"Le roi est mort, vive le roi" - so oder so ähnlich könnte die Schlagzeile nach dem tschechischen Grand Prix lauten, der eine vorübergehende Wende geschaffen hat. Wer so clever war, sein ganzes Vermögen vor diesem Wochenende auf einen Sieg von Dani Pedrosa zu setzen, dürfte jetzt im Geld schwimmen. So lange hat die Welt darauf gewartet, dass Marc Marquez' Siegesserie gebrochen wird, umso überraschender ist der Rennausgang in Brünn. Da Yamaha alles daran setzte und der kleine Pedrosa sich eher im Hintergrund hielt, war das Ergebnis umso außergewöhnlicher.

Schocker des Wochenendes: Valentino Rossi verletzte sich nicht nur am Finger, sondern traf fast den schicken BMW, in dem VIP-Gäste um den Kurs chauffiert wurden, Foto: Milagro
Schocker des Wochenendes: Valentino Rossi verletzte sich nicht nur am Finger, sondern traf fast den schicken BMW, in dem VIP-Gäste um den Kurs chauffiert wurden, Foto: Milagro

"Eine Sportart braucht immer verschiedene Gewinner, andere Emotionen. Marcs Fans waren jedes Wochenende sehr glücklich, aber heute durften sich einmal ein paar andere freuen", strahlte Pedrosa nach dem Rennen. Nach seinen witzigen Sprüchen, dem wiedererwecktem Humor und einem neu flammenden Siegesfeuer in den Augen des kleinen Spaniers gibt es wohl niemanden, der es Pedrosa nicht gönnt, ebendieses - man muss schon fast sagen - Wunder vollbracht zu haben. Obwohl aller Augen ständig auf Valentino Rossi und Jorge Lorenzo gerichtet waren, war es doch Pedrosa, der Seite an Seite mit Marquez am meisten unter seinen Dauertriumphen zu leiden hatte. Also siegt doch einmal die Gerechtigkeit... wenn auch selten.

Lorenzo hingegen hatte es schwer: Entschied er sich doch für einen weichen Vorderreifen, der zu Rennbeginn stark abbaute und dann plötzlich nicht mehr. Was auch immer in dieser Mischung war: Normal ist das nicht. Aber gut zu sehen, dass er am Ende noch aufholen konnte. Ein oder zwei Runden mehr hätten dem Spektakel sicherlich grundsätzlich nicht geschadet, denn dann wäre der Kampf um den Sieg noch einmal richtig spannend geworden und hätte nicht schon zur Rennmitte festgestanden. "Endlich haben wir Marc geschlagen", jubelte Lorenzo. "Dummerweise war es nicht ich, dem das gelungen ist, sondern Dani." Nur ein Teil-Triumph also, aber vielleicht gibt das neuen Aufwind und beweist dem Mallorquiner, dass sein M1 gar nicht so schlecht ist, wie oft angenommen.

Danke für's Ziehen, Mann! Ich zahl das Abendessen, Foto: Repsol
Danke für's Ziehen, Mann! Ich zahl das Abendessen, Foto: Repsol

Rossi hingegen hatte ganz andere Sorgen, denn trotz weiterem Podest - mit dem er seine sechs aus dem Vorjahr schon jetzt selbst übertrumpft hat - kämpfte er weiter mit sich selbst: "Ich mag Marc, aber es ist auch ein sehr tolles Gefühl, ihn nach zehn Rennen endlich mal zu schlagen." Und dabei war Rossi der Einzige, dem das im direkten Duell gelang und das mit angeschlagenem Finger. Pedrosa und Lorenzo dagegen wurde eine solche Ehre nicht zuteil. Aber nichtsdestotrotz ist es toll, einen anderen Sieger zu erleben - obwohl Flagge, Nationalhymne und Teamfarben erhalten blieben. Erhalten blieb uns auch die Katastrophensaison von Cal Crutchlow, der einmal mehr nicht im Ziel ankam. Zum Glück hat der Brite für 2015 nochmal die Kurve gekriegt.

Währenddessen bewies Andrea Iannone noch einmal aus welchem Holz er geschnitzt ist. Marquez' Windschatten war zwar sieben Sekunden später längst verflogen, aber nach seiner starken Schlepptau-Aktion im Qualifying patzte der Italiener nicht und konnte seinem roten - äh grünen - Biest alles abverlangen. Andrea Dovizioso hingegen war ja schon froh, dass er nur 18 und keine 20 Sekunden hinter dem Rennsieger ins Ziel kam. Sicherlich sollten die Ducati-Fahrer in Sachen Erwartungen im Moment noch bescheiden bleiben, aber ein etwas höheres Ziel dürfte sich der erfahrene Pilot schon stecken. Und apropos Erfahrung: Leon Camier fuhr nach dem Ausfall in Indianapolis sein erstes Rennen zu Ende und nahm sogar einen Punkt mit. Für so wenig GP-Erfahrung eine extrem starke Leistung und eine würdige Vertretung für Nicky Hayden.

Wie viele Finger müssen wir jetzt nochmal hochalten? 26?, Foto: Repsol
Wie viele Finger müssen wir jetzt nochmal hochalten? 26?, Foto: Repsol

Aber um zum Anfang zurückzukommen: Giacomo Agostini bleibt auf seinem Thron sitzen oder teilt diesen zumindest nur mit Marquez - ohne abtreten zu müssen und das Team des Weltmeisters muss sich keine Gedanken machen, wo sie den elften Finger bei den Siegesfeiern im Parc Ferme herbekommen. Na also, ist doch alles gut. Marquez wurde dieses Mal vielleicht geschlagen, aber wer kann sich schon sicher sein, ob genau diese von seinen Schultern genommene Last nicht genau das ist, was das Ausnahmetalent gebraucht hat, um ab jetzt alles in Grund und Boden zu fahren. Wir hoffen, dass es spannend bleibt und der König trotz aller Sympathien seinem 'Gefolge' auch weiterhin klitzekleine Chancen einräumt, um die MotoGP zu einem Feld zu machen, in dem zwar keiner verletzt wird, aber alle eine Chance haben, die Schlacht zu gewinnen.