sehr gute Platzierung zu. Man kann von ihm nicht erwarten, nach dem Sprung von der Moto3 in die MotoGP innerhalb weniger Testtage konkurrenzfähig zu werden, wenn das vielen Piloten selbst nach dem üblichen Aufstieg aus der Moto2 nicht gelungen ist. Die Eingewöhnung in der Königsklasse wird im Fall von Miller eine Weile dauern, gegen Ende der Saison rechne ich aber damit, dass er die arrivierten Konkurrenten in der Open-Klasse wie Stefan Bradl, Hector Barbera oder Nicky Hayden das ein oder andere Mal hinter sich lassen.