Paragraphen, Pamphlete, Papierkram - statt Partys aber eher Strecken, Setups und Schikanen. So sah das Leben von Karel Abraham bis Ende April 2014 aus. Denn der MotoGP-Fahrer startete nicht nur in der Königsklasse, sondern studierte zu Hause auch noch Jura. Nun darf er sich über einen Master-Abschluss freuen. "Ich bin ehrlich gesagt nicht der Typ, der die ganze Woche zu Hause sitzt und lernt oder überhaupt regelmäßig in die Bücher schaut. Was das Lernen angeht, nehme ich es nicht so genau. Ich bin kein Streber", verrät er.

Zur Prüfungszeit im Winter und im Sommer sah es jedoch etwas anders aus. "Ich lerne da natürlich auch nicht eineinhalb Monate durchgängig, aber eine Woche vor der Prüfung setze ich mich dann schon mal hin, schlage die Bücher auf, gehe alles durch und lerne, damit ich die Prüfungen bestehe. Ich habe nicht nur Einsen oder so. Ich bekomme meist nur irgendeine Note, mit der ich gerade so bestehe." Der Tscheche fiel sogar schon oft durch Prüfungen durch und musste diese wiederholen. "Das hat mich so geärgert. Ich habe zwar nicht so viel dafür gelernt, aber ich habe zumindest gelernt und dann schaffte ich es nicht."

Aber Ende gut, alles gut. "Für die Abschlussprüfung habe ich wirklich viel gemacht. Das ist nicht in jedem Land gleich, aber in der Tschechischen Republik musst du ein zweites Staatsexamen ablegen und dafür musste ich wirklich extrem viel lernen. Das waren 500 Seiten voller Fakten, die du nicht nur grob, sondern Wort für Wort widergeben musstest. Das war wirklich, wirklich hart. Aber bei der Abschlussprüfung hatte ich Glück und zog eine relativ einfache Frage. Eine andere war dafür schwer, aber ich hatte einen super Prüfer, der jung und sehr nett zu mir war. Ich habe am Ende alles bestanden - nicht mit den perfekten Noten, aber ich habe es geschafft und den Master-Abschluss in der Tasche", sagt Abraham strahlend.

Abraham ist der einzige Akademiker im MotoGP-Starterfeld, Foto: Honda
Abraham ist der einzige Akademiker im MotoGP-Starterfeld, Foto: Honda

Doch der Weg zum Abschluss war für den 24-Jährigen nicht leicht. Besonders nach Le Mans war der Neid auf die Kollegen groß, die lediglich trainieren und nicht nach Hause zurückkehren mussten, um vor ihrer großen Prüfung Gesetzestexte zu lernen. "Ich musste die ganzen Informationen in kurzer Zeit in meinen Kopf bekommen. Das war kein gutes Gefühl", erklärt er offen. "Als ich es geschafft hatte, war ich aber wirklich glücklich und es war eine Erleichterung." Den MotoGP-Rennen räumte er aber immer den Vorrang ein. "Wären die Abschlussprüfungen an einem Renntermin gewesen, wäre ich auch nicht hingegangen. Dann hätte ich es später gemacht. Es war mir aber auch wichtig, den korrekten Weg zu gehen und das hat am Ende geklappt."

Dr. Abraham?

Damit es auf und abseits der Rennstrecke demnächst nicht allzu langweilig wird, will der Pilot aus Brünn sogar noch einen Doktor anhängen. Die Bewerbungsphase läuft bereits. Als Rechtsanwalt will er dennoch auch später nicht arbeiten. "Das ist eine Menge Papierkram und du musst die Worte verdrehen können. Das möchte ich nicht unbedingt machen. Ich habe Jura studiert, weil ich nur zwei Möglichkeiten hatte, nachdem du im Grunde alles machen kannst, was du willst: das war Wirtschaft oder eben Gesetzgebung. Und Jura kannst du für fast alles anwenden, dann kannst du auch Manager oder Besitzer von irgendwas sein. Ich war aber wirklich schlecht in Mathe und deshalb habe ich Wirtschaft nicht gewählt. Dann gab es noch ein anderes Thema, das ich gern gemacht hätte, aber da gab es eine tägliche Anwesenheitspflicht, was in meinem Falle natürlich nicht ging", erklärt er.

