Der Kommunikationschef und Marketing Manager der HRC, Livio Suppo, ist ein viel beschäftigter und gefragter Mann. Und einer mit Erfahrung, denn vor seinem aktuellen Posten zeichnete er als Teamchef für die Ducati-Werkstruppe verantwortlich. Klar, dass er die aktuelle Situation der MotoGP auch richtig gut zusammenfassen kann. Für ihn sind die Köpfe der Fahrer ganz wichtige Faktoren.

"Leider, seit 2007, waren die einzigen Fahrer, die unter normalen Umständen MotoGP-Rennen gewonnen haben, Valentino, Casey, Jorge und Dani", meinte Suppo über die großen Vier, Valentino Rossi, Casey Stoner, Jorge Lorenzo und Dani Pedrosa. "Die anderen drei Siege - Chris Vermeulen, Loris Capirossi und Andrea Dovizioso - waren vom Wetter beeinflusst."

"Von diesen vier Fahrern saßen zwei auf einer Yamaha", so Suppo weiter. "Für die anderen Marken war das ein Problem, denn wenn du einmal den Ruf des besten Motorrades hast, ist alles viel einfacher. Der Fahrer fühlt, dass es an ihm liegt und all die jungen Fahrer wollen für dich fahren."

Suppo kennt diese Situation aus eigener Erfahrung. 2002/2003 wollte er den Italiener Max Biaggi zu Ducati lotsen, doch der war überzeugt, dass es nur eine andere Marke geben kann. Damals entschied man sich daher für Loris Capirossi. "Als Max Biaggi bei Yamaha war, hat er gewonnen, aber nicht soviel und als ich mit ihm sprach, war in seinem Kopf, dass man 'in dieser Meisterschaft ohne eine Honda nicht gewinnen kann'. Darum sagte ich Domenicali und Filippo [Preziosi]: 'Ich weiß, auf dem Papier ist Max stärker, aber Loris war drei Jahre in einem Satelliten-Team und er träumt von einem Werksmotorrad. Der andere war vier Jahre in einem Werksteam und träumt von einer Satelliten-Honda!'"

Doch auch ähnliche kleinere Beispiele kann Suppo schildern, dieses Mal hinsichtlich Lorenzos. "Nach Aragon im letzten Jahr war Jorge richtig down. Er stand zum ersten Mal in jenem Jahr nicht auf dem Podest und hatte schon ein paar Rennen nicht mehr gewonnen. Entscheidend war, dass Valentino noch nicht wieder in Bestform war und ihm keinen Druck machte. Darum begann Jorge mehr und mehr darüber zu sprechen, dass das Motorrad Probleme hat und dass sich die Honda mit Dani so viel verbessert hat."

Das sei alles eine Kopfsache gewesen, glaubt Suppo zu wissen. Lorenzo habe sich damals eingebildet, dass die Yamaha der Honda nicht mehr gewachsen sei und eben diese Blockade hätte ihn zwei/drei Zehntel gekostet. Es sei alles nur eine Motivationssache gewesen. "Das ist menschlich. Wir denken, dass sie Roboter sind, aber wir sprechen über Zehntelsekunden."

"Dann schaut auf das, was passierte, als Valentino in Sepang gewann", nennt Suppo die Kehrseite. "Jorges Aggressivität war zurück und er gewann zwei der letzten drei Rennen. Valentino hatte gezeigt, dass das Motorrad funktioniert, indem er gewann und Jorge musste nun zeigen, dass er ein wahrer Weltmeister war. Wenn er die letzten paar Rennen nicht gewonnen hätte, hätten die Leute gesagt, dass Jorge mit Glück Champion geworden wäre, denn die Leute erinnern sich immer nur an das Ende einer Meisterschaft, wie bei Nicky [Hayden] in 2006. Sie erinnern sich nie an den Start."

Kommunikationsfehler bei Honda

Für Suppo gibt es zwischen all den Dingen, all den Fahrern und Marken und Situationen, in denen sie sich immer wieder befinden, Analogien. "Als Valentino in 2004 mit Yamaha gewann, denke ich, war Honda mit der Kommunikation nicht so gut, denn sie hätten sagen sollen: 'Okay, wir müssen zugeben, dass Valentino unglaublich ist - aber unser Motorrad ist immer noch klar das Beste."

"Bei Yamaha war es in 2004, 2005, 2006 und 2007 Valentino, der gewann. Erinnert sich wer an all die Probleme mit dem Motorrad in 2007? Dann kam plötzlich Jorge Lorenzo. Ein weiterer Fahrer, der auf dem Motorrad gewinnen konnte und in 2008, 2009 und 2010 war das Bike 'unglaublich' und 'Valentino war so gut in der Entwicklung der Maschine'. Ohne Jorge an seiner Seite hätte niemand gesagt, dass Yamaha das beste Motorrad hat. In den ersten vier Jahren, in denen Valentino an ihm arbeitete, hatte niemand diese Auffassung."

Suppo hält derweil die Meinung, dass Rossi und Burgess im Gespann unschlagbar seien, für ein Märchen. "Wenn sie also wahr ist, diese Legende, dass Valentino und Jeremy [Burgess] ein 'Super-Motorrad' bauen können, hätte sich das schon vorher zeigen sollen. Die Yamaha war nur das 'beste Motorrad', als es da einen weiteren hervorragenden Fahrer gab, der in der Lage war, Valentino zu schlagen."

Honda in guter Situation für 2011

Suppo denkt, dass Honda für die Saison 2011 gut aufgestellt ist - und das nicht nur ob des Dreierwerksteams mit Stoner, Pedrosa und Dovizioso, sondern auch vom Material her. "Es sieht so aus, als sei Honda in einer guten Position. Ich hoffe wirklich, dass wir dieses Jahr manchmal alle drei Fahrer auf dem Podium haben können."

Aber was, wenn drei starke Honda-Fahrer sich gegenseitig die Punkte wegnehmen? "Das kommt darauf an, ob sie sich gegenseitig Punkte wegnehmen, aber wenn sie vor den Yamahas und den Ducatis sind, ist es okay. Aber es ist wahr, wenn Jorge allein an der Spitze ist, lass und mal sagen, wenn er den Anfang des Jahres dominieren kann, dann könnten wir ein Problem haben. Aber lass uns mal die ersten drei Rennen abwarten. Katar, Jerez und Motegi."

"Casey ist, wenn er nicht stürzt, in Katar unschlagbar", bestätigte Suppo weiter. "Dani war letztes Jahr in Jerez fast unschlagbar, mit einem Motorrad, was im ersten Rennen schwierig war. Darum denke ich, dass er eine große Chance auf den Sieg hat. Dann haben wir Motegi, wo alle drei unserer Fahrer super-schnell sind. Casey hat letztes Jahr gewonnen, mit Dovizioso im Nacken und Dani war verletzt, aber er ist normalerweise auch sehr stark. Die Yamahas waren nicht in Schlagdistanz."

Und für Suppo kommt dann ein wichtiger Faktor hinzu, sollte Lorenzo Anfang des Jahres nicht dominieren - die Medien. Und die würden den Spanier wieder pushen. "Wenn Jorge die ersten vier Rennen nicht gewinnt, wird die Presse damit beginnen zu sagen: 'Yamaha ohne Valentino, keine Entwicklung mehr?' und du weißt, dann wird Jorge beißen."

Bei Ducati, so Suppo, müsse etwas Besonderes passieren. "Bei den Ressourcen von Ducati brauchst du immer etwas Glück. Die Meisterschaft 2007 ist ein perfektes Beispiel: Casey zu wählen und die 'verrückte' Idee, von Michelin zu Ducati zu wechseln. Ohne diese zwei Dinge, wäre es vermutlich unmöglich gewesen, zu gewinnen."

"Dass Ducati also dominiert, dazu brauchst du etwas Besonderes", weiß der ehemalige Teamchef jener Truppe. "Du musst sehr gerissen sein oder Glück haben. Je größer die Firma, desto mehr Möglichkeiten hast du, dass du es früher oder später schaffst. Du hast mehr Geld, um es dem Fahrer zu zahlen, du kannst die Maschine entwickeln, et cetera."

Suppo meint, dass man langfristig analysieren muss. "Es ist ein großer Fehler nur auf das letzte Rennen oder die letzte Woche in deinem Leben zu schauen. Langfristig hat Honda normalerweise die besten und am längsten guten Motorräder. Yamaha ist ein wenig dahinter und bei Ducati ist es mehr ein Up und Down."