Er ist der größte Star in der Geschichte des Motorradrennsports - Valentino Rossi. Auch wenn er an die Erfolge seines Landsmannes Giacomo Agostini nicht ganz herangekommen ist, neun Weltmeistertitel und nicht weniger als 106 Grand-Prix-Erfolge sprechen eine deutlich Sprache und erklären, warum Rossi rund um den Planeten von Fans beinahe abgöttisch verehrt wird. Durch seine verrückten Auftritte und seine lockere Art mit Menschen umzugehen in Verbindung mit einem knallharten Stil auf der Strecke eroberte er die Herzen der Motorradwelt im Sturm. Nun hängt der zwei weitere Jahre in der MotoGP an. Doch was wäre in den vergangenen 19 Saisons der Motorrad-Weltmeisterschaft passiert, wenn dieser Valentino Rossi nie geboren wäre? Oder sich nie für Zweiräder begeistert hätte?

MotoGP-Weltmeister Biaggi, Gibernau und Melandri

Auch am A1-Ring hatte Rossi gegen Ueda die Nase vorne, Foto: Milagro
Auch am A1-Ring hatte Rossi gegen Ueda die Nase vorne, Foto: Milagro

Wäre Valentino Rossi nie in die Motorrad-WM gekommen, hätten es fünf Piloten an seiner Stelle zum Weltmeister gebracht. Der erste von ihnen wäre 1997 Noboru Ueda in der 125ccm-Klasse gewesen. Mit sechs Saisonsiegen hätte sich der damals 30-Jährige souverän den Titel in der kleinsten Klasse gesichert und somit einen japanischen Vierfacherfolg vor Tomomi Manako, Kazuto Sakata und Masaki Tokudome angeführt.

Zwei Jahre später wurde wieder ein Pilot aus dem Land der aufgehenden Sonne zum Opfer des Mannes aus Tavullia. Er hätte die Hälfte der 16 Saisonläufe für sich entschieden und über seinen einzigen Weltmeistertitel jubeln dürfen, bevor er den Aufstieg in die Königsklasse wagte.

In eben dieser zerstörte der Doktor seine Konkurrenten gleich reihenweise. Als erster Fahrer musste sein Landsmann Max Biaggi in den Jahren 2001 und 2002 die eindeutige Überlegenheit seines jüngeren Herausforderers anerkennen. Hätte er sich nicht mit Rossi herumschlagen müssen - er wäre es, der sich letzter 500ccm- und erster MotoGP-Champion nennen dürfte. Vielleicht hätte er einen ähnlichen Nationalheldenstatus wie Rossi erreicht, doch dazu sollte es nicht kommen.

Gibernau und Rossi tauschten in Jerez Zärtlichkeiten aus, Foto: Yamaha Racing
Gibernau und Rossi tauschten in Jerez Zärtlichkeiten aus, Foto: Yamaha Racing

Biaggi befindet sich jedenfalls in guter Gesellschaft. Ein gewisser Sete Gibernau hätte sich die begehrteste Trophäe im Motorradsport in den beiden folgenden Saisons gesichert. Er wäre wohl der zweite große, spanische Held nach Alex Criville in der größten Klasse geworden, noch lange bevor Piloten wie Jorge Lorenzo und Marc Marquez ins Rampenlicht traten.

Ein weiterer Italiener zog gegen Rossi den Kürzeren - Marco Melandri. Er wäre der Champion der Saison 2005, musste schließlich aber auch wie seine Vorgänger Max Biaggi und Sete Gibernau ohne Weltmeistertitel die MotoGP verlassen.

Marquez als Corkscrew-Pionier

Valentino Rossi sorgte in seiner Karriere nicht nur durch seine Erfolge und Titel für Aufsehen sondern auch durch oft unmöglich anmutende Manöver. Hier drei großartige Momente, die wir dem Italiener zu verdanken haben.

