Andrea Dovizioso ist 2010 ein großer Schritt nach vorne gelungen, jetzt fehlt nur mehr ein kleiner nach ganz vorne. Das Motorsport-Magazin sprach mit ihm über die schwierigen letzten Meter, den Traumjob MotoGP-Fahrer und Vaterfreuden.

Suche nach dem kleinen Schritt, Foto: adrivo Sportpresse
Suche nach dem kleinen Schritt, Foto: adrivo Sportpresse

MSM: Viele Leute glauben, du hast den besten Job der Welt. Du darfst mit einem Traummotorrad auf abgesperrten Strecken Vollgas geben. Wie gefällt es dir, Motorradrennfahrer zu sein?
Andrea Dovizioso: Meine Leidenschaft kommt aus der Zeit als ich sehr jung war. Mein Vater fuhr Motocross und als ich vier Jahre alt war, bekam ich meine erste Maschine. Ich hatte von Anfang an die Leidenschaft und die habe ich heute auch noch. Ich will die Maschine zähmen. Ich liebe es, die Maschine zu fahren und ich mag den Stil der Fahrer, vor allem den der Motocross-Fahrer.

MSM: Was sind die guten und schlechten Seiten an deinem Job?
Andrea Dovizioso: Das hängt vom Charakter des Fahrers ab. Sicher gibt es viele gute Sachen. Wir müssen nicht um sieben Uhr morgens aufstehen, um zur Arbeit zu gehen. Unser Job ist unsere Leidenschaft, wir bekommen auch viel Geld dafür, unserer Leidenschaft nachzugehen. Auch das ist wichtig, denn so können wir in unserem Leben tun, was wir wollen. Alles ist wichtig und es ist ein schönes Leben. Sicher, wenn man in der MotoGP fährt, hat man auch viele Verpflichtungen. An vielen Tagen muss man an Orte, wo man gar nicht hin will. Das ist aber nur ein kleiner Punkt. Wir nehmen in unserem Sport aber viel Risiko. Die Sicherheit ist heutzutage viel höher als vor ein paar Jahren, also vor 20 oder 40 Jahren. Es ist viel besser geworden, aber unser Job ist immer noch gefährlich, denn wenn wir stürzen, brechen wir uns leicht einmal etwas. Das ist ein Punkt, an den wir nicht denken dürfen. Denn wenn man daran denkt, dann versucht man nicht, über das Limit zu gehen.

Für Andrea Dovizioso überwiegen die positiven Aspekte eines Rennfahrerlebens, Foto: Milagro
Für Andrea Dovizioso überwiegen die positiven Aspekte eines Rennfahrerlebens, Foto: Milagro

MSM: Wir hatten in diesem Jahr einige schlimme Verletzungen in der MotoGP, Hiroshi Aoyama hat es am Andrea Dovizioso: Rücken besonders schlimm erwischt. Dennoch muss man als MotoGP-Fahrer immer am Limit unterwegs sein, sonst landet man im Nirgendwo. Wie schwer ist es, da einen Kompromiss zu finden?
Sicher ist das schwer, aber gerade deswegen sind wir in der MotoGP. Es ist schwierig, am Limit zu bleiben, aber nicht darüber zu kommen. Man muss so viel herausholen, wie man kann, darf es aber eben nicht übertreiben.

MSM: Muss man sein Gehirn da zu einem gewissen Grad ausschalten?
Andrea Dovizioso: Das kann man nicht abschalten. Es ist zu einfach, über das Limit zu kommen. Es ist schwierig, mit dem Limit zu spielen und nicht darüber hinaus zu schießen. So wird man der beste Fahrer.

MSM: Du hast sehr lange mit Honda gearbeitet. Warum bist du so lange bei ihnen geblieben, was ist das Besondere an ihnen?
Andrea Dovizioso: Honda ist für jeden die beste Firma. Honda hat viele Titel gewonnen. Jeder, der mit dem Pocketbike anfängt, träumt von Honda. Ich kam nicht zu ihnen, weil ich beschlossen hatte, ich will in der 125er mit ihnen arbeiten, sondern es lag daran, dass mein Gefühl mit der Maschine sofort sehr gut war. Wir haben im dritten Jahr die Weltmeisterschaft gewonnen und danach wollte ich in der 250er und der MotoGP bei ihnen bleiben. Ich denke einfach, sie sind eines der besten Unternehmen.

Andrea Dovizioso liebt es, die Maschine zu fahren und er mag den Stil der Fahrer, Foto: Milagro
Andrea Dovizioso liebt es, die Maschine zu fahren und er mag den Stil der Fahrer, Foto: Milagro

MSM: Du warst in deiner Karriere sehr erfolgreich. Den Titel in der 125er hast du angesprochen, in der 250er warst du gut und in der MotoGP hast du auch schon gewonnen. Wie würdest du deine bisherige Karriere in der MotoGP einschätzen?
Andrea Dovizioso: In Wahrheit bin ich nicht hundertprozentig zufrieden. Mein Ziel ist der Kampf um den Titel und der Gewinn des Titels. Wir sind nicht so weit weg. Trotzdem sind wir noch nicht ganz stark genug, um zu kämpfen. Wir haben eine große Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr geschafft, wir sind in der WM auf Platz drei, wir sind in vielen Rennen um das Podest mitgefahren. Wir sind also nahe dran, um die WM mitzufahren, aber der letzte Schritt fehlt uns noch. Wir arbeiten aber hart daran, ihn zu schaffen.

