"Das Risiko eines Langzeitschadens war sehr groß. Wäre ich in Assen noch einmal gestürzt, hätte ich vielleicht gar kein Schlüsselbein mehr gehabt. Jetzt fühle ich mich aber sehr gut. Dafür, dass ich mein Schlüsselbein erst vor zehn-zwölf Tagen gebrochen habe, geht es mir viel besser als erwartet", strahlte Jorge Lorenzo noch am Donnerstag im Interview mit Motorsport-Magazin.com. Dumm gelaufen, denn wie Cal Crutchlow seinem Kumpel unterstellte, hatte der Weltmeister am Freitag auf dem Sachsenring wohl wirklich schon zu großes Selbstvertrauen zurückgewonnen - was ihn buchstäblich zu Fall brachte.

Nach einer Heldensaga folgte das abrupte, tragische und selbst aus Zuschauersicht schmerzhafte Ende. WM-Favorit Nummer eins musste die Koffer packen und ließ seinem ärgsten Kontrahenten freie Bahn. Dani Pedrosa hatte alle Trümpfe in der Hand, konnte auf einer seiner stärksten Strecken locker 25 Punkte auf Lorenzo gut machen. Doch der Honda-Pilot erreichte genau das Gegenteil. Denn nach einem heftigen Abflug am Samstag war auch der WM-Führende außer Gefecht und machte Platz für die Verfolger. Beruhigend für Lorenzo und spannend für den Kampf um den Titel, aber dennoch wirklich schade für den Spanier.

Dass Marc Marquez nun an vorderste Front nachrückt, hätte vor dem Wochenende in Deutschland wohl niemand geglaubt. "El niño", wie die Spanier titeln, räumt wieder ab. Zweifelsohne wäre der Rookie auch mit Lorenzo und Pedrosa ein heißer Siegkandidat gewesen. Seine Landsleute machten es ihm allerdings etwas leichter. Doch anstatt sich über den fast geschenkten zweiten MotoGP-Sieg und die WM-Führung zu freuen, beschwerte sich Marquez tatsächlich in der Pressekonferenz nach dem Rennen, dass ihm die harten Zweikämpfe in den Rennen zuvor lieber waren, als einfach nur vorneweg zu fahren. Allein diese Aussage bestätigt: Marquez IST der nächste Superstar der MotoGP.

Ohne Drama geht eben nichts, Foto: Yamaha Factory Racing
Ohne Drama geht eben nichts, Foto: Yamaha Factory Racing

Wie zuvor lange vermutet, ist der aktuelle Superstar aber tatsächlich noch nicht abgeschrieben. Valentino Rossi bewies nach seinem Sieg in Assen mit einem starken Rennen und einem Podestplatz, dass der Triumpf in Holland kein Zufall war und durchaus wieder mit ihm zu rechnen ist. Die 204.491 Zuschauer auf dem Sachsenring dankten es ihm mit tosendem Jubel. Neben der Dauerparty auf dem weltberühmten Ankerberg fanden sich nämlich auch zahlreiche Menschen an der Rennstrecke ein. "Liebe Fans am Sachsenring, es war mir wie immer eine Freude - ihr seid bekloppt und doch bleibt bitte wie ihr seid! Bis 2014", verabschiedete sich Alex Hofmann am Sonntagabend. Dem ist absolut nichts hinzuzufügen.

90 Prozent der leidenschaftlichen Fans sind ihrem Superstar auch nach zwei erfolglosen Ducati-Jahren treu geblieben. Doch warum ist dieser Italiener nur so besonders? Abgesehen von seiner langen erfolgreichen Karriere und seinem Vermarktungstalent macht das wahrscheinlich seine Ausstrahlung. Obwohl er sich über den dritten Platz etwas ärgerte, strahlte Rossi im Gespräch nach dem Rennen und riss die Zuhörer mit gekonnten Witzen auf seine Seite. Für die Unterhaltung in der Pressekonferenz sorgte in letzter Zeit allerdings ein anderer: Cal Crutchlow strecke einmal mehr einen unglaublich heftigen Sturz weg und fuhr im Rennen aufs Podest. Da fehlten dem Briten fast selbst die Worte. Wäre der Tech-3-Pilot nicht verletzt gewesen, hätte Marquez seine Action an der Spitze unter Garantie bekommen. Crutchlow biss einmal mehr die Zähne zusammen und bewies nicht nur Tempo und Kraft, sondern einen enormen Willen. Zur Belohnung verlieh ihm Sport 1 die Tapferkeitsmedaille. Na wenn das nichts ist.

Stefan Bradl legte besonders im Rennen stark vor, schien dann aber stark nachzulassen. Lucio Cecchinello klärte im Interview mit Motosport-Magazin.com aber: "Stefan wurde nicht langsamer, das Problem war, dass die anderen schneller wurden." Das gewisse Quäntchen Glück zum Heim-Podium fehlte dem LCR Fahrer eben noch. Um nicht allzu weit auszuschweifen sei nur noch bemerkt, dass Aleix Espargaro in den ersten Runden auf seiner ART-Maschine an der Spitze mithalten konnte. Dass sein Bike gut läuft, weiß fast jeder, Espargaros fahrerische Leistung sollte allerdings auch nicht unbemerkt bleiben. Apropos bleiben: Was bleibt uns nun vom Deutschland GP 2013? Eine einfache Frage, deren Beantwortung wohl mehrere Seiten füllen würde. Sagen wir einfach: Ein unvergessliches Wochenende. Bis 2014, Sachsenring!