Kann irgendjemand Marc Marquez gefährden?

Marquez, Lorenzo, Marquez, Rossi, Marquez, Marquez, Iannone, Dovizioso - so lauteten die acht Tagessieger der Wintertestfahrten. Der Weltmeister entschied die Hälfte aller Sessions für sich und landete nur an einem einzigen Tag nicht in den Top-3. Zudem fuhr er in Sepang II eine beeindruckende Rennsimulation und erzielte in Katar mehr Rundenzeiten unter 1:56 Minuten als jeder andere seiner Rivalen.

Zu behaupten, Marquez wäre gut für die Saison gewappnet, ist fast noch eine Untertreibung. Allerdings schläft die Konkurrenz nicht. Jorge Lorenzo glänzte in Sepang mit Konstanz, Iannone und Dovizioso stellten in Katar das Potenzial der neuen GP15 eindrucksvoll unter Beweis und Valentino Rossi sowie Dani Pedrosa legen traditionell mehrere Zehntelsekunden zu, sobald in einem Rennen die Startampel erlischt. Den besten Gesamteindruck machte aber ganz klar Marc Marquez.

Wieso fährt Ducati plötzlich vorne mit?

Die endgültige Auferstehung der Roten ist wohl der Desmosedici GP15 geschuldet. Zwar feierte die erste völlig von Gigi Dall'Igna designte Maschine schon bei Sepang II ihr Debüt, doch mussten dort noch letzte Kinderkrankheiten behoben werden. In Katar lief die GP15 nun von Beginn an wie geplant. Andrea Dovizioso und Andrea Iannone sind vor allem vom positiven Einlenkverhalten der neuen Maschine begeistert, war doch das chronische Untersteuern in den letzten Jahren das große Problem bei Ducati. Erfreulich für die Roten aus Bologna ist vor allem, dass die starken Zeiten bei den Testfahrten nicht auf dem weicheren Reifen erzielt wurden, man also auch im Renntrimm mit der Spitze mithalten könnte.

Wie erging es den Neueinsteigern Aprilia und Suzuki?

Suzuki legte eine gute Lernkurve hin und war ab und an schon auf dem Niveau der Satellitenteams von Honda und Yamaha. Die Standfestigkeit, die noch im Vorjahr die Achillesferse der Japaner war, konnte man mit der Weiterentwicklung im Winter so sehr verbessern, dass sich Aleix Espargaro und Maverick Vinales nun keine Sorgen mehr machen müssen, dass ihnen das Ding zwischen Beinen um die Ohren fliegt. Mit Verlauf der Testfahrten konnte man allmählich auch mehr PS freigeben und scheint für eine solide Comeback-Saison gewappnet.

Suzuki scheint eine solide Basis gelegt zu haben, Foto: Milagro
Suzuki scheint eine solide Basis gelegt zu haben, Foto: Milagro

Bei Aprilia ging es hingegen eher rückwärts als vorwärts. Im Vergleich mit der Konkurrenz holte man keine Zeit auf, im Klassement rutschte Alvaro Bautista im Verlauf der Wintertests immer weiter zurück. Marco Melandri bildete ohnehin regelmäßig das Schlusslicht. Nach Sepang II verwarf man im Werk sogar die letzte Evolutionsstufe und startete in Katar wieder mit dem Ursprungsmodell. So richtig einig scheinen sich Fahrer und Ingenieure also nicht zu sein, in welche Richtung es gehen soll. Die Saison 2015 wird die Mannschaft auf eine harte Probe stellen.

Was war bei Yamaha los?

Mehrfach ließen Jorge Lorenzo und Valentino Rossi mit Ordnungsrufen aufhorchen. Schon nach Sepang II meinte das Duo, dass sich die Konkurrenz stärker verbessert hätte als Yamaha. In Katar wurde dieser Eindruck untermauert und so richtig rund laufen die einzelnen Komponenten im Gesamtpaket noch nicht. Konnte man Rossis Warnungen vor Ducati im Februar noch als politisches Geplänkel abtun, so wurde die Gefahr durch die rote Rennfraktion in Katar offensichtlich. Zwar gab es noch keine relevanten Vergleiche bei Rennsimulationen, aber zumindest auf eine schnelle Runde dürfte Yamaha ernsthafte Konkurrenz von Ducati bekommen, während man auf Honda im Gegenzug nichts aufholen konnte. "Wir haben uns nicht wie erhofft verbessert", stellte Rossi nach Abschluss der Wintertests klar.

Wie schlugen sich die vier Rookies?

Maverick Vinales legte die steilste Lernkurve hin. Der Moto2-Aufsteiger konnte mehrfach an den Top-10 kratzen und verringerte seinen Rückstand auf den erfahrenen Teamkollegen Aleix Espargaro sukzessive. Allerdings musste er die MotoGP auch auf die harte Tour kennenlernen. Alleine am ersten Tag der Katar-Tests stürzte er zweimal schwer und beschädigte dabei beide Einsatzmaschinen.

Crash-Rookie Nummer eins war aber Jack Miller, der beinahe jeden Tag mindestens einmal auf seinem Hosenboden saß. Der Moto3-Vizeweltmeister benötigt wohl noch einige hundert Rennkilometer, bis er seine MotoGP-Maschine ans Limit führen kann. Die Superbike-Umsteiger Eugene Laverty und Loris Baz blieben auf ihren Open-Motorrädern farblos und werden es im Kampf um WM-Punkte zu Beginn wohl schwer haben.

Stefan Bradl hatte keinen guten Test-Winter, Foto: Forward Racing
Stefan Bradl hatte keinen guten Test-Winter, Foto: Forward Racing

Was war bei Stefan Bradl los?

Stefan Bradl avancierte zum Pechvogel Nummer eins der Wintertests. Lief es in Sepang I, wo Bradl schnellster Open-Fahrer war, noch sehr gut, ging es danach bergab. In Sepang II kam Bradl mit der enormen Hitze nicht zurecht und hatte massive Gripprobleme. In Katar gesellten sich auch noch körperliche Beschwerden als Nachwirkungen eines Infekts hinzu. In Sepang II und Katar musste Bradl zudem Stürze hinnehmen. Zwar war Teamkollege Loris Baz durchgehend langsamer, aber um den hohen Ambitionen in Form des Open-Titels gerecht zu werden, muss Bradl mit Saisonstart zulegen. Ob seine Hoffnungen nach mehr Unterstützung von Yamaha in Japan erhört werden, steht in den Sternen.

Welche technischen Finessen waren bei den Tests zu sehen?

Yamaha führte das völlig stufenlose Getriebe in Sepang II ein, das für mehr Stabilität des Motorrads während des Herunterschaltens in den Kurveneingängen sorgen soll. Bei Ducati war die - ebenfalls in Sepang II eingeführte - GP15 ohnehin eine Revolution. Am Sonntag verlieh Gigi Dall'Igna seinem Kunstwerk dann auch noch Winglets am vorderen Teil der Verkleidung, die Downforce generieren sollen, und prompt raste Andrea Dovizioso damit an die Spitze des Klassements. Suzuki konnte die Haltbarkeitsprobleme seines Motors lösen und gab im Verlauf der Wintertests immer mehr Power frei. Hier steckt wohl auch nach Saisonstart noch Potenzial.