Marc Marquez ist nicht zu stoppen. Auch sein zweites Jahr in der MotoGP war von Rekorden gepflastert. Knackte der 21-jährige Spanier 2013 in seiner ersten Saison einen Rookie- und Alters-Rekord nach dem anderen, so ging er 2014 als Seriensieger auf Bestmarken los, von denen manche dachten, sie könnten für die Ewigkeit gemacht sein. Selbst die Frage "Kann Marc Marquez alle Saisonrennen gewinnen?" wurde von dem einen oder anderen Journalisten schon nach wenigen Rennen gestellt. Doch was ist das Erfolgsrezept des neuen Überfliegers, vor dem nun sogar Mick Doohan oder Valentino Rossi um so manchen Rekord zittern müssen?

"Kennen Sie den Song 'Because I'm happy'? Der passt perfekt auf Marc", erklärt Hondas Teamchef Livio Suppo im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Er ist so jung, er ist so selbstbewusst - das ist einfach unglaublich. Sein ganzer Charakter ist einfach nur positiv", gerät Marquez' Boss beim Sprechen über sein bestes Pferd im Stall ins Schwärmen. Mit 13 Saisonsiegen fuhr er souverän zu seinem zweiten MotoGP-Titel. Mit diesem durchschlagenden Erfolg hatte selbst bei Honda niemand gerechnet. "Das ist weit mehr als wir erwartet hatten", gesteht Suppo.

Blitzstart nach Zwangspause

Marquez' Leistung in diesem Jahr ist umso erstaunlicher, da es für den Weltmeister im Winter eine Hiobsbotschaft gab, die viele schon wieder völlig vergessen haben. Beim Dirt-Track-Training brach sich der Spanier Mitte Februar das rechte Wadenbein und musste auf Testfahrten in Sepang und auf Phillip Island verzichten. Selbst sein Start beim Saisonauftakt in Katar, der nur etwas mehr als einen Monat nach Marquez' Unfall angesetzt war, wackelte. "Wenn du von einer Verletzung eines deiner Fahrer hörst, machst du dir immer Sorgen über die Konsequenzen", schildert Suppo seine damaligen Gefühle. "Das Positive ist, dass er sehr jung ist, da erholt sich der Körper schneller von solchen Verletzungen. Das Rennen in Katar war dennoch eine absolute Überraschung. Er kam dort nach fast zwei Monaten ohne Rennpraxis an. Zwischen November und März saß der Bursche gerade einmal drei Tage auf seinem Motorrad, während alle anderen Fahrer neun Testtage hatten. Vor allem das Selbstvertrauen war beeindruckend, denn du musst auf diesem Niveau immer an dich glauben und pushen. Das war echt beeindruckend."

In Katar rang Marquez Rossi in beeindruckender Manier nieder, Foto: Milagro
In Katar rang Marquez Rossi in beeindruckender Manier nieder, Foto: Milagro

Im ersten Training beim Auftakt noch Elfter, stand er nach etwas mehr als 24 Stunden bereits auf Pole Position und lachte weitere 24 Stunden später nach einem spektakulären Kampf gegen Valentino Rossi bei der Siegerehrung vom obersten Treppchen herunter. Vom Handicap der Nachwirkungen eines Beinbruchs oder von Testrückstand war keine Spur mehr. Im Anschluss legte der Weltmeister weiter zu und steigerte das fahrerische Niveau auf ein selbst für seine stärksten Kontrahenten fast unverträgliches Maß. Ist Marquez nach 36 MotoGP-Rennen schon der perfekte Fahrer? "Ich musste schon im Vorjahr immer antworten, dass es schwierig ist, überhaupt eine Schwachstelle auszumachen", gesteht Suppo ein. Und tatsächlich fällt die Suche nach Schwächen schwer. "Ich will ihn ja nicht zu viel loben, aber mir fällt im Moment nichts ein." Neben seinen Fähigkeiten als Fahrer zeigt seine lockere Art aber auch bei Fans und Medien ihre Wirkung. "Aktuell ist er sehr gut darin, auf die richtige Art und Weise zu kommunizieren. Das ist gut für den gesamten Sport. Am Ende des Tages fährt Honda hier ja, weil wir Motorräder verkaufen wollen und nicht primär, um zu gewinnen, auch wenn wir natürlich erfolgshungrig sind und damit das Image unserer Marke steigern können", führt Suppo aus. "Für dieses Vorhaben ist Marc das perfekte Testimonial."