MSM: Es macht den Eindruck, als ob nur etwas Kleines fehlt…
Andrea Dovizioso: Klein, aber schwer zu erreichen. Das letzte Stück ist in jedem Sport am schwierigsten. Das ist nicht so einfach, aber wir haben die Leidenschaft und wollen diesen letzten Schritt machen. Wenn wir im nächsten Jahr weiter so arbeiten, wie wir das bei den Wintertests und im ersten Teil der Saison gemacht haben, dann sind unsere Chancen sicher viel größer, mitkämpfen zu können.

MSM: Was dieser letzte fehlende Schritt ist, kannst du nicht genau sagen?
Andrea Dovizioso: Im Endeffekt ist es immer der Speed. Wenn du den Speed nicht hast, kannst du nicht mitspielen, du kannst nicht an die Strategie denken, du musst einfach nur pushen, weil du im Vergleich zu den Schnellsten nicht schnell genug bist, um da mitzuspielen. Uns fehlt also etwas Speed.

MSM: In der 250er-Klasse hast du Jorge Lorenzo öfter eingeheizt, obwohl er damals auf der wohl besseren Maschine saß. Bringt es dir Selbstvertrauen, dass du weißt, du kannst Jorge das Leben echt schwer machen, wenn du diesen letzten Schritt gemacht hast?
Andrea Dovizioso: Ich denke, ich habe das Talent, damit ich um die Weltmeisterschaft mitkämpfen kann. Bei Honda hat sich die Situation im Vergleich zum Vorjahr zwar sehr verbessert, aber ich denke, es ist noch nicht genug für die WM. Wir sind näher an den Yamaha-Fahrern, aber nicht nahe genug, um zu kämpfen. Hier gibt es sehr viel Talent, wenn man also keine Maschine hat, die für die WM gut genug ist, kann man es nicht über einen anderen Weg schaffen. Wir haben einfach noch nicht das beste Paket für die Weltmeisterschaft. Ja, wir haben uns verbessert, wir haben auch sicher noch Raum zur Verbesserung und damit ich um die WM kämpfen kann, müssen wir uns auch verbessern. Es hängt aber von vielen Faktoren ab, welches Paket man hat. Wenn man nicht das beste Paket hat, ist es schwieriger, Ergebnisse zu holen und ein Gefühl zu finden. Wir sind jetzt in dieser Situation.

MSM: Schauen wir nach vorne. 2012 wird die MotoGP auf 1000cc wechseln. Freust du dich darauf? Wird dir der Wechsel entgegenkommen?
Andrea Dovizioso: Das weiß ich nicht. Ich weiß es nicht, weil die 1000er nicht die gleiche sein wird wie 2006. Wir müssen erst die Maschine testen, um zu wissen, wie es genau sein wird. Ich weiß nicht, wie die Maschine sich verhalten wird. Ich denke aber, es wird besser sein. Das liegt daran, dass man mit der 1000er mehr Kraft hat und man das Motorrad mit niedrigeren Gängen fährt. Mit niedrigeren Gängen drehen die Räder mehr durch und es ist leichter, die Maschine zu kontrollieren. Es wird also wahrscheinlich schöner, die Maschine zu fahren.

Dovizioso: Honda ist für jeden die beste Firma, Foto: Milagro
Dovizioso: Honda ist für jeden die beste Firma, Foto: Milagro

MSM: Du hast in diesem Jahr zur Show beigetragen, weil du den anderen Spitzenfahrern näher gekommen bist. Was würdest du gerne noch tun, um die Show zu verbessern?
Andrea Dovizioso: Wir haben dieses Jahr die echte Chance, um den zweiten Platz in der WM mitzufahren. Wir wissen natürlich, dass es wirklich schwierig wird, denn Dani ist stark, Casey ist stark und Valentino wird im letzten Teil der Saison auch stark sein. Es wird also wirklich, wirklich schwierig, aber wir haben die Chance. Unser Ziel ist also Platz zwei in der WM.

MSM: 2012 wird auch die 125er nicht mehr sein und durch eine Viertakt-Einzylinder-Klasse ersetzt, wie es aussieht. Ist das mit Blick auf die Zukunft der richtige Schritt?
Andrea Dovizioso: Ich sehe das nicht so, aber es ist nicht wichtig, was die Fahrer sagen oder denken. Wir machen die Regeln nicht und sehen sie vielleicht anders. Die Zukunft ist leider Viertakt und daher ist es nur normal, dass in allen Klassen Viertakter fahren. Ich denke aber, für viele Fahrer ist das nicht so schön.

MSM: Du bist noch jung und hast eine lange Karriere vor dir. Was würdest du am Ende deiner Karriere gerne sagen können?
Andrea Dovizioso: Eines meiner Ziele ist, die Weltmeisterschaft zu gewinnen, solange Valentino noch dabei ist. Denn Valentino ist der beste Fahrer und wenn man gewinnt, solange er da ist, zählt das viel mehr. Sicher will ich so viele Titel holen wie möglich, aber es ist auch wichtig, einen zu schaffen, bevor Valentino seine Karriere beendet.

Dovizioso will gegen Rossi gewinnen, Foto: Milagro
Dovizioso will gegen Rossi gewinnen, Foto: Milagro

MSM: Wie wichtig ist dir deine Familie bei dem Ganzen? Also in deiner Laufbahn, deiner Arbeit und vor allem wenn du abseits der Strecke ein wenig abschalten willst?
Andrea Dovizioso: Ich habe jetzt ja eine Tochter. Ich bin sehr glücklich darüber. Erst wenn man Vater ist, kann man verstehen, wie das wirklich ist. Bis jetzt ist alles schöner, es ist wunderbar, alles ist einfach besser als vorher. Ich bin einfach glücklicher als vorher.

Das Interview mit Andrea Dovizioso stammt aus unserem Printmagazin Motorsport-Magazin. Mehr Technikhintergründe, Interviews und Reportagen lesen Sie im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online zum Vorzugspreis bestellen: