Warum habt ihr euch für die Claiming Rule entschieden und es nicht wie früher gemacht. Damals konnte man eine ein Jahr alte Werksmaschine kaufen...
Herve Poncharal: Weil die Hersteller das nicht wollen. Yamaha, Suzuki, Honda und Ducati wollen das nicht. Wir können sie nicht dazu zwingen.

Es gab da ja den Basketballspieler Michael Jordan, der selbst Teams in den USA hat und einmal eine Desmosedici kaufte...
Herve Poncharal: Man hört und liest viele Sachen, die nicht immer wahr sind. Das prinzipielle Problem ist, wir brauchen sicher mehr Geld, mehr Investoren, mehr Unternehmen und Sponsoren. Wir brauchen aber auch mehr Maschinen. Aktuell gibt es eindeutig ein Geldproblem, aber in dieser Klasse gibt es ein weiteres Problem und das ist die Verfügbarkeit von Maschinen. Ich kann Yamaha oder Honda verstehen. Sie wollen nicht die alten Maschinen verwenden, weil das unmöglich zu handhaben ist. Denn dann muss man nach wie vor Teile von 2010 fertigen und gleichzeitig noch Teile für 2011 produzieren. Das ist verwirrend für sie. Außerdem können ihre Zulieferer auch nicht die doppelte Arbeit machen, das schafft Probleme. So gesehen verstehe ich ihren Standpunkt. Honda kann maximal sechs Maschinen bringen, Ducati ebenfalls maximal sechs, Yamaha maximal vier und Suzuki momentan nur eine - hoffentlich gehen sie zurück zu zwei. Aber wir können nichts tun, damit sie mehr bringen. Daher haben wir diese Idee gebracht.

Ich erinnere mich, dass wir vor zwei Jahren über die kommende Moto2 gesprochen haben und du hast dich darauf gefreut, deine eigene Maschine zu bauen. Wie sieht es mit der Claiming Rule aus, planst du, auch dafür eine eigene Maschine zu bauen?
Herve Poncharal: Wir haben unsere eigene Maschine für die Moto2 geplant und gebaut, dabei erlebten wir Erfolge und Enttäuschungen. Im Moment sind wir in der Fahrer-WM und der Konstrukteurs-WM dank Bradley Smith auf Platz drei. Wir freuen uns sehr darüber. Das war ein schwieriges und hartes Projekt. Aber auch wenn ich mir manchmal gesagt habe, warum machst du das, du solltest dich nur auf die MotoGP konzentrieren, freue ich mich sehr, dass ich die Moto2 gemacht habe. Das war eine sehr gute Entscheidung. Aber in der Königskasse genieße ich, seit ich 1999 zu Yamaha ging, die beste Zusammenarbeit, die ich je mit einem Hersteller hatte. Solange Yamaha mich weiter in dieser Klasse unterstützen will, werde ich alles Mögliche tun, um bei ihnen zu bleiben. Ich denke, wir haben eine perfekte Beziehung. Wir ergänzen uns mit dem Werksteam. Seine Aufgabe ist es, die Weltmeisterschaft zu gewinnen, unsere Aufgabe ist es, junge Fahrer nach oben zu bringen. Was voriges Jahr passiert ist, war das perfekte Beispiel. Ben Spies gewann die Superbike-Weltmeisterschaft mit Yamaha, kam mit dem Satelliten-Team Tech 3 in die MotoGP, fuhr dort eine tolle Saison als Rookie und wurde ins Werksteam befördert. Ich sage nicht, das wird jede Saison passieren, denn das war das perfekte Szenario. Aber wir haben innerhalb von Yamaha eine Rolle und die gefällt mir. Ich freue mich sehr und bin stolz darauf, mit ihnen zu arbeiten. Daher sehe ich im Moment keine andere Möglichkeit, ohne Yamaha MotoGP zu machen. Ich genieße es mit ihnen und will bei ihnen bleiben.

