Britische Fans grüßen Valentino Rossi, Foto: Jule Krause
Britische Fans grüßen Valentino Rossi, Foto: Jule Krause

In dieser Saison ein persönliches Highlight herauszufiltern ist gelinde gesagt, verdammt schwer. Die MotoGP und Jorge Lorenzo machten viel Freude, aber Ducati, allen voran Casey Stoner, hinkten und ein gewisser Mika Kallio ließ am Ende so gar keine Jubelstimmung aufkommen. Die Superbike bot Abwechslung und spannende Rennen, aber ohne ein Favoriten-Team, naja man freut sich über Überholmanöver und spannende Duelle, keine Frage, aber lässt sich daraus ein Highlight bestimmen? Weniger. Fast wäre es die Supersport geworden, was für eine Kracher-Saison mit den zwei Hauptakteuren Kenan Sofuoglu und Eugene Laverty - aber am Ende, fiel die Entscheidung auf ein kleines Highlight 'abseits' der Rennstrecke, dem Day of Champions in Silverstone.

Irgendwo im Nirgendwo

Meine Wahllandsmänner werden mir allein für diesen Titel die Ohren lang ziehen, denn das englische Landleben ist begehrt und jeder hat sowieso ein Auto - wo ist das Problem? Ehrlich, wenn du gewöhnt bist mit dem Bus oder Fahrrad zur Rennstrecke zu fahren, dann ist MotoGP in Silverstone der ungünstigste Ort, den es gibt. Denn ein Shuttlebus fährt hier nur wenn Formel 1 ist und Radfahrer sind in England so beliebt wie schneereiche Winter und -3°C, weshalb die Straßen so angelegt werden, dass sich möglichst wenig Leute für einen Drahtesel entscheiden. Der Engländer an sich, ist aber ein Service-Gastgeber und so kommt man irgendwie vom 20 Minuten entfernten B&B zur Rennstrecke.

Fanfest in Silverstone, Foto: Jule Krause
Fanfest in Silverstone, Foto: Jule Krause

Es war ein rundum besonderes Rennen innerhalb der MotoGP-Saison. Zum ersten Mal nach 20 Jahren ging es nicht nach Donington, sondern zur umgebauten Silverstone-Strecke - eine Änderung, die nicht gleich von jedem angenommen wurde, denn Randy de Puniets Truck-Fahrer nahm nicht die Ausfahrt Silverstone, sondern fuhr weiter Richtung Donington. Nach einigem Warten rief LCR beim Fahrer an, um zu fragen, wo er bliebe. Bis zum Day of Champions am Donnerstag vor dem Rennen war die Truppe aber wieder vollständig.

Einer fehlte natürlich beim Fanfest – Valentino Rossi. Der hatte sich bekanntlich das Bein gebrochen und konnte nicht am Rennwochenende teilnehmen. Dafür hatten sich die Organisatoren und Helfer rund um Riders for Health aber etwas einfallen lassen: Eine riesengroße Grußkarte auf der alle Fans Nachrichten und Genesungswünsche an Vale hinterlassen durften, zudem sorgte Davide Brivio für eine Mini-Telefonkonferenz mit dem verletzten Italiener und für die Auktion stellte Rossi ausnahmsweise einen echten Helm zur Verfügung, normalerweise rückt er sie nicht heraus. Für die beste Stimmung sorgten aber immer noch die Fans, die sich mit zahlreichen T-Shirts, Kostümen und guter Laune ausgerüstet hatten. Konnte man Valentino Rossi nicht im Fahrerlager antreffen, so dürften sich viele Briten nicht nur über das gesamte Aufgebot der MotoGP freuen, die von 125cc bis Königsklasse geduldig alle Wünsche erfüllten, sondern auch über die zahlreichen Superbiker, die für Interviews, Bilderknipsen, Autogramme geben, Schwatz mit den Fans, oder im Falle von James Toseland mit der eigenen Band für ordentliche Interaktion sorgten. Da machen Pitwalk, Streckenrundgänge und in der Sonne lümmeln noch um einiges mehr Spaß.

Ede, bitte übernehmen Sie., Foto: Jule Krause
Ede, bitte übernehmen Sie., Foto: Jule Krause

Stage-Boys

Egal ob Spanien oder England, zur Riders for Health Auktion herrscht immer eine ausgelassene Stimmung. Durch den Abend führten Toby Moody und Julian Ryder, die nicht nur meine persönlichen Kommentatoren-Idole sind, sondern naturgemäß zu Fahrern und Fans einen ausgezeichneten Draht haben. So sorgten sie nicht nur für Anekdoten aus dem Fahrerlager und fachgerechte Fragen an die MotoGP-Cracks, sondern auch für deren einzigartige Beantwortung mit anschließender Mini-Strip-Einlage:
Toby Moody: "Mika, was macht ihr Finnen, warum könnt ihr alles fahren, was zum Teufel gebt ihr euren Kindern zum Frühstück?"
Aleix Espargaro (neben Kallio stehend): "Eis! Tonnen von Eis!"
Besagter Aleix Espargaro durfte sich wenig später seines Pramac-Hemdes entledigen, um einen höheren Preis bei der Versteigerung zu erzielen - die Strategie ging auf.

Loris Capirossi behielt alle Sachen an, verriet aber seine Strategie für einen neuen MotoGP-Vertrag 2011: "Eine Flasche Grappa, dann laufen die Verhandlungen und folgt die Unterschrift", und wie er verhindern möchte, dass Söhnchen Riccardo einmal Rennfahrer wird: "Ich bringe ihm das Motorradfahren früh bei, dann hört er auch zeitig wieder auf", bot ihn aber gleichzeitig als Spieler für Englands Fußball-Nationalmannschaft an, denn die könnten ja ein paar gute gebrauchen. Jorge Lorenzo sorgte für die Jorge, ich will ein Kind von dir Rufe (der Spanier wirkte leicht geschockt). Tolpatsch Lorenzo kündigte einen getragenen Helm an, dabei war er doch niegelnagelneu. Daher setzte ihn der 23-Jährige spontan auf und lief einmal über die Bühne, anschließend gab es Mützen fürs Publikum und ein paar Autogramme.

Jorge Lorenzo übernahm Bühne und Publikum zu 100%, Foto: Jule Krause
Jorge Lorenzo übernahm Bühne und Publikum zu 100%, Foto: Jule Krause

Colin Edwards genoss ausgiebig die britische Kultur des Fluchens und 'beschwerte' sich über 30°C bei viel zu viel Sonne, sowie gekochte Eier, Scott 'yeah Baby' Redding brachte die Ü25-Jährigen auf den neusten Stand der Jugendsprache und Marco Melandri offenbarte, dass er Marco Simoncelli nie in der Box sehen würde, sondern nur viele Haare.

Wen wundert es da, dass am Ende der vierstündigen Versteigerung über Euro 185.600 zusammen kamen, keiner so richtig gehen wollte und auch die Kollegen der schreibenden und knipsenden Zunft einigen Spaß hatten. Ein Highlight, dass sich für jeden Fan lohnt, auch wenn man nicht mitbieten kann, denn beim Day of Champions Event sind es nicht die MotoGP-Fahrer die von A nach B hetzen, sondern eben ganz normale Kerle, die Spaß haben und der Motorsport steht dennoch immer im Vordergrund.