Sport hat für Abraham Vorrang, Foto: Honda
Sport hat für Abraham Vorrang, Foto: Honda

Der Motorradrennsport stand für Abraham dennoch immer auf Platz eins. "Es hilft, wenn man sich das Studium nicht so zu Herzen nimmt, dass es einen auf der Strecke behindert", verrät er sein Erfolgsrezept. "Manchmal ist es besser, bei den Rennen zu sein. Nur Rennen zu fahren, wäre aber nichts für mich. Wenn Rennsport mein ganzes Leben wäre, würde mich das wohl nicht wirklich erfüllen. Dann würde mir etwas fehlen, das wäre nicht genug. Ich muss etwas anderes tun."

Sobald die Gesetzestexte ausgeblendet sind, gibt Abraham einfach nur Gas und es funktioniert: 2014 konnte er in elf Rennen punkten. "Ich denke, das liegt am Bike. Ich hatte zur Ducati kein Vertrauen. Im ersten Jahr schon, aber im zweiten Jahr nicht mehr, da ich oft gestürzt bin. Ich war mir nicht sicher, ob ich in der Mitte der Kurve stürze oder nicht. Ich hatte also wirklich Angst und pushte nicht so hart", sagt er. Auch auf der Aprilia im letzten Jahr sei er oft aus unerklärlichen Gründen abgeflogen.

Vertrauen macht schnell

Dank gestiegenem Vertrauen kann der Tscheche in dieser Saison endlich ohne Angst fahren. "Ich weiß, dass ich von der Strecke abkommen kann oder sich etwas bewegt. Aber ich weiß auch, dass ich nicht zehn Mal durch eine Kurve fahre und beim elften Mal genauso fahre und grundlos stürze. Das passiert mit der Honda nicht. Bei all meinen Stürzen bisher, kann man bei der Honda sehen, woran es lag. Das ist wirklich wichtig. Ich erinnere mich, dass ich mit der Aprilia und mit der Ducati manchmal gestürzt bin und nicht wusste, warum. Wir überprüften die Telemetrie-Daten und suchten einen Grund, aber es gab einfach keinen. Das war verwirrend und passiert dieses Jahr nicht mehr."

In den vergangenen Jahren stürzte Abraham oft, Foto: Milagro
In den vergangenen Jahren stürzte Abraham oft, Foto: Milagro

Abraham beschreibt die diesjährige Honda als gutes Bike - besonders in den Kurven, denn das Chassis sei sehr angenehm zu fahren. Allerdings könnte der Motor etwas besser sein. "Ich denke, der Fortschritt des Motors war sehr gut, aber der Top-Speed war nicht wirklich perfekt - besonders im Vergleich zu Ducati. Natürlich ist das ein ganz anderes Bike, aber ich glaube, dass auf der Ducati Leute saßen, gegen die wir kämpfen hätten können, weil wir gut genug sind, aber ihr Motor war so viel besser. Genauso war es mit Yamaha - ich denke, dass ihr Bike ein kleines bisschen mehr Power hatte." Der 24-Jährige glaubt, dass alle Honda-Production-Piloten in der Lage gewesen wären, gegen die Open-Konkurrenten zu kämpfen. Wenn nur das Aggregat etwas besser gewesen wäre.

Dieser Artikel stammt aus der Printausgabe des Motorsport-Magazins. Rund um Weihnachten veröffentlichen wir die besten, unterhaltsamsten und spannendsten Geschichten aus unserem Heft. Auf den Geschmack gekommen? Probiere das Motorsport-Magazin als Hochglanzmagazin aus! Unter folgendem Link kannst du unser Heft für 3 Ausgaben zum Sonderpreis bestellen:

Unser Magazin gibt es natürlich auch für die Mitglieder der digitalen Welt von heute. Lies es als ePaper auf deinem Computer oder hole es dir ganz modern auf dein Smartphone oder Tablet - via Apple App Store für iPhone und iPad, über den google PlayStore für dein Android-Gerät oder für kindle fire. Klicke einfach auf den nachstehenden Link oder suche nach der App mit dem Namen "Motorsport-Magazin HD".