"Hast du den Marquez-Lorenzo-Zwischenfall gesehen?" - Wie oft fiel diese Frage am Rennsonntag in Jerez, fast unzählbar. Die Meinungen sind gespalten. Einerseits ist es doch genau das, was die Motorradfans sehen wollen: harte Duelle, spannende Überholmanöver, strahlende Sieger und entrüstete Verlierer. Halt, so weit wollen wir nicht gehen. Schließlich hat Jorge Lorenzo weder das Rennen, noch die Meisterschaft verloren. Lediglich sein Ego hat wohl etwas gelitten.

Jorge Lorenzo hätte sich besser vor dem Rennen Tipps vom Teamkollegen abholen sollen. Wie lief das damals nochmal mit Sete?, Foto: Milagro
Jorge Lorenzo hätte sich besser vor dem Rennen Tipps vom Teamkollegen abholen sollen. Wie lief das damals nochmal mit Sete?, Foto: Milagro

Allein Lorenzos Blick bei der Pressekonferenz nach dem Rennen schien wohl unbezahlbar: Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Marc Marquez strahlte. Er hatte eine Lücke gesehen und diese genutzt und dabei zufällig auch noch den amtierenden Weltmeister geschlagen. Wer kann es ihm zum Vorwurf machen? Das Verbremsen passiert in den besten Rennfahrerfamilien oder wie Cal Crutchlow sagt: "Wenn mehrere Leute gleichzeitig versuchen, um eine Rennstrecke zu kommen, dann passiert sowas eben." Der Weltmeister reagierte trotzig, wollte seinem Widersacher nicht die Hand reichen und spielte das Opfer.

Doch ein wenig sollte Lorenzo tatsächlich in der Opferrolle gesehen werden. Schließlich kennt jeder aufmerksame Beobachter aus dem letzten Jahr Marquez-Aktionen wie diese. Gut, in der Moto2 zog er die im Training durch und brachte den anderen Fahrer zu Fall. Dieses Mal kamen zumindest alle im Ziel an, dennoch ist Marquez etwas zu übereifrig ans Werk gegangen und das nicht nur in der letzten Kurve, sondern auch und besonders in den Runden zuvor.

Nach 30 Minuten des immer und immer wieder Anschauens entschied die Rennleitung auf 'Racing-Incident', Marquez bekommt also keine Strafe. Auch Yamaha entschied keinen Einspruch einzulegen, dafür war der Vorfall wirklich fast zu banal. Noch mal Glück gehabt. Der eifrige Rookie sollte in den nächsten Rennen dennoch etwas besonnener handeln, denn unter Garantie wird er jetzt von niemandem mehr aus den Augen gelassen - schon gar nicht von Lorenzo, der die Tür sicherlich keinen Zentimeter mehr offen lassen wird. Also demnächst bitte etwas weniger aggressiv, Herr Marquez.

Schluss mit den Kampfhähnen

"Warum stellt ihr mir auf einmal so viele Fragen? Als ich in Katar gewonnen hab, gab's das nicht. Warum macht ihr das jetzt?", fragte Lorenzo die eifrige Journalistenmasse. Und Recht hat er: Auch wir wollen den Rennsieger keinesfalls vergessen. Dani Pedrosa lieferte ein sauberes Rennen ab und fuhr seinen ersten Sieg nach Hause, der keinesfalls nur ein einfacher Triumph war, sondern vor den heimischen Fans und der Familie in Jerez einen wirklich besonderen Augenblick für den Spanier ausmachte.

Ein wahrlich harter Hund, Foto: Milagro
Ein wahrlich harter Hund, Foto: Milagro

Doch dem nicht genug. Zu den Helden des Tages zählt zweifelsohne auch Cal Crutchlow. Nach seinem Sturz in der Qualifikation am Samstag wollte er unbedingt - auch mit schmutziger Kombi - noch aufs Motorrad steigen, um den Tag nicht mit einem Sturz zu beenden. Gesagt, getan und dabei spuckte er nach der Quali bei der Untersuchung in der Clinica Mobile sogar Blut, das sich in seinen Nieren befand - wie die spätere Röntgenaufnahme ergab. Seine letzten Schmerzmittel hatte der Brite am Samstagabend bekommen und obwohl ihm sicher alles wehtat, zog er alle 27 Runden komplett durch - ohne sich zu beschweren. Das Kompliment, dass Crutchlow am letzten Wochenende noch an Leon Camier austeilte, geben wir hiermit gern zurück: "Harter Hund!"

Valentino Rossis vierter Platz grenzte geradezu an Langeweile, genauso wie Nicky Haydens Rennen. Schließlich hatte der Amerikaner nach vorne und nach hinten riesige Lücken, doch auch er hatte anstatt mit harten Gegnern eher mit sich selbst zu kämpfen. Respekt für diese Leistung mit einem so geschwollenen rechten Handgelenk. Alvaro Bautista punktete solide, während Andrea Dovizioso genau das zeigte, was er prophezeit hatte: Er mag Jerez einfach nicht. Zu den Überraschungen des Wochenendes gehörte aber definitiv auch Hector Barbera. Obwohl er im Rennen nicht ganz so stark punktete, zeigte er wundersame Leistungen in der Qualifikation.

Stefan Bradl hatte wieder einmal Pech, was aber auch zeigt, dass der Zahlinger von der Welt und sich selbst einmal etwas weniger erwarten sollte. Bevor wir nun jede einzelne Position in Moto2 und Moto3 durchkauen, bleibt so viel zu sagen: Spanien ist cool. Aber nur Spanier auf dem Treppchen werden langsam aber sicher etwas eintönig. Zum Glück haben wir noch Jonas Folger, der ohne den Sturz von Alex Rins wohl sicher nicht Dritter geworden wäre, aber eben auch hin und wieder ein Quäntchen Fortuna abbekommt. Weiter so!