Ein Manöver für die Ewigkeit: Rossi gegen Stoner in Laguna Seca 2008, Foto: Milagro
Ein Manöver für die Ewigkeit: Rossi gegen Stoner in Laguna Seca 2008, Foto: Milagro

Die vielleicht geschichtsträchtigste Aktion setzte er 2008 beim Großen Preis der USA in Laguna Seca. In der berühmtberüchtigten Corkscrew-Schikane schoss er an Casey Stoner vorbei und ratterte neben der Strecke den Korkenzieher hinunter, bevor er vor dem Australier den Weg zurück auf die Strecke fand. Ein Manöver, das Marc Marquez fünf Jahre später kopieren sollte. So blieb es nur eine Kopie des Originals, ohne das Zuvorkommen Rossis dürfte sich der amtierende Weltmeister diese Pionierleistung zuschreiben.

2009 lieferte sich der Mann mit der Nummer 46 beim Grand Prix von Katalonien ein sensationelles Duell mit seinem Yamaha-Teamkollegen Jorge Lorenzo. Der Zweikampf dauerte wortwörtlich bis zur Ziellinie. Vor der allerletzten Kurve des Rennens lag Lorenzo noch in Front, doch Rossi sah seine Chance und drückte sich noch an seinem Teamkollegen vorbei. Ohne die Anwesenheit Rossis hätte Lorenzo über seinen ersten MotoGP-Triumph vor heimischem Publikum jubeln dürfen. So musste er sich noch ein weiteres Jahr bis zum Rennen in Jerez gedulden.

Auch in einem weiteren unvergesslichen Moment Rossis spielt ein Spanier die zweite Hauptrolle. 2005, Großer Preis von Spanien, Circuito de Jerez. Wieder ist es die letzte Kurve, wieder liegt Rossi vor dieser auf Rang zwei und wieder findet er einen Weg zum Sieg. Doch dieses Mal sorgt der Yamaha-Pilot für deutlich mehr Kontroversen. Er schiebt Sete Gibernau mit einem Rammstoß von der Strecke und holt sich so den Renntriumph. Rossi sichert sich in der Folge drei weitere Weltmeistertitel, Gibernau gelingt kein einziger Grand-Prix-Erfolg mehr. Wie diese Karriere ohne den Doktor verlaufen wäre? Man kann es nur erahnen.

Keine Show, keine Fans

Rossi liegen die Fans zu Füßen, Foto: Yamaha Factory Racing
Rossi liegen die Fans zu Füßen, Foto: Yamaha Factory Racing

Viel wichtiger als seine sportlichen Erfolge ist für das Produkt MotoGP wohl die Persönlichkeit des Valentino Rossi. Unkonventionelle Interviews, verrückte Verkleidungen und das omnipräsente Lächeln im Gesicht - diesen Mann muss man einfach mögen. Trotz seiner in den letzten Jahren bescheidenen Erfolge darf er sich nach wie vor über die mit Abstand größte Fanbase in der Weltmeisterschaft freuen. Die Nummer 46 und Rossis Lieblingsfarbe gelb sind an den Strecken dieser Welt allgegenwärtig, die Jubelstürme aufgrund seines Sieges 2013 in Assen waren unvergleichlich.

Er hat es wie kein anderer Pilot vor ihm geschafft, die Menschen für den Motorradsport zu begeistern. Die Tribünen an den Rennwochenenden wären wohl deutlich leerer als aktuell, parallel würde das Fernsehen geringere Einschaltzahlen beklagen. Auch wenn es tolle Sportler anstatt Rossi gegeben hätte, ein Superstar wie er es ist, würde der MotoGP wohl fehlen.

Yamaha im Niemandsland

Als Valentino Rossi 2004 von Honda zu Yamaha wechselte, hatte sein neuer Arbeitgeber seit 1992 keinen Weltmeistertitel mehr in der Königsklasse gewonnen. In den folgenden zehn Jahren holte Yamaha sechs Weltmeisterschaften - davon vier durch Rossi - während die Konkurrenz von Honda und Ducati nur vier Titel sammeln konnte. Der Ausnahmekönner hatte die Marke auf die Straße des Erfolgs zurückgeführt. Es darf zumindest bezweifelt werden, ob Yamaha aktuell gegen Honda an der Spitze kämpfen würde, wenn Rossi die M1 2004 nicht auf Kurs gebracht hätte.