Honda stellt Marquez allerdings auch perfektes Material zur Verfügung. Ein Umstand, auf den der im Vorjahr knapp unterlegene Vizeweltmeister Jorge Lorenzo immer wieder hinwies. Suppo verteidigt Marquez vor solchen Aussagen: "Natürlich ist unsere Maschine im Moment sehr gut und das Level sehr hoch. Ich glaube aber, dass der Unterschied zwischen Honda und Yamaha geringer ist, als das die Resultate vermuten lassen. Zwischen Honda und Yamaha lief das schon immer so, auf einigen Strecken funktioniert unser Motorrad besser, auf anderen Strecken ihres. Hochgerechnet auf die gesamte Saison dürfte das Niveau der Motorräder in etwa gleich sein." So sei es am Ende doch der Fahrer, der den großen Unterschied ausmache. Schon Valentino Rossi musste sich in seinen Anfangsjahren in der Motorrad-WM den Vorwurf gefallen lassen, er gewinne nur deshalb, weil er auf einer Honda sitze. "Das war mit ein Grund, wieso ich 2004 zu Yamaha gegangen bin", erklärt Rossi noch heute. Dass er prompt sein erstes Rennen für den Erzrivalen gewann, im ersten Jahr seinen Honda-Titel in Yamaha-Farben verteidigte und drei weitere Gesamtsiege folgen ließ, machte Kritiker und Erzfeinde wie Max Biaggi rasch mundtot.

In der zweiten Saisonhälfte hatte Marquez teilweise auch das Nachsehen gegenüber den Yamahas, Foto: Milagro
In der zweiten Saisonhälfte hatte Marquez teilweise auch das Nachsehen gegenüber den Yamahas, Foto: Milagro

Ein derartiges Kunststück wird Marquez vorerst nicht vollbringen müssen, denn Honda verlängerte Mitte Mai den Vertrag mit dem 21-Jährigen bis Ende der Saison 2016 und behielt die heißeste Aktie dieses Jahrzehnts damit in den eigenen Reihen. Für Marquez gibt es laut Suppo aber auch gar keinen Grund, um das Team zu wechseln: "Unser Bike hat einen bärenstarken Motor und beschleunigt sehr schnell. Unsere Ingenieure haben bei den Bremsen gute Arbeit erledigt, denn das war ein kleiner Schwachpunkt im Vorjahr. Unser Motorrad ist nun ausgezeichnet ausbalanciert und Marc kommt damit bestens zurecht."

Marquez als Rossi 2.0

Valentino Rossi war in der Saison 2014 der erste Verfolger von Marquez. Die beiden begnadeten Motorradfahrer verbindet aber nicht nur ihr enormes sportliches Talent, auch ihr Umgang mit Medien und Fans ähnelt sich. Während Top-Fahrer wie Casey Stoner, Dani Pedrosa oder Jorge Lorenzo immer ein distanziertes Verhältnis zu Journalisten und ihrer Anhängerschafft hatten, genießen Rossi und Marquez nicht nur das Bad in der Menge, sondern haben dabei auch immer ein Lächeln im Gesicht und einen flotten Spruch auf den Lippen. In den seltensten Fällen sieht man Marquez oder Rossi mit finsterer Mine - zumindest nicht, wenn TV-Kameras oder Fan-Augen auf sie gerichtet sind. In den unzähligen Pressekonferenzen mit Marquez und Rossi überkommt einen das Gefühl, dass hier allmählich der Prozess einer Amtsübergabe ins Rollen kommt. Beide Piloten ernten ihre Lacher nach markigen Aussagen, flüstern sich gegenseitig ins Ohr und pflegen öffentlich ein nahezu freundschaftliches Verhältnis. Keine Spur von Neid oder Missgunst, denn der eine hat bereits alles gewonnen und der andere ist auf dem besten Weg dazu.

Marquez und Rossi verstehen sich blendend, Foto: Milagro
Marquez und Rossi verstehen sich blendend, Foto: Milagro

Noch ist Rossi der unumstrittene Liebling, wie auch Suppo weiß: "Valentino ist noch immer die große Ikone dieses Sports. Selbst im weit entfernten Argentinien war es unglaublich, wie die Zuseher abgegangen sind, als er in der ersten Runde jemanden überholt hat. Und genau so geht es auch auf jeder anderen Rennstrecke der Welt zu." Die Szenen, die sich in Misano und Mugello abspielten, als tausende gelb gekleidete Fans die Zielgerade und Teile der Boxengasse enterten, um ihr Idol mit Sprechchören zu feiern, unterstrichen Rossis Status einmal mehr. "Es wird schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, ihn eines Tages in seiner Rolle als Mister MotoGP zu ersetzen. Er war der Allererste, der so einen Zuspruch der Massen erfuhr und vielleicht gibt es so etwas nie wieder. Aber Marc hat definitiv das Potenzial, vielleicht auch einmal zu so einer Ikone zu werden."

Dieser Artikel stammt aus der Printausgabe des Motorsport-Magazins. Rund um Weihnachten veröffentlichen wir die besten, unterhaltsamsten und spannendsten Geschichten aus unserem Heft. Auf den Geschmack gekommen? Probiere das Motorsport-Magazin als Hochglanzmagazin aus! Unter folgendem Link kannst du unser Heft für 3 Ausgaben zum Sonderpreis bestellen:

Unser Magazin gibt es natürlich auch für die Mitglieder der digitalen Welt von heute. Lies es als ePaper auf deinem Computer oder hole es dir ganz modern auf dein Smartphone oder Tablet - via Apple App Store für iPhone und iPad, über den google PlayStore für dein Android-Gerät oder für kindle fire. Klicke einfach auf den nachstehenden Link oder suche nach der App mit dem Namen "Motorsport-Magazin HD".