Wie zufrieden bist du mit Cal Crutchlow?
Herve Poncharal: Sehr, sehr. Ich weiß, es ist ein großer Schritt. Zuletzt waren die meisten Fahrer, die erfolgreich in der MotoGP waren, aus der 250er gekommen. Aus der Superbike kamen einige Fahrer, einige davon waren OK, aber nie besonders erfolgreich. Dann kam voriges Jahr Ben und das war seit langer Zeit der Erste, der wirklich erfolgreich war. Der Letzte davor war vielleicht Colin [Edwards]. Das ist lange Zeit her.

Und Troy Bayliss...
Herve Poncharal: Ja. Als Ben ins Werksteam ging, haben wir ihn ersetzt und Cal war die offensichtliche Wahl. Ich habe es riskiert, aber es gab Fragezeichen. Würde es sein wie mit anderen Superbike-Leuten oder wie mit Ben? Ich wusste, Ben war ein ganz besonderer Fahrer. Der erste Test in Malaysia im Winter war nicht einfach, aber Cal hat sich von Rennen zu Rennen stark verbessert. Er hat ein paar Ähnlichkeiten zu Ben. Er versteht, dass er nicht alles weiß, er ist bescheiden, wenn er kommt. Er sagt nicht, ich war Superbike-Fahrer und werde hier gewinnen. Wir hatten ein paar sehr gute Rennen. Es war schade, dass er in Silverstone gestürzt ist, denn zu der Zeit war er echt gut drauf.

Das ganze Wochenende war er in den Top-Drei oder -Vier. Leider stürzte er in der dritten Runde des Qualifyings, weil das Wetter so kalt war und der Reifen noch zu jung. Er verletzte sich die Schulter sehr schwer. Er wäre dort sehr gut gewesen. Ich will nicht sagen, ich bin mir sicher, dass das Podest drin gewesen wäre, aber man hat gesehen, was Colin geschafft hat. Assen war eine große Enttäuschung, weil er [Crutchlow] auf Platz vier war, als er an die Box musste. Mugello war einfach ein Mangel an Erfahrung, weil wir davor viele kalte Rennen hatten und es das erste Mal auf einer warmen Strecke war. Das Gefühl war für ihn etwas eigenartig und er kam rein. Ich würde sagen, das war einfach mangelnde Erfahrung. Insgesamt hat er viele gute Ansätze, um in der MotoGP erfolgreich zu sein. Ich bin sehr zufrieden, denn zu Anfang war ich mir nicht so sicher. Ich will jetzt nicht sagen, ich bin mir ganz sicher, aber ich bin mir sicherer als zu Anfang der Saison.

Zum Abschluss: was hast du zu Stefan Bradl zu sagen?
Herve Poncharal: Wie ich vorher sagte, die meisten Fahrer, die in die MotoGP kamen, waren aus der 250er. Ich denke, in der Superbike ist der Tank jetzt leer, denn die Jungs, die vorne fahren, sind ehemalige MotoGP-Fahrer - Checa, Biaggi und Melandri. Ich denke nicht, dass sie das Profil haben, um wieder zurückzukommen. Sie waren lange hier und gingen weg. Im Moment kann man die Superbike außer Acht lassen. Daher glaube ich, dass die Moto2 die perfekte Klasse ist, auch wenn Toni [Elias] eine schwere Zeit durchmacht. Wer ist in der Moto2 vorne? Das sind Bradl, Marquez und Smith. Marquez und Smith sind Rookies und werden noch ein Jahr in der Moto2 bleiben. Bradl führt die Weltmeisterschaft an und ich denke, er ist bereit für den Wechsel in die MotoGP. Wir haben mit ihm gesprochen. Ich kenne Helmut [Bradl] seit vielen Jahren und durch Helmut gibt es die Verbindung zu Stefan. Ich kenne Stefan seit langer Zeit. Wir haben immer gesprochen, auch als er in der 125er war. Wenn wir uns im Paddock getroffen haben, sprachen wir. Ich will nicht sagen, ich bin Teil der Familie, aber ich kenne die Familie Bradl ganz gut. Früher gab es viele deutsche Fahrer. Ich war gut mit Toni Mang befreundet, dann gab es Reinhold Roth und jetzt Bradl.

Herve Poncharal kennt Helmut und Stefan Bradl schon lang, Foto: Kiefer Racing
Herve Poncharal kennt Helmut und Stefan Bradl schon lang, Foto: Kiefer Racing

Es gab früher die Honda-Verbindung, weil ich damals mit Honda zusammenarbeitete. Wir standen uns immer nahe und ich sah Stefan schon als Baby, als Kind und als jungen Fahrer. Ich habe mit ihm gesprochen, aber viele Leute haben mit ihm gesprochen. Ich denke, er hat mit Lucio [Cecchinello] und mit Stefan Kiefer, der was organisieren will, gesprochen. Wie ich es sehe, ist Helmut ein Honda-Mensch, er mag Honda sehr. Die Moto2 ist zwar keine Honda-Klasse, aber es gibt den Honda-Motor und sie wollen versuchen, ihn zu halten. Denn vor zwei Jahren haben wir mit Marco Simoncelli gesprochen und waren nahe dran, einen Deal abzuschließen, aber letztendlich entschied Honda, dass die ganzen guten Fahrer zu Yamaha gehen und sie was für die Zukunft tun mussten. Also schalteten sie sich in die Verhandlungen ein und schnappten ihn sich. Vielleicht passiert das Gleiche mit Stefan. Er ist einer der Kandidaten. Wir haben momentan viele Kandidaten, aber er fährt eine tolle Saison. Er ist jung, er ist ein großes Talent und hat eine tolle Zukunft. Ich habe ein paar Möglichkeiten und ich bin mir sicher, er hat viele Optionen. Es liegt an ihm, eine Entscheidung zu treffen. Ich mag Stefan sehr und wünsche ihm das Beste - mit mir oder ohne mich. Deutschland sollte stolz sein, so einen Fahrer zu haben - nicht nur einen Fahrer, sondern auch so einen Mann. Denn er ist nicht nur ein guter Fahrer, er ist auch ein sehr cleverer, kluger und netter Mensch.