Aleix, bist du mit dem bisherigen Saisonverlauf zufrieden?
Aleix Espargaro: Ich bin nicht wirklich glücklich, aber zumindest zufrieden. Wir liegen auf Platz sieben in der WM-Wertung und damit vor Fahrern wie Bradl, Bautista oder Smith. Das ist nicht schlecht, aber ich hätte nach den sehr guten Wintertests noch etwas mehr erwartet.

Du hattest bereits einige Höhen und Tiefen und bist das eine oder andere Mal auch gestürzt. Machst du dir selbst etwas zu viel Druck?
Aleix Espargaro: Ja, ich denke schon. Die Leute rund um mich im Team sind zufrieden. Wir sind schnell und schlagen uns sehr gut, aber ich möchte einfach näher am Podium dran sein. Ich versuche daher immer ans äußerste Limit zu gehen und schieße eben manchmal darüber hinaus. Im vergangenen Jahr habe ich mir noch nicht so viel Druck auferlegt, aber in diesem Jahr habe ich ein besseres Motorrad. Deshalb muss auch mehr gehen.

Wie hoch sind deine eigenen Ansprüche?
Aleix Espargaro: Mein Ziel sind die Top-5, dort will ich hin. Ich weiß, dass das sehr schwierig wird, denn mein Bruder ist sehr schnell, aber auch Bradl und Bautista. Aber vielleicht geht sich mit einer fehlerfreien Saison Rang fünf in der Gesamtwertung aus.

Die Open-Klasse war ja eigentlich nicht dazu gedacht, einigen Factory-Bikes Konkurrenz zu machen.
Aleix Espargaro: Mir ist es egal, welches Motorrad ich fahre. Ich habe schon im Vorjahr nie im Klassement nachgeschaut, ob ich bester oder zweitbester CRT-Fahrer bin. Ich will immer so weit vorne wie möglich landen.

Was sagt dein Teamkollege Colin Edwards dazu, dass du so viel schneller als er bist?
Aleix Espargaro: Er freut sich für mich, denn wir verstehen uns sehr gut. Er hilft mir, wenn ich etwas brauche, und er weiß, dass ich nur deshalb auf der Open-Maschine so schnell bin, weil ich viel Risiko nehme.

Mehr Risiko - ist das der einzige Grund, warum du schneller bist?
Aleix Espargaro: Colin hatte eine lange Karriere und er hat all das, war ich jetzt durchlebe, schon hinter sich. Er hat sich und sein Motorrad lange Zeit am Limit bewegt und viele Podien geholt. Er muss nicht mehr das letzte Risiko nehmen.

Siehst du eine realistische Chance auf ein Podium noch in diesem Jahr?
Aleix Espargaro: Das ist mein Traum! Es könnte möglich sein, auch wenn auf die gesamte Renndistanz noch zu viele Probleme mit der Elektronik haben. Sobald der Hinterreifen nachlässt, bekommen wir keine gute Beschleunigung mehr. Aber es gibt Rennstrecken, wie Assen oder den Sachsenring, wo wir etwas näher am Podium dran sein sollten.

Was fehlt dir auf die gesamte Renndistanz noch, was du auf eine schnelle Runde schon hast?
Aleix Espargaro: Die Traktionskontrolle muss stabiler laufen. Sobald der Reifen zu rutschen beginnt, sind wir nicht mehr konkurrenzfähig. Und einige Umstellungen, die möglich wären, erscheinen uns zu gefährlich. Ich bin mit der gesamten Elektronik derzeit nicht wirklich zufrieden.

Steht ihr diesbezüglich mit Magneti Marelli in Kontakt?
Aleix Espargaro: Ja, wir haben uns schon ein paar Mal mit ihnen unterhalten und sie versuchen uns zu helfen oder geben uns neue Dinge zum Ausprobieren. Aber natürlich ist das alles noch weit weg von dem Niveau, das Honda und Yamaha erreicht haben.

Espargaro legt sich gerne mit Factory Bikes an, Foto: Bridgestone
Espargaro legt sich gerne mit Factory Bikes an, Foto: Bridgestone

Bekommt ihr irgendeine Unterstützung von Yamaha?
Aleix Espargaro: Bei Problemen helfen sie uns gerne und wir haben auch einen Yamaha-Ingenieur in unserer Box. Neue Teile oder dergleichen bekommen wir aber nicht.

Haben sich aufgrund deiner Leistungen der letzten eineinhalb Jahre schon Teams für 2015 gemeldet?
Aleix Espargaro: Ich zeige auf der Rennstrecke meine Leistung und natürlich spricht mein Manager mit ein paar Teams, unter denen auch welche mit Factory Bikes sind. Eine Werks-Yamaha, wie sie mein Bruder fährt, wäre natürlich nett, aber wir haben erst sechs Rennen hinter uns und ich muss auch weiterhin gute Leistungen zeigen. Wenn es nach mir ginge, würde ich am liebsten schon in Barcelona auf einem Werksmotorrad sitzen. (lacht) Ich bin mir sicher, dass ich eine Chance in einem starken Team bekomme, wenn ich es permanent in die Top-5 schaffe.

Wie fühlt es sich an, nun wieder direkt gegen deinen Bruder Pol zu fahren?
Aleix Espargaro: Wir sind vor Jahren in der Moto2 schon einmal gegeneinander gefahren und es war fantastisch. Nun in der MotoGP gegeneinander anzutreten ist aber nochmal eine ganz andere Nummer.

Konntest du ihm irgendwelche Tipps bei seinen ersten Versuchen Anfang des Jahres geben?
Aleix Espargaro: Ja, ich habe ihm vor dem ersten Sepang-Test einige Tipps für die Karbonbremsen, die Bridgestone-Reifen oder die Motorbremse gegeben. Nun ist er aber schon schnell genug, sodass ich ihm nicht mehr helfen brauche oder kann. In Argentinien haben wir im Training ein paar Runden gemeinsam gedreht - das war hilfreich für beide.

Bist du am Rennsonntag jetzt entspannter, weil du in den Moto2-Rennen nicht mehr mitfiebern musst?
Aleix Espargaro: Ja, ich bin entspannter. Während Pols Rennen war ich immer sehr nervös, weil ich mich für ihn verantwortlich gefühlt habe und dachte, dass ich mich um ihn kümmern müsste. Wir haben uns den Stress lange brüderlich geteilt. Jetzt geht es doch etwas ruhiger zu.

Wie wichtig ist Motorradfahren in deinem Leben abseits der Strecke?
Aleix Espargaro: Das bedeutet mir alles! Wenn ich nicht gerade Rennen fahre, bin ich mit dem Motocross-, dem Enduro- oder einem Supermoto-Bike unterwegs. Ich habe mittlerweile ein kleines Team in der spanischen Meisterschaft aufgebaut, das ich auch mit vollem Eifer betreue. Und wenn ich mal nicht auf einem Motorrad sitze, dann zocke ich MotoGP auf der Playstation. Motorradfahren ist einfach mein Leben und es fühlt sich hier im Paddock für mich auch nie wie ein Job an.