Man muss schon weit in den MotoGP-Geschichtsbüchern zurückblättern, um eine ähnlich desaströse Trainingsleistung des Yamaha-Werksteams zu finden, wie sie Jorge Lorenzo und Valentino Rossi am Freitag in Silverstone zeigten. Der Spanier verlor als Elfter nach den ersten beiden Sessions knapp 1,4 Sekunden auf Spitzenreiter Marc Marquez, Rossi sogar über 1,8. Beide klagten über dieselben Probleme: zu wenig Grip am Hinterrad, mangelndes Vertrauen und starke Vibrationen an der Front. Doch bei der Ursachenforschung kamen die Teamkollegen zu unterschiedlichen Erkenntnissen.

Für Lorenzo war der Schuldige schnell gefunden. Er äußerte einmal mehr deutliche Kritik an Reifenlieferant Bridgestone: "Sie haben denselben Reifen hier hergebracht, den wir auch bei den ersten drei Saisonrennen hatten. Damit haben wir wieder die gleichen Probleme und sogar noch zusätzliche. Das Vorderrad bereitet uns in den Kurven Schwierigkeiten, denn es absorbiert die Unebenheiten nicht und dadurch müssen wir geringere Schräglagen fahren. Uns fehlen wohl um die fünf Grad Neigungswinkel. Manchmal müssen wir auch die Linie öffnen. Diese Probleme entstehen, weil uns mit diesen Reifen am Hinterrad der Grip fehlt."

Der Mallorquiner unterstellte Bridgestone mangelnden Einsatz. Als es mit Michelin noch einen zweiten Reifenlieferanten gegeben hat, seien die Slicks des japanischen Herstellers besser gewesen, meint Lorenzo: "Ich finde es schwierig, wenn man nicht auf allen Strecken dieselben Reifen zur Verfügung hat. Ich glaube schon, dass Bridgestone das Potenzial hat, um die passenden Reifen zu liefern. 2008 waren sie auch sehr gut. Vielleicht ist es etwas anderes, wenn man nur einen Hersteller hat."

Lorenzo gab sich schon etwas ratlos. "Wir haben heute im zweiten Training schon einiges versucht und werden auch am Samstag noch ein paar Dinge testen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass wir alle Probleme lösen können. Wir werden aber zumindest versuchen, uns ein bisschen zu verbessern und der Spitze näher zu kommen. Wir beten, dass wir die Probleme lösen können, aber es wird schwierig", hofft er auf Hilfe von oben.

Rossi auf dem falschen Dampfer

Valentino Rossi sah die Schuld für seine bescheidene Pace nicht nur bei den Reifen, sondern auch bei sich und seiner Crew: "Das erste Freie Training war nicht fantastisch, aber auch nicht so schlecht. Da waren wir nicht so weit von der Spitze entfernt, aber ich mochte nicht, wie sich das Bike anfühlte, vor allem an der Front. Deshalb haben wir dann für den Nachmittag am Setup gearbeitet und die Gewichtsverlagerung geändert. Dadurch wollten wir das Verhalten am Kurveneingang verbessern, aber leider haben wir alles noch viel schlimmer gemacht. Das zweite Training war dann sehr schwer, denn ich hatte nie ein gutes Gefühl mit dem Motorrad. Vor allem beim Einlenken hatte ich überhaupt kein Gefühl, starke Vibrationen und zu wenig Grip am Vorderrad. Das hat uns viel Kurvengeschwindigkeit gekostet, weshalb unsere Rundenzeiten ziemlich langsam waren."

Rossi sucht mit seiner Crew noch nach dem richtigen Setup, Foto: Yamaha
Rossi sucht mit seiner Crew noch nach dem richtigen Setup, Foto: Yamaha

Der Altmeister will zusammen mit seiner Crew noch einmal bei null beginnen. "Wir werden versuchen, am Samstag noch einmal alles anders zu machen und zu verstehen, wie wir noch schneller werden können. Hoffentlich können wir dieses Problem lösen. Wenn wir das genaue Gegenteil machen und immer noch langsam sind, dann haben wir ein Problem. Dann ist es wirklich schwer herauszufinden, was wir tun können", gesteht Rossi.

Für ihn und auch Teamkollege Lorenzo gilt es im dritten Training nun, überhaupt den direkten Einzug in Q2 zu fixieren. "Das Vormittagstraining am Samstag wird für uns sehr wichtig sein. Zuerst müssen wir auf gutes Wetter hoffen um unsere Zeit verbessern zu können, denn aktuell liegen wir nicht in den Top-Ten. Unser erstes Ziel muss es also sein, in FP3 in die Top-Ten zu kommen um direkt in Q2 einzuziehen."

Seinen in Brünn verletzten Finger wollte der Doktor jedenfalls nicht als Ausrede gelten lassen: "Es fühlt sich schon wieder ziemlich gut an. Ich brauche keine Spritzen mehr und muss nur noch Schmerztabletten nehmen. Es fühlt sich schon viel besser an als in Brünn und am Nachmittag war es noch besser als am Vormittag. Der Finger sollte also kein großes Problem sein."