Also denkst du auch nicht daran, vier Maschinen einzusetzen, zwei Yamaha-Satelliten und zwei eigene Motorräder?
Herve Poncharal: Nein, denn wir sollten nicht zu gierig sein. Außerdem habe ich daran gedacht, vielleicht in der Moto3 etwas zu machen, aber das wäre wohl zu viel. Daher werde ich das nicht machen. Mit den Ressourcen, die wir momentan haben, können wir Moto2 als Chassis-Hersteller und die MotoGP als Satelliten-Team machen. Ich will nicht zu viel machen. Ich versuche immer, das zu versuchen, was ich auch schaffen kann - nicht perfekt, weil nichts ist perfekt. Ich will aber das Gefühl haben, ich kann es gut machen. Wenn man zu viel macht, dann verteilt man seine Mühen zu sehr und am Ende ist niemand glücklich. Ich weiß, Aspar hat in allen drei Klassen ein Team. Glückwunsch an ihn, er hat sicher ein viel größeres Budget als wir. Aber ich bin da nicht eifersüchtig, ich freue mich, das zu tun, was ich mache. Für mich gibt es kein CRT. Das bedeutet aber nicht, dass ich das nicht unterstütze, denn wir haben an der Klasse gearbeitet. Ich hoffe, das bringt mehr Maschinen und ich hoffe, die sind konkurrenzfähig.

Was passiert, wenn Werksmotorräder und CRT-Maschinen nicht harmonieren?
Herve Poncharal: Wir müssen erst einmal schauen, wie es läuft. Momentan reden ja viele Leute, weil Kallio in Mugello [mit der Suter] getestet hat und das Ergebnis nicht so gut war. Sicher braucht es noch Entwicklung. Wenn wir sehen, die CRTs sind zu weit hinten, werden wir die Regel anpassen. Man muss immer flexibel sein, vor allem momentan. Wir werden alles tun, was wir können, um ein Feld zu haben, dass konkurrenzfähig ist. Man darf aber nie vergessen, dass im Motorradsport der Fahrer das Schlüsselelement ist. Heutzutage haben wir drei Maschinen im Feld der Moto2, aber ohne Bradley Smith wären wir nirgendwo. Was ist der Unterschied zwischen den Drei? Nur der Typ, der auf der Maschine sitzt. Wir haben viele Jahre gesehen, dass Valentino der Einzige war, der auf der Yamaha gewonnen hat, die vergangenen Jahre war Casey der Einzige, der auf Ducati gewann. Der Typ auf der Maschine macht den Unterschied. Voriges Jahr gewann Moriwaki in der Moto2, dieses Jahr gab es keine Siege mehr. Einige Leute sagen, die Suter 2011 läuft nicht gut, aber Marquez gewinnt mit der Suter von 2011. Oft legen wir zu viel Wert auf die Technikabteilung und nicht genug auf die Fahrer. Nächstes Jahr haben wir die CRTs, nennen wir sie Privatmaschinen, dann werksunterstützte Satelliten-Maschinen und volle Werksmaschinen. Es wird also drei Ebenen geben. Aber wenn man sagt, die Werksmaschinen haben die beste Spezifikation und die beste Maschine, dann muss man auch sagen, sie haben die besten Fahrer. Dann kommt Level zwei und Level drei. Wenn man aber Casey Stoner auf eine CRT-Maschine setzt, könnte das Ergebnis ganz anders aussehen. Das muss man immer im Kopf haben. Man darf das Ergebnis nicht immer nach der Technik beurteilen, sondern muss auf das Paket schauen. Das Ergebnis wird vom Paket aus Mensch und Maschine gebracht. Zum Glück ist hier der Faktor Mensch so viel wichtiger als bei Autorennen. Wir sehen das jeden Tag. Ich will nicht zu viele Beispiele nennen, weil das für einige Fahrer schlecht